Nürburgring-Verkauf „Ring“ wird zur Schicksalsfrage für Malu Dreyer

Der Nürburgring soll künftig dem Mittelständler Capricorn gehören, die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) rührt kräftig die Werbetrommel für den Käufer. Damit verknüpft sie ihr politisches Schicksal mit der Rennstrecke – auch, weil ein unterlegener Bieter sie jetzt persönlich in die Verantwortung nimmt.

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Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Capricorn Geschäftsführer und Nürburgring-Investor Robertino Wild beim Besuch des Automobil-Zulieferers Capricorn im Gewerbepark am Nürburgring. Quelle: dpa

Es war ein höchst ungewöhnlicher Auftritt der Ministerpräsidentin. Mehr als vier Stunden lang besuchte Malu Dreyer am gestrigen Mittwoch den Nürburgring. Ein kräftezehrendes Programm für die rheinland-pfälzische Regierungschefin, die an Multipler Sklerose leidet. Im Rollstuhl ließ sich die SPD-Politikerin durch die örtliche Fabrik von Capricorn fahren, dem Düsseldorfer Mittelständler, der im März den Zuschlag für die Rennstrecke erhielt. Derart lange Besuche statten Politiker Firmen, Vereinen und Verbänden nur selten ab: Dreyer besuchte auch Capricorns Mitbieter Getspeed, besichtigte den Ring selbst, nahm an einer Betriebsversammlung teil, diskutierte mit Menschen aus der Region – und rührte kräftig die Werbetrommel.

„Ich glaube, dass wir eine echte Chance haben, am Ring strukturell etwas zu bewegen“, sagte die Ministerpräsidentin bei ihrem Capricorn-Besuch. Gleich zwei Pressetermine absolvierte sie, um für die neuen Eigentümer und dessen Konzept zu werben. „Der Nürburgring blickt nun mit dem neuen Investor in eine neue Zukunft“, erklärte Dreyer, „ich wünsche den neuen Nürburgring-Eigentümern, dass die positive Stimmung weiter anhält und ich wünsche ihnen die notwendige Kraft für diese große Herausforderung.“ Dass sie dafür mit der mehrstündigen PR-Offensive selbst einen Kraftakt meistern musste, nahm Dreyer in Kauf – was logisch ist, aber auch riskant.

Logisch, aber auch riskant

Logisch ist ihr Engagement, weil für Dreyers SPD am Ring immens viel auf dem Spiel steht. Die Rennstrecke in der Eifel ist ein Ort von Triumphen und Tragödien, für die Sozialdemokraten in Rheinland-Pfalz gilt Letzteres ganz besonders. Mehr als eine halbe Milliarde Euro hat das Land Rheinland-Pfalz am Nürburgring investiert, den Großteil davon zwischen 2006 und 2011, als der langjährige Ministerpräsident Kurt Beck eine SPD-Alleinregierung anführte. Dreyers Amtsvorgänger und Parteifreund wollte mit einem 2009 eröffneten, 330 Millionen Euro teuren Business- und Freizeitkomplex den Nürburgring vom Motorsport unabhängiger machen, doch genau diese Investitionsruinen führten den Ring in den Bankrott. 2012 meldete die weitgehend landeseigene Nürburgring GmbH Insolvenz an.

Das Nürburgring-Desaster

Die Nürburgring-Affäre zog einen Untersuchungsausschuss des Landtags und ein Sondergutachten des Landesrechnungshofs nach sich, die EU-Kommission leitete ein Beihilfeverfahren ein. Ex-Finanzminister Ingolf Deubel (SPD) wurde kurz vor Ostern wegen Untreue zu einer Haftstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt, Ex-Ring-Geschäftsführer Walter Kafitz (SPD) erhielt eine Bewährungsstrafe, beide haben Revision eingelegt. 2012 trat Beck wenige Wochen nach einem überstandenen Misstrauensantrag wegen der Nürburgring-Pleite aus gesundheitlichen Gründen zurück. Aktuell untersucht der Landesrechnungshof in einem weiteren Sondergutachten die Neufinanzierung des Projekts nach dem Deubel-Rücktritt. Besonders im Fokus stehen zwei weitere SPD-Politiker: Der damalige Wirtschaftsminister und heutige Fraktionschef Hendrik Hering sowie Deubels Nachfolger als Finanzminister, Carsten Kühl. Sie haben das neue Konzept federführend verantwortet.

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