Olympische Spiele Sotschi wird zum Milliardengrab

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Dicke Luft zwischen den Oligarchen und Putins Kreml-Riege

Kosmonauten präsentieren Olympia-Fackel im All
Während ihres Weltraumspaziergangs machten die Kosmonauten mit Mega-High-Tech-Kameras Fotos voneinander, überreichten sich mehrmals das Olympia-Symbol und stellten so einen eigenen Fackellauf im All nach. Die Luken der ISS öffneten sich um 15.34 Uhr MEZ. 5 Stunden und 50 Minuten später stiegen die Raumfahrer zurück in die Station. Olympische Fackeln waren zwar bereits vor den Spielen 1996 und 2000 im All. Sie waren aber damals nicht mit in den freien Weltraum genommen worden. Quelle: dpa
Mit der spektakulären Aktion wollte die stolze Weltraumnation Russland nach Ansicht von Experten auch ihr Selbstbewusstsein demonstrieren. Aus Sicherheitsgründen und wegen des Sauerstoffmangels im Weltall brannte die knapp zwei Kilogramm schwere Fackel aber nicht. Eine Spezialabsicherung sorgte dafür, dass sie nicht davon schweben konnte. Bei früheren Außeneinsätzen war den Raumfahrern etwa Werkzeug entglitten. „Wir werden alles so einrichten, dass sich ein wunderschönes Bild ergibt, dass das ganze Land und die ganze Welt die Fackel sehen“, hatte Kotow angekündigt. Bei seinem vierten Außeneinsatz durfte der 48-Jährige die Fackel aus der ISS heraustragen. Für Rjasanski (38) war es der erste Weltraumspaziergang. Quelle: dpa
An Bord einer Rakete ging die Olympische Fackel am frühen Donnerstagmorgen vom Kosmodrom in Baikonur in Kasachstan auf die Reise zur Internationalen Raumstation ISS. Quelle: AP
Die drei Raumfahrer Koichi Wakata, Michail Tjurin (Mitte) und Rick Mastracchio tragen die Fackel an Bord der Sojus-Rakete. Quelle: AP
„Es ist ein großes Vergnügen und eine große Verantwortung, mit diesem Symbol des Friedens arbeiten zu können“, sagte Kosmonaut Tjurin vor dem Flug ins All. Quelle: REUTERS
Nach ihrer Ankunft soll die Fackel zu einem Ausflug ins All mitgenommen werden und den ersten „Spacewalk“ in der Geschichte des olympischen Feuers vollführen. Während der fünf Tage in der Raumstation wird die Flamme aus Sicherheitsgründen jedoch nicht entzündet: Das könnte kostbaren Sauerstoff verbrauchen und die dortige Crew gefährden. Quelle: REUTERS
Den „historischen“ Weltraumspaziergang mit der Fackel dürfen die russischen Kosmonauten Oleg Kotow und Sergej Rjasanskij übernehmen, die sich derzeit in der ISS aufhalten. Quelle: REUTERS

Was vor allem drückt, sind die Schulden. Ebenso wie Potanin stehen Deripaska und Wekselberg bei der staatlichen Bank VEB für die Sotschi-Projekte in der Kreide. Russlands Entwicklungsbank hatte zugesagt, dass die Hypothekenkredite erst nach Ende der Winterspiele abgetragen werden müssen. Allerdings klagen die Unternehmen über Zinsen von 9 bis 18 Prozent. Insgesamt hat Russlands Entwicklungsbank für Sotschi-Projekte Darlehen über 5,2 Milliarden Euro bereitgestellt, wobei bereits vor Beginn der Spiele vier Milliarden Euro als notleidend geführt werden. Die Objekte, darunter Skigebiete und Hotels, werfen nicht genug Gewinn ab, damit Gläubiger ihre Kredite bedienen können.

„Ich kenne kein Land auf der Welt, in dem eine Entwicklungsbank für ein Bauprojekt zum Wohle des Landes solche Wucherzinsen verlangt“, schimpft ein Gläubiger. Immerhin kam die Regierung den Investoren vergangene Woche entgegen: Dmitri Kosak, der als Vize-Regierungschef für Olympia verantwortlich ist, kündigte die Stundung der Darlehen bis 2015 an – ohne allerdings an der Zinslast rütteln zu wollen.

Trotz des Etappensiegs rechnen Analysten mit hohen Abschreibungen: Vermutlich werden die Investoren mit Eigenkapital einen Teil der Darlehen vorzeitig tilgen, um sich des Schuldendienstes zu entledigen. Olympische Verluste träfen die Investoren zum ungünstigen Zeitpunkt: Wegen niedriger Rohstoffpreise und der schlechten Konjunktur in Russland leiden gerade Metall-Magnaten wie Deripaska und Potanin unter sinkenden Gewinnen.

Der Zoff in Sotschi zeigt, wie dick die Luft ist zwischen den Oligarchen und Putins Kreml-Riege. Dabei ist es keineswegs so, dass man im Windschatten der Machthaber keine Millionen verdienen kann. Allein, die Profiteure sind heute andere als die Hasardeure der Neunzigerjahre, die im Volk trotz ihres Mäzenatentums so unpopulär sind. Die neuen Superreichen verstecken sich hinter den getönten Scheiben ihrer Limousinen und fallen kaum auf.

So wie Arkadi Rotenberg. Der stille Unternehmer hat sich schon von dem etwa gleichaltrigen Putin beim Judo aufs Kreuz legen lassen – und umgekehrt. Rotenbergs Baukonzern Mostotrest, an dem er gut ein Viertel der Anteile hält, hat einen Großteil der Infrastruktur in Sotschi errichtet und damit gutes Geld verdient. Kritiker unterstellen, dass dabei Schmiergeld in Strömen geflossen sei. Putin-Gegner Boris Nemzow behauptet, für den Bau einer 20 Kilometer langen Straße in Sotschi habe der an der Börse beliebte Konzern rund acht Milliarden Dollar berechnet. Das Moskauer Magazin „Esquire“ rechnete vor, dass man dafür den Zuweg, statt zu teeren, auch mit einer ein Zentimeter dicken Schicht schwarzen Kaviars hätte belegen können.

Die Regierung erklärte erst vor wenigen Tagen, der Rechnungshof habe keine groben Unregelmäßigkeiten bei der Sotschi-Vorbereitung feststellen können. In Wahrheit muss Sotschi so tief im Sumpf der Korruption gesteckt haben, dass Putin selbst auf den Tisch haute: Der Bau der Skisprung-Schanze hatte sich von 30 auf 200 Millionen Euro fast versiebenfacht und obendrein verzögert. Generalunternehmer des aus Staatsgeldern finanzierten Bauprojekts war Achmed Bilalow, zugleich Vizepräsident des nationalen Organisationskomitees. Nachdem Putin ihn deswegen kritisiert hatte, floh Bilalow aus Russland. Die staatliche Sberbank musste die verlustreiche Skischanze übernehmen.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass Korruption die Kosten eskalierten ließ: „Meist waren Kickbacks von 30 Prozent üblich“, sagt ein deutscher Unternehmer. Wer als Bauträger einen Auftrag in Sotschi erhalten wollte, muss dem für die Auftragsvergabe Verantwortlichen Provisionen zusichern. So ist es kein Wunder, dass sich deutsche Unternehmen nicht als Generalunternehmer engagierten – sondern in den Nischen am unteren Ende der Wertschöpfungskette. Sie lieferten Messtechnik, bohrten Tunnel, statteten die Eishallen mit Kühlsystemen aus, übernahmen also jene Spezialaufträge, die man zuweilen auch ohne Bakschisch ergattert. „Insgesamt haben deutsche Unternehmen in Sotschi einige Hundert Millionen Euro umgesetzt“, schätzt Michael Harms, der als Chef der Auslandshandelskammer den Überblick hat.

Die erfolgsverwöhnten Oligarchen können das nicht von sich behaupten. Die Putin-Festspiele, die ihnen Potanin eingebrockt hat, werden sie noch einige Jahre lang abschreiben müssen.

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