Nürburgring-Verkauf Der Ring-Kampf geht in Brüssel weiter

Seite 2/5

Lief der Verkaufsprozess europarechtskonform ab?

Der Verkaufsprozess musste europarechtskonform ablaufen, weil die EU-Kommission wegen der Investitionen des Landes Rheinland-Pfalz an der Rennstrecke schon 2012 ein Beihilfeverfahren eröffnet hatte. Unter der Führung des früheren Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD) versenkte die Landesregierung rund eine halbe Milliarde Euro in der Eifel. Alleine 330 Millionen entfielen auf einen monströsen Komplex mit Freizeitpark, Achterbahn, Rennsport-Museum, Hotels, Disco, Restaurants, Feriendorf, Veranstaltungsräumen und einem Shopping-Boulevard. Damit die wettbewerbsverzerrenden Beihilfen nicht auf den Käufer übergehen, muss der Verkaufsprozess offen, transparent, bedingungs- und diskriminierungsfrei ablaufen.

Genau daran haben die Beschwerdeführer massive Zweifel. Das Transparenzkriterium erfordert nämlich, dass den Bietern die Auswahlkriterien vorab mitgeteilt werden. So wissen sie, worauf es bei ihrem Angebot ankommt und der Verkäufer kann hinterher nicht mit willkürlichen Kriterien einen bevorzugten Bieter durchboxen. Zu den Kriterien, die den Bietern mitgeteilt worden waren, zählte die Finanzierungssicherheit. Die aber hat nach Auffassung der Beschwerdeführer nicht vorgelegen, als Capricorn und Getspeed im März den Zuschlag erhielten.

Deutschlands sündhaft teure Prestigebauten
Die Elbphilharmonie ist das teuerste Kulturprojekt in Deutschland. Die Kostenexplosion und Bauverzögerung wird ein Fall für die Justiz. Die Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelt, ob Straftaten vorliegen. Laut Abschlussbericht sind eine unfertige Planung, mangelnde Kontrolle vonseiten der Politik und ein Chaos auf der Baustelle schuld am Desaster beim Bau. Die Kosten für den Steuerzahler bei dem Projekt sind von ursprünglich 77 Millionen auf 789 Millionen Euro gestiegen, die Eröffnung wurde von 2010 auf 2017 verschoben. Erstmals nennt der Abschlussbericht, der die Ereignisse bis Ende 2008 untersucht, auch die Namen der Verantwortlichen. Demnach ist die städtische Realisierungsgesellschaft (Rege) mit ihrem Chef Hartmut Wegener für wichtige Fehlentscheidungen verantwortlich. Die politisch Verantwortlichen, allen voran Hamburgs damaliger Bürgermeister Ole von Beust (CDU) und sein Chef der Senatskanzlei Volkmar Schön (CDU), seien dagegen ihrer Aufsichtspflicht nicht gerecht geworden. Aber auch die Architekten Herzog & de Meuron und der Baukonzern Hochtief kommen in dem Bericht nicht gut weg. „Wenn wir konkrete Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat finden würden, würden wir entweder einen Ermittlungsvorgang gegen einen bestimmten namentlich bekannten Beschuldigten oder mehrere einleiten oder wir würden ein Unbekannt-Verfahren einleiten, wenn wir noch nicht wüssten, wer der Beschuldigte ist“, erklärt die Sprecherin Nana Frombach. Quelle: dpa
Deutschlands teuerstes Kulturprojekt, die Hamburger Elbphilharmonie, wird die Steuerzahler laut Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) stolze 789 Millionen Euro kosten - und soll 2017 eröffnet werden. Das Prestigeprojekt würde damit gut zehnmal teurer als 2005 vom damaligen Bürgermeister Ole von Beust (CDU) veranschlagt. Damals war von rund 77 Millionen Euro die Rede. Auf der Baustelle im Hafen herrscht mittlerweile seit rund anderthalb Jahren Stillstand, weil sich die Vertragspartner lange nicht einigen konnten. Erst im März hatte Scholz mit Hochtief einen Vertrag geschlossen, wonach der Essener Baukonzern künftig sämtliche Risiken übernimmt und das Konzerthaus bis Ende Oktober 2016 zum „Globalpauschalfestpreis“ von 575 Millionen Euro zu Ende baut. Nicht berücksichtigt waren dabei jedoch unter anderem die Finanzierungs- und Baukosten für den kommerziellen Teil und die Vorplanungskosten. Nun geht aus dem vertraulichen zweiten Entwurfs des Abschlussberichts des Untersuchungsausschusses hervor, der Spiegel Online vorliegt. Die Schuldigen sollen die Projektkoordination, Bauunternehmer und Architekt, sowie auch der damalige Erster Oberbürgermeister, Ole von Beust, sein. Quelle: REUTERS
Die sogenannte 'Kanzlerbahn', die derzeit zwischen dem Hauptbahnhof, Kanzleramt und dem Brandenburger Tor verkehrt, soll um 92 Millionen Euro teurer werden. Laut Berliner Morgenpost beläuft sich das Gesamtvolumen künftig auf 525 Euro, die das Land und der Bund zahlen müssen. Quelle: dpa
In Schlangen winden sich Hunderte Besucher durch den Saal, bestaunen historische Exponate, erhaschen per Kurzfilm einen Einblick in die Arbeit der Bundestagsabgeordneten. In einem Miniplenarsaal mit originalgetreuen blauen Sesseln lauschen sie einer gespielten Debatte und ergreifen selbst das Wort. Dann geht es durch den unterirdischen Gang ins Reichstagsgebäude, hinauf in die gläserne Kuppel. Zum Abschluss noch ein Imbiss an einem der 16 Bistro-Tische, die die 16 Bundesländer repräsentieren. So soll es aussehen, das Besucher- und Informationszentrum des Bundestages (BIZ). Ursprünglich sollte es 200 Millionen Euro kosten. Im Januar dann lag der anvisierte Preis schon bei 330 Millionen Euro. "Ein Bau für 330 Millionen Euro, das wird nicht kommen", sagte damals Eduard Oswald, CSU-Bundestagsvizepräsident und Vorsitzender der inneren Kommission, gegenüber WirtschaftsWoche. Nun heißt es in einem Bericht der Welt, dass der Bau mit bis zu 500 Millionen Euro zu Buche schlagen werde. das gehe aus einem Bericht der 36-köpfigen "Reformkommission Bau von Großprojekten" der Bundesregierung hervor. Quelle: dpa
Die Stuttgarter waren nicht ohnmächtig: Stuttgart 21 steht für einen politischen Umbruch in Baden-Württemberg und den Einzug neuer Formulierungen in die deutsche Sprache, wie zum Beispiel das Wort „Wutbürger”. Der alte Kopfbahnhof soll zu einem Tunnelbahnhof umgebaut werden. Eine riesige Protestwelle überrollte die baden-württembergische Landeshauptstadt, seit der Abriss des alten Bahnhofs startete. In einer Abstimmung Ende 2011 sprach sich eine Mehrheit der Bevölkerung jedoch für das Projekt aus. Gestritten wird vor allem über die Kosten des Umbaus... Quelle: dpa
Immer wieder wurden die prognostizierten Baukosten nach oben korrigiert. Zwischenzeitlich sprach die Deutsche Bahn von 4,5 Milliarden Euro, mittlerweile hat sie die Zahlen um ganze zwei Milliarden erhöht.. Andere Experten veranschlagen Kosten von bis zu elf Milliarden Euro. Auch der Bundesrechnungshof hat diese Summe bereits vor drei Jahren als viel zu gering bezeichnet. Die DB hatte damals die Einschätzung zurückgewiesen. Inzwischen sind viele Dokumente ans Tageslicht gekommen, die beweisen, dass die Bahn hohe Mehrkosten vorsätzlich verschwiegen hat. Nicht zuletzt die mangelnde Transparenz bezüglich der Gesamtkosten des Projekts hat viele Bürger auf die Straße getrieben. Die ersten Züge werden wohl nicht vor 2022 im unterirdischen Bahnhof einfahren. Quelle: dpa
Eigentlich sollte die Erweiterung des Saarland-Museums und der Modernen Galerie in Saarbrücken ein Prestigeprojekt werden. Allerdings haben sich die veranschlagten Kosten mehr als verdreifacht. Ursprünglich sollte der Bau neun Millionen Euro kosten. Wie tief der Steuerzahler dafür in die Tasche greifen muss, ist noch offen. Bisher steht in bester Lage in Saarbrücken unweit des Staatstheaters ein hässlicher Betonklotz im Rohbau, dem ein Gutachten jetzt zahlreiche Mängel bescheinigt hat. Die Landesregierung will aber auf jeden Fall an dem schon weit vorangeschrittenen Projekt festhalten, obwohl viele vor einer „zweiten Elbphilharmonie“, wenn auch in sehr viel kleinerer Größenordnung, warnen. Quelle: dpa

Finanzierung stand nicht

Den Großteil des offiziell ausgewiesenen Kaufpreises von 77 Millionen Euro wies Capricorn mit einer Finanzierung über die Deutsche Bank in Höhe von 45 Millionen Euro nach. Diese aber kam nie zustande.

„Capricorn hat den Schlüsseltest, nämlich in der Lage zu sein, die Transaktion zu finanzieren, nicht bestanden“, schreibt Cox der Kommission. Mehr noch: Die Beschwerdeführer gehen auch davon aus, dass die Kommission irreführend über die Finanzierung informiert wurde. Laut ihrem Beschluss vom 1. Oktober scheint die Kommission die Finanzierungszusage gar nicht selbst geprüft zu haben.

Die Kommission stützt sich stattdessen auf eine Stellungnahme der Insolvenzverwalter, die mitgeteilt hatten, die Deutsche Bank habe „ihr Finanzierungsangebot nach einer umfassenden rechtlichen und finanziellen Due Diligence bestätigt und ihre Finanzierungsbestätigung nie aufgehoben.“ Allerdings lief sie aus, ohne dass sie je in Anspruch genommen worden wäre. Als Wild die Ende Juli fällige zweite Kaufpreisrate von fünf Millionen Euro nicht bedienen konnte, verpflichteten ihn die Insolvenzverwalter in der Stundungs- und Sicherungsvereinbarung dazu, schnellstmöglich eine neue Finanzierung für die Fremdkapitalrate zu besorgen und die Insolvenzverwalter wöchentlich über die Entwicklung zu benachrichtigen. Anhaltspunkte, dass die Kommission hiervon wusste, finden sich in dem Beschluss nicht.

Kommission falsch informiert?

Das alleine bedeute bereits, dass „der Prozess nicht fair, offen und transparent war, weil ein Bieter ohne adäquate finanzielle Ressourcen ausgewählt wurde“, schreibt Cox der Kommission. „Wir sehen keinerlei Transaktionssicherheit bei Capricorn, obwohl diese von den Verkäufern in ihren zuvor aufgestellten Regeln zum Verkaufsprozessverlangt worden war“, schreiben die Anwälte der Kanzlei Norton Rose Fulbright, die Nexovation vertreten, in ihrer Beschwerde. Ja zum Nürburgring schreibt: „Der Closing-Kaufpreis musste noch finanziert werden. Die Kommission wurde somit bewusst falsch informiert.“ Ein Sprecher der Insolvenzverwalter wollte die Beschwerden auf Anfrage nicht kommentieren.

Nach dem Ausfall der zweiten Kaufpreisrate musste Wild zusätzliche Sicherheiten stellen, unter anderem seine private Kunstsammlung. Wie sich später herausstellen sollte, war diese jedoch bereits anderweitig verpfändet. Schon für den Zuschlag im März hatte Wild umfangreiche Sicherheiten gestellt, unter anderem eine Briefgrundschuld auf seine Villa im noblen Düsseldorfer Stadtteil Oberkassel und eine selbstschuldnerische Bürgschaft. Hier zeigte sich jedoch im Nachhinein, dass die Villa stärker mit anderen, vorrangigen Grundschulden belastet war, als die Insolvenzverwalter zunächst angenommen hatten, und dass Zweifel an der Werthaltigkeit von Wilds persönlicher Bürgschaft angebracht gewesen wären.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%