Peter Thiel „Die Linken auf Schritt und Tritt bekämpfen“

Peter Thiel ärgert das Silicon Valley Quelle: Laif

Der Internetmilliardär Peter Thiel will ein konservatives Medium aufbauen. Wie das aussehen könnte, zeigt eine von ihm 1987 gegründete Studentenzeitung.

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Nach knapp zwei Jahren verabschiedet sich der Chefredakteur von seinen Lesern. Versöhnlich gestimmt ist er deshalb nur bedingt. So beklagt er die Existenz von „Leuten, die sich weigern zu sprechen, zuzuhören oder zu denken“. Dabei könne der freie Austausch von Gedanken doch nur funktionieren, wenn sich alle an die „Fundamente des höflichen Diskurses“ hielten. An der eigenen Position im Streit der Argumente lässt er keinen Zweifel. Die „überzeugten Linken, die Stanford politisieren und ruinieren wollen“, so schreibt er im April 1989, werde sein Blatt auch künftig „auf Schritt und Tritt bekämpfen“.

Der Chefredakteur heißt Peter Thiel – und ist heute eine der bekanntesten und zugleich umstrittensten Persönlichkeiten des Silicon Valley. Als Mitgründer des Bezahldienstes PayPal und erster externer Finanzier von Facebook hat der 1967 in Frankfurt am Main geborene Investor Milliarden verdient. Seit er jedoch im Wahlkampf offensiv Donald Trump unterstützt hat, gilt Thiel als böser Mann des traditionell den Demokraten zugeneigten Silicon Valley. Die Führungsspitzen von Google und Facebook machen aktiv Stimmung gegen ihn, Netflix-Gründer Reed Hastings, der neben ihm im Aufsichtsrat von Facebook sitzt, hat ihm den Rückzug aus dem Gremium empfohlen.

Thiel nimmt den Kampf an. Er macht keinen Hehl daraus, dass er das Silicon Valley für zu satt, wohlstandsverfettet, mit sich selbst beschäftigt und in der eigenen Blase gefangen hält. Er werde deshalb demnächst nach Los Angeles umziehen, haben Vertraute berichtet. Dort wolle er ein eigenes, konservatives Medienunternehmen hochziehen. Angeblich will er sich dafür mit der Milliardenerbin Rebekah Mercer zusammentun, die viele Jahre das umstrittene Meinungsportal „Breitbart News“ gefördert hat.

Ein Blick in die Archive der kalifornischen Eliteuni Stanford lässt erahnen, wohin die Reise gehen wird. Mit der „Stanford Review“ hatte der damals 19-jährige Philosophie- und Jurastudent Thiel im Jahr 1987 eine Zeitung gegründet und anschließend als Chefredakteur geführt. Die Inhalte weisen erstaunliche Parallelen zur Gegenwart auf. In dem Blatt geht es um Rechte von Minderheiten, das Verhältnis zu Russland, sexuelle Belästigung – und immer wieder um die angebliche Unterdrückung kontroverser Meinungen in angeblich gleichgeschalteten Medien. Mit ihrer Haltung zu diesen Themen wirkt die „Stanford Review“ wie eine intellektuelle Frühversion des rechten Fernsehsenders „Fox News“. An Thiels Ansichten hat sich im Lauf der Jahrzehnte auffallend wenig geändert. Der Mann ist sich treu gebleiben. Der war schon immer so.

Sein publizistisches Frühwerk lagert heute in der Cecil Green Bibliothek im Schatten des bekannten Hoover-Turms. Im lichtdurchfluteten Lesesaal sind Kugelschreiber verboten, neben der Schachtel mit den Bleistiften mahnt ein Hinweisschild: „Bitte nur einen nehmen!“ Wer die ersten Jahrgänge der „Stanford Review“ einsehen will, muss sich mindestens zwei Werktage vorher anmelden. „Die werden in letzter Zeit relativ oft ausgeliehen“, sagt der Bibliothekar, als er den länglichen, hellgrauen Pappkarton über den Tresen reicht. „Das muss wohl mit den Leuten dahinter zusammenhängen.“

Tatsächlich haben neben Thiel auch einige andere heute einflussreiche Männer des Hightechtals für das Blatt geschrieben. Zu ihnen zählt etwa der schwerreiche Wagnisfinanzierer Keith Rabois. Als Student in Stanford hatte er einen Skandal provoziert, weil er vor dem Apartment eines Dozenten angeblich „Schwuchtel, ich hoffe, du stirbst an Aids“ schrie. Damit habe er die Meinungsfreiheit auf dem Campus testen wollen, beharrte Rabois später. Auch David Sacks, der das von ihm gegründete Onlinenetzwerk Yammer im Jahr 2012 für 1,2 Milliarden Dollar an Microsoft verkaufte, hat für Thiel Artikel verfasst.

Den späteren Wohlstand ihrer Autoren sieht man der Erstausgabe der „Stanford Review“ vom 9. Juni 1987 nicht an. Die Zeitung ist auf billigem Papier gedruckt und umfasst ganze acht Seiten. Auf jeder einzelnen geht es ordentlich zur Sache. Der Leitartikel geißelt den Vormarsch von Feministen als Kreuzzug gegen die „westliche Kultur“. In einem offenen Brief an den damaligen Uni-Präsidenten Donald Kennedy fordert Student Steve Hellman diesen auf, seinen Widerstand gegen eine Ronald-Reagan-Bibliothek in Stanford aufzugeben. Ein Student namens Mike Muller setzt sich wortreich für das Raketenabwehrprogramm SDI ein. Da man den Russen nicht trauen könne und es „um unser Überleben geht“, müssten sich die Wissenschaftler der Uni für das umstrittene Projekt engagieren.

"Ideologisch verblendete Rebellen"

Kontrovers ist auch ein Beitrag, dessen Abdruck die konkurrierende Zeitung „The Stanford Daily“ angeblich abgelehnt hat. Der bezweifelt, dass Kondome wirksam vor der Ansteckung mit dem Aids-Virus HIV schützen, und empfiehlt stattdessen sexuelle Abstinenz und Monogamie. Den „Mainstream-Medien“ wirft der Autor vor, diese Debatte einfach zu unterdrücken.

Tatsächlich tobt damals ein Kulturkampf in Stanford. Ein halbes Jahr vor dem ersten Erscheinen von Thiels Zeitung ist der Bürgerrechtler Jesse Jackson mit rund 500 Anhängern über den Campus marschiert. Mit dem Schlachtruf: „Hey hey, ho ho, Western culture’s got to go“ haben sie Änderungen des Lehrplans gefordert. Der sei zu sehr auf weiße Männer fokussiert und ignoriere die Errungenschaften von Frauen und Minderheiten. Neben die üblichen Standardwerke aus Philosophie und Literatur sollten deshalb Schriften dieser Autorengruppen treten.

Für Thiel ist diese Initiative ein direkter Angriff auf die westlichen Werte, auf die Freiheit von Wissenschaft und Kultur. Er will sich wehren, doch den 1892 gegründeten „Stanford Daily“ hält er für zu zahm und von Linken unterwandert. Deshalb ruft er gemeinsam mit dem Geschichtsstudenten Norm Book die „Stanford Review“ als konservatives Gegengewicht ins Leben. Mit der Zeitung wollen beide keine alternativen Fakten, aber doch „alternative Ansichten“ präsentieren und „rationale Debatten“ frei von Emotionen führen.

Das Versprechen hält das Blatt nicht ein. Der Tonfall der Artikel ist emotional, teilweise pathetisch. In der zweiten Ausgabe findet sich eine wortreiche Huldigung für Präsident Reagan, der „uns viele Segnungen gebracht hat“. Gleichzeitig landet Thiel einen Coup. Am „Schwarzen Montag“ im Oktober 1987 bricht die Wall Street ein und zieht die internationalen Börsen mit hinunter. Thiel organisiert ein Interview mit dem libertären Wirtschafts-Nobelpreisträger Milton Friedman und widmet diesem die Titelseite. „Ich kann versichern, dass die ganzen Erklärungen über den Crash ein Haufen Unsinn sind“, provoziert der prominente Ökonom da. Mit dem Interview ist klar, dass Thiels Zeitung ernst genommen werden muss.

Das zeigt auch die Ausgabe vom April 1989, in der Stanford-Präsident Donald Kennedy dem kontroversen Blatt ein Interview gibt. Der gesamte Jahrgang 1988 ist allerdings aus dem Archiv verschwunden. In seinen Abschiedsworten feiert Chefredakteur Thiel seine Erfolge. So habe er das Team von vier Mitstreitern auf mehr als 40 ausgebaut, einen effektiven Vertrieb aufgebaut und Debatten angestoßen, die nicht nur die Uni, sondern gleich die ganze Nation bewegten.

Thiel übergibt den Posten an seinen Mitgründer Book. Der beschreibt in seinem Kommentar eine schwarz-weiße Welt an der Eliteuni. „Während einige Studenten sich über alles beschweren und nichts tun, sagen andere nichts und tun alles“, schreibt er. Letzteren würde ständig erzählt, dass „Kollektivlösungen besser als individuelle Initiative“ sind und dass sie sich dem „humorlosen Gruppendenken“ der anderen anschließen sollten. Dass sich die „Stanford Review“ dem widersetzen will, steht außer Frage.

Thiel konzentriert sich fortan auf seinen Jura-Abschluss und schreibt nur noch gelegentlich Kommentare. 1992 etwa muss Stanford-Präsident Donald Kennedy wegen eines Finanzskandals zurücktreten. Der habe die Universität so heruntergewirtschaftet, „dass sie einem Dritte-Welt-Land ähnelt, in dem ideologisch verblendete Rebellen die Macht übernommen haben“, tritt Thiel verbal nach.

Noch heute streitet die Zeitung – mittlerweile in elektronischer Form – für konservative Werte. Ähnlich wie ihr Gründer provoziert sie dabei gerne mal das Silicon Valley. So hat sie sich gegen die Netzneutralität – die Gleichbehandlung aller Datenpakte bei der Übertragung im Internet – ausgesprochen. Thiel unterstützt seine Nachfolger, regelmäßig lädt er Redakteure in sein Haus in San Francisco ein und hilft beim Werben von Spenden.

Seine ursprünglichen Ziele hat das Blatt verfehlt. Die Lehrpläne in Stanford wurden schon 1988 um Werke von Minderheiten ergänzt. Und Kalifornien tickt weiter links, im Silicon Valley und in Los Angeles haben nur um die 20 Prozent der Wähler für Trump gestimmt.

Für Thiel gibt es noch viel zu kämpfen.

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