PCR-Tests „Ich verstehe nicht, wieso die Kapazitäten knapp sein sollen“

PCR-Tests werden in Deutschland inzwischen rationiert und nur noch bestimmten Gruppen kostenlos zur Verfügung gestellt. Sind sie wirklich so knapp? Quelle: Getty Images

Bund und Länder wollen kostenlose PCR-Tests nur noch bestimmten Gruppen zugänglich machen, weil Labore an Kapazitätsgrenzen kommen. Unverständlich, sagt Christoph Neumeier, einer der größten Teststellenbetreiber.

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Wirtschaftswoche: Herr Neumeier, laut dem Entwurf der Ministerpräsidentenkonferenz plant die Bundesregierung, die kostenlosen PCR-Tests nur noch auf sogenannte vulnerable Gruppen zu beschränken, also etwa Ältere, Kranke sowie Beschäftigte in Krankenhäusern und Pflegediensten. Welche Konsequenzen dürfte dieser Beschluss haben?
Neumeier: Ich sehe darin ein großes Problem. Die Positivrate unserer PCR-Tests liegt derzeit bei rund 42 Prozent, das ist sehr hoch. Und das bestätigt, dass viele Leute, die einen PCR-Test machen lassen, dringend wissen wollen, ob sie das Virus haben oder nicht. Viele hofieren ja jetzt die Schnelltests. Aber es gibt nun mal im Verlauf einer Infektion eine gewisse Zeitspanne, in der ein Schnelltest ein negatives Ergebnis anzeigt, obwohl man eigentlich positiv ist. Ein PCR-Test ist hier deutlich zuverlässiger. Die Qualität von Schnelltests reicht aus, wenn man den mehrmals pro Woche macht, wie etwa in Schulen und Kitas, aber wirklich zuverlässig eine Infektion nachweisen kann man damit nicht.

Die zuständigen Politiker argumentieren, dass die Labore mit der Auswertung der PCR-Tests zunehmend überfordert seien.
Ich verstehe nicht, wieso die Kapazitäten knapp sein sollen. Wir haben jedenfalls keine Überlastung in unserem Labor und entsprechende Kapazitäten aufgebaut. Es ist seit Wochen bekannt, dass die Omikronwelle kommt. Deshalb ist es für uns nicht nachvollziehbar, dass die Politik nicht strategisch ausreichend Kapazitäten aufgebaut hat.

Zur Person

Sie sind vielleicht auch nicht repräsentativ für den Testverlauf in Deutschland und das Zusammenspiel zwischen Testzentrum und Labor: Sie betreiben ja Ihr eigenes Labor. Aber laut dem Laborverband ALM lag die Auslastung der Testkapazitäten in Deutschland vergangene Woche bei 86 Prozent.
Es stimmt, dass wir unser Labor extra für Corona aufgebaut haben. Entsprechend spezialisiert ist es. Andere Labore in Deutschland bedienen auch noch anderes, Gen-Sequenzierungen, HIV-Tests, Hepatitis – eben alles, was es neben Corona sonst noch gibt. Wir machen ausschließlich PCR-Tests und können bis zu 150.000 Tests pro Woche anbieten.

Und damit sind Sie nicht ausgelastet?
Nein. Wir könnten theoretisch die Kapazitäten stark hochfahren, auf etwa 100.000 PCR-Tests pro Tag, wenn es wirtschaftlich Sinn ergibt. Da hier auch Risikoabwägungen wichtig sind, ist dies eine wirtschaftliche Entscheidung. Würde man uns jedoch den Infrastrukturausbau absichern, wären im Vergleich zu Berlin zum Beispiel zu sehr geringen Kosten immense Kapazitätssteigerungen möglich gewesen, hätte man hier eine langfristige Strategie verfolgt.

(Lesen Sie hier, warum Österreich jedem PCR-Tests anbieten kann, die noch dazu nur sechs Euro pro Test kosten.)

Sie waren bis zum Corona-Ausbruch in der Veranstaltungs- und Künstler-Branche tätig.
… aber wir haben trotzdem in kurzer Zeit eine gut funktionierende Logistik aufgebaut, und ein hoch automatisiertes PCR-Labor. Wir haben auch viele Roboter im Einsatz. Diese automatisieren viele Schritte und sorgen für immense Kapazitätssteigerungen. Und: So gigantisch sind die Anschaffungskosten auch nicht. Wenn Systeme und Workflows einmal laufen, kann man das ganz gut erweitern. Aber: Bisher hat uns niemand gefragt – auch wenn wir offenkundig nicht alles falsch machen.

Christoph Neumeier, Gründer der Covimedical GmbH, betreibt 100 Corona-Testzentren in Deutschland. Quelle: Presse

Sie müssen ja nicht warten, bis Sie angesprochen werden.
Haben wir auch nicht. Im Sommer wurden ja die öffentlichen Testzentren analog zu den Impfzentren reihenweise abgebaut. Als dann im Herbst die Nachfrage nach PCR-Tests anstieg, haben wir den Gesundheitsämtern der Städte und der Kreise unsere Dienste angeboten. Dafür mussten die Gesundheitsämter die Beauftragungen erweitern. Das ist für uns ja ein interessantes Zusatzgeschäft.

Wie ist in Ihren Testzentren das Verhältnis von verordneten PCR-Tests zu privat gekauften?
Derzeit kommen vier verordnete PCR-Tests auf einen kostenpflichtigen.

An welchem verdienen Sie mehr?
Das sind zwar unterschiedliche Kalkulationen, aber das tut sich nicht so viel. Für verordnete PCR-Tests rechnet das Labor 43,56 Euro ab. Für kostenpflichtige kommt es darauf an, wie schnell der Kunde das Ergebnis haben möchte. Wir merken schon, dass die verordneten Tests weiter ansteigen. Denn im Moment haben einfach sehr viele Menschen Anspruch auf einen kostenlosen PCR-Test.

Noch.
Ja, noch. Aber die Infektionsfälle sind ja nicht weg, bloß weil man in Zukunft viel weniger PCR-Tests durchführen wird. Das einfach so laufen zu lassen, finde ich fahrlässig.



Was wäre Ihr Vorschlag?
Wer Engpässe hat, kann gerne zu uns kommen! Also im Ernst: Ich kann das Problem der Politik nicht verstehen. Für mich ist es selbstgemacht. Der Berliner Senat etwa sagt: Wir beauftragen keine privaten Dienstleister, wir arbeiten ausschließlich mit unseren eigenen Testzentren. Die haben nun offenbar Probleme mit der Bearbeitung, also will man die PCR-Tests nun beschränken – obwohl wir und andere noch reichlich Kapazitäten haben. Ich verstehe es nicht.

Mehr zum Thema: Während Deutschland PCR-Tests rationiert, hat Österreich seine Kapazitäten rechtzeitig hochgefahren. Der Wiener Laborbetreiber Lifebrain verlangt nur sechs Euro pro Test, sie sind überall verfügbar. Wie ist das möglich?

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