Online-Plattform Savvy So wie Airbnb - nur für Privatlehrer

Ein Deutscher baut von San Francisco aus eine neue Plattform auf, um Unterricht übers Internet zu vermitteln. Wir haben schon mal getestet, was die Dozenten so drauf haben.

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Savvy Quelle: dpa

Die Lehrerin ist schon da, sie sitzt in ihrem Arbeitszimmer irgendwo in Idaho, im Nordwesten der USA. Aus ihren langen, rotgefärbten Haaren baumeln weiße Kopfhörer, sie schaut in die Kamera ihres Computers. Ich sitze auf meinem Sofa und betrete den digitalen Klassenraum mit einem Klick auf “Join your Session” – die Stunde beginnt. “Hi, wie geht’s?”, fragt Miranda. Sie stellt sich kurz vor: Freiberufliche Journalistin, Buchautorin, Finanzcoach – und seit Neuestem digitale Privatlehrerin für alle, die wissen wollen, wie man sein Geld besser zusammenhält.

Möglich macht unsere Begegnung eine neue Online-Plattform namens Savvy, die ähnlich funktioniert wie die Zimmervermittlungsbörse Airbnb – nur für Privatlehrer: „Jeder mit Expertise kann hier bei uns unterrichten“, sagt Thomas Arend. Vor fast zwei Jahren hat er seine Stelle als internationaler Produktchef bei Airbnb gekündigt, um Savvy zu gründen. Auf der Plattform werden keine freien Zimmer oder Häuser gehandelt, sondern Wissen und Erfahrungen. Welches Thema das ist und ob der Unterricht von ausgebildeten Pädagogen kommt, ist Arend egal.

Ab diesem Wochenende ist Savvy für die Öffentlichkeit zugänglich. Bereits jetzt bieten mehrere hundert Lehrer ihre Dienste an, es sind klassische Fächer wie Mathematik und Spanisch dabei und eher modernere Disziplinen wie “Perfektioniere dein Gesicht”, angeboten von einem VIP-Kosmetiker aus Hollywood. Den Preis pro 25 Minuten Unterricht bestimmen die Anbieter selbst, momentan schwankt er zwischen 25 und 150 Dollar.

Vieles bei Savvy erinnert an Airbnb: das Bewertungssystem für die Lehrer, die mütterliche Betreuung der Schüler inklusive Erinnerungsmail 15 Minuten vor dem Unterricht, vor allem aber: das Geschäftsmodell. Um das Wissen der Nutzer in bares Geld zu verwandeln, behält Savvy rund 15 Prozent von den Einnahmen der Lehrer als Provision. Dafür organisiert die Plattform die Bezahlung und den Unterricht per Videokonferenz. Die Umsatzziele für dieses Jahr will Arend nicht verraten, aber ein paar Investoren sind schon überzeugt: 1,72 Millionen Dollar Startkapital hat Savvy in einer ersten Finanzierungsrunde eingesammelt.

Ein neuartiges Computerprogramm könnte die Schulpraxis revolutionieren: Digitale Klassenbücher sollen Lehrer entlasten und mehr Zeit für den Unterricht schaffen.
von Dieter Dürand

Wie man mit der digitalen Vermittlung von Wissen Geld verdient, lernen derzeit immer mehr Unternehmer – vor allem in den USA. Dort sammelten Online-Lernplattformen im ersten Halbjahr 2015 mehr als 600 Millionen Dollar ein. Das ist nach Angaben der Datenbank von Dow Jones VentureSource ein neuer Rekord. Das meiste Geld investierten Risikokapitalgeber in Unternehmen, die Weiterbildungsprogramme für Berufstätige anbieten

Die größten digitalen Schulungsräume bieten zwei US-Start-Ups: Coursera und Udacity. Sie arbeiten mit Universitäten zusammen und stellen Videos von Vorlesungen ins Netz, sogenannte “Massive Open Online Courses” (MOOCs). Anschauen ist kostenlos, aber wer sich prüfen lassen will, muss zahlen. Nach eigenen Angaben haben die Plattformen zusammen schon fast 20 Millionen Zuhörer in mehr als 100 Ländern der Welt gefunden. Auf dem deutschen Markt gibt es Anbieter wie das Bochumer Unternehmen Studienkreis, das Nachhilfelehrer für zu Hause oder per Videokonferenz vermittelt. Zur Stuttgarter Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck gehören Unternehmen wie lecturio und bettermarks, die ihren Kunden versprechen, mit Lernvideos ihre Karriere oder ihre Noten in Mathematik zu verbessern.

Savvy grenzt sich von diesen Angeboten ab, weil sich die Lehrer keiner offiziellen Qualitätsprüfung unterziehen müssen. Thomas Arend vertraut auf die ordnende Hand des Marktes: “Ob jemand ein guter Lehrer ist oder nicht, kann kein Diplom beurteilen. Wir verlassen uns auf das Feedback der Schüler.“ Julia Behrens, die bei der Bertelsmann Stiftung arbeitet und eine Studie über den pädagogischen Nutzen von Online-Lernangeboten macht, sieht das skeptisch. „Ich bin für eine Überprüfung der potenziellen Nachhilfelehrer“, sagt sie. Sonst könnte sich schließlich jeder als Experte für irgendein Thema präsentieren und leichtes Geld verdienen.

Und Miranda? Die Finanzjournalistin lehrt, was zunächst einleuchtet: Um Geld zu sparen rät sie, einen Haushaltsplan zu erstellen. Beim Investieren empfiehlt sie ihre private Strategie: Risiko diversifizieren, auf Fonds statt auf einzelne Aktien setzen – und Finger weg von den volatilen Schwellenländern. Ob jemand bereit ist, für solch überschaubar komplexe Weisheiten 50 Dollar zu zahlen, wird über den Erfolg von Savvy entscheiden.

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