Nürburgring-Verkauf Der Ring-Kampf geht in Brüssel weiter

Seite 4/5

Gläubigerausschuss tagt heute Nachmittag

Es dürfte allerdings ein wenig dauern, bis die Kommission entscheidet, ob sie ihren Beschluss widerruft oder die Beschwerden zurückweist. Üblicherweise leitet sie die Beschwerden zunächst zur Stellungnahme an den Mitgliedsstaat weiter, wofür dieser im Regelfall einen Monat Zeit hat, allerdings auch Fristverlängerungen beantragen kann; oft ergeben sich zudem aus den Antworten weitere Nachfragen der Kommission. „Eine Entscheidung der Kommission zu den neuen Beschwerden wird mit ziemlicher Sicherheit  frühestens im kommenden Jahr fallen“, sagt der Brüsseler Beihilferechtsexperte Andreas Bartosch, Partner der Rechtsanwaltskanzlei Kemmler, Rapp, Böhlke & Crosby. „Es würde mich auch nicht wundern, wenn sich das bis Ende 2015 hinzieht.“

Welche Rennstrecken sich rechnen
14 Millionen Euro erlässt Bernie Ecclestone der Nürburgring GmbH. Normalerweise müssen die Streckenbetreiber dem Formel-1-Organisator Millionensummen dafür zahlen, dass die Königsklasse des Motorsports überhaupt antritt. Aber seit Sommer 2012 ist die Nürburgring GmbH insolvent, seit Mitte Mai stehen alle Vermögenswerte zum Verkauf. Wenigstens 120 Millionen Euro sind in dem Bieterverfahren aufgerufen, in das nun auch der ADAC eingestiegen ist. Quelle: AP
60 Millionen Euro erwirtschaftet ein Formel-1-Lauf während eines Wochenendes im Umkreis der Strecke. Nicht zu vergessen die Tickets für normale Besucher (ab 109 Euro) und VIPs. Eine Lounge für 80 Personen kostet für das Wochenende 110.000 Euro. Quelle: dpa
34 Millionen Euro haben private Investoren aufgebracht, um einen ehemaligen Nato-Stützpunkt im Teutoburger Wald ins Drive Resort Bilster Berg zu verwandeln – ein Renn-, Test- und Erlebniszentrum für Autohersteller und Auto-Enthusiasten. Für 1200 Euro pro Stunde können sie die 4,2 Kilometer lange Gesamtstrecke mieten, für 300 Euro nur den Offroad-Parcours. Dennoch ist die Anlage bis zum Jahresende fast schon ausgebucht. Für 2013 sind Einnahmen von 4,6 Millionen Euro eingeplant.
Die Teststrecke Boxberg.

Zunächst dürften die Beschwerden daher heute Nachmittag in Koblenz zur Sprache kommen. Ab 14 Uhr tagt in der Kanzlei von Lieser der Gläubigerausschuss der Nürburgring GmbH. Die Anwälte von Weil, Gotshal & Manges werden dann ihr Konzept für eine Treuhandstruktur vorstellen. Mit der Ausarbeitung waren sie beauftragt worden, weil die Kommission nicht will, dass die Beihilfesünderin Nürburgring GmbH weiterhin Zugriff auf die Vermögenswerte hat. Diese sollen daher an einen Treuhänder gehen, der die Abwicklung des Kaufvertrags überwacht und als Verpächter fungiert. Für den Fall, dass unterlegene Bieter neben Beschwerden an die Kommission auch Klagen zu den Europäischen Gerichten schicken, soll der Ring nämlich übergangsweise zunächst an den Käufer verpachtet werden, bis eine rechtskräftige Entscheidung vorliegt. Auch um die Frage, wer der Treuhänder wird, soll es heute Nachmittag offenbar gehen.

Scharmützel auf allen Ebenen

Neben den  juristischen Scharmützeln wird derweil auch auf politischer Ebene weiter heftig gerungen. Nexovation hat Rückendeckung von der US-Botschaft bekommen, die offenbar erneut ein Gespräch mit der Kommission führte und Druck in dieser Angelegenheit machte. Das Gespräch soll in der vergangenen Woche stattgefunden haben. Schon im Juli hatte sich die US-Botschaft eingeschaltet und bei der Kommission vorgesprochen. Ja zum Nürburgring hat zudem Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker direkt angeschrieben – Vereinspräsident Flimm hatte in den 1990er Jahren häufiger mit Juncker zu tun, als Flimm ADAC-Präsident war und der Automobilclub in der Formel 1 den Großen Preis von Luxemburg – wo Juncker seinerzeit Ministerpräsident war – auf dem Nürburgring ausrichtete.

Umgekehrt hatte auch die Landesregierung für den positiven Beschluss vom 1. Oktober gekämpft, Ministerpräsidentin Malu Dreyer und verschiedene Minister waren mehrfach bei Almunia in Brüssel zu Besuch. Mit den Entscheidungen im Verkaufsprozess selbst will die Landesregierung allerdings nie etwas zu tun gehabt haben. Mittlerweile musste sie jedoch eingestehen, sich vor dem Zuschlag mit den verschiedenen Bietern mehrfach getroffen zu haben. Das räumte die Landesregierung auf Fragen der CDU-Abgeordneten Alexander Licht und Martin Brandl ein.

Dreyer traf sich mehrfach mit Bietern

Am 16. Januar traf sich Dreyer in Mainz demnach mit Wild und Heinemann, zwei Tage zuvor waren Mitarbeiter von Wirtschaftsministerin und Vize-Ministerpräsidentin Eveline Lemke (Grüne) zu Gast bei Capricorn. Auch mehrere Telefonate von Wild mit Lemke und dem damaligen Vize-Staatskanzleichef Clemens Hoch räumte die Landesregierung ein, die genauen Daten der Gespräche seien allerdings nicht mehr festzustellen. HIG Capital, der später nicht berücksichtigte Bieter, kritisiert derweil, ebenfalls um ein Treffen mit Dreyer gebeten zu haben, damit allerdings lange abgeblitzt zu sein. Der Finanzinvestor musste zunächst mit Hoch vorlieb nehmen, der sich im November 2013 mit HIG-Vertretern traf.

Erst am Vorabend der entscheidenden Gläubigerausschusssitzung, in der der Zuschlag an Capricorn ging, traf sich auch Dreyer persönlich mit HIG. In den Koblenzer Kanzleiräumen von Insolvenz-Sachwalter Lieser, wo die Mitglieder des Ausschusses einen Tag später den Zuschlag für den Ring an Capricorn vergeben sollten. Einfluss auf den Verkaufsprozess genommen zu haben bestreitet die Landesregierung aber vehement. Es habe sich um reine „Kennenlerntermine“ gehandelt, sagte der mittlerweile im Zuge von Dreyers großer Regierungsumbildung zum Staatskanzleichef beförderte Hoch Ende November im Landtag. Aus diesem Grund seien auch keine Aktenvermerke zu den Treffen angefertigt worden.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%