Pflegeheimbetreiber Doreafamilie Teile der Dorea-Gruppe melden Insolvenz an

Existenzkrise im Pflegemarkt: Allein in den letzten vier Monaten sind rund 250 Insolvenzen und Schließungen ambulanter Dienste und stationärer Pflegeeinrichtungen bekannt geworden.  Quelle: imago images

Nach Convivo, Hansa und Curata hat jetzt auch der Pflegeheimbetreiber Doreafamilie für Teile der Gruppe Insolvenzanträge gestellt. 25 operative Gesellschaften sind betroffen, die Holding geht ins Schutzschirmverfahren.

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Der nächste große Pflegeheimbetreiber muss restrukturiert werden: Nach Informationen der WirtschaftsWoche hat das Branchenschwergewicht Doreafamilie für Teile der Gruppe Insolvenzanträge gestellt. 25 operative Gesellschaften sind direkt betroffen, für die Holdinggesellschaft Dorea GmbH mit Sitz in Berlin wurde ein Schutzschirm-Insolvenzverfahren beantragt.

Die Dorea-Gruppe gehört zu den größten Pflegeheimbetreibern Deutschlands. In den bundesweit fast 80 stationären Einrichtungen der Gruppe sowie weiteren ambulanten Diensten, Tagespflegen und Einrichtungen des Betreuten Wohnens werden nach Unternehmensangaben rund 7500 pflege- und betreuungsbedürftige Menschen versorgt. Für die Unternehmensgruppe arbeiten insgesamt rund 5500 Mitarbeiter. Der Umsatz lag nach früheren Unternehmensangaben bei 300 Millionen Euro.

In den vergangenen Monaten hatten mit der Curata-Gruppe, dem Bremer Pflegeheimbetreiber Convivo und der Oldenburger Hansa-Gruppe bereits mehrere Branchengrößen Insolvenz angemeldet. „Wir warnen schon lange vor einer Pleitewelle und den Folgen des Heimsterbens. Explodierende Sachkosten, zu wenig Personal und eine geringe Bettenbelegung wegen realitätsfremder Personalschlüssel – das kann auf Dauer nicht gut gehen“, sagte Thomas Greiner, Präsident des Arbeitgeberverbands Pflege der WirtschaftsWoche.

Tatsächlich leidet die gesamte Pflegebranche unter steigenden Kosten und den Folgen der Coronapandemie. „Die Kosten entwickeln sich, so wie in anderen Branchen der Sozialwirtschaft, auch bei der Doreafamilie stark nach oben“, hatte ein Unternehmenssprecher der WirtschaftsWoche bereits Ende Februar mitgeteilt. Dies betreffe vorrangig die immens gestiegenen Kosten für Strom, Heizung und Wasser, aber auch für Nahrungsmittel und Inkontinenzprodukte sowie Wund- und Pflegemittel. „Da die Doreafamilie ausschließlich Pächterin von Immobilien ist, kommen steigende Pachtzahlzungen hinzu“, hieß es damals. Zudem würden steigende Tariflöhne für Pflegefach- und Hilfskräfte aber auch Küchen- und Reinigungspersonal die Kostenstruktur verändern. Hier ließen sich, „besonders vor dem Hintergrund der Mitarbeitergewinnung- und Bindung, keine Kosteneinsparungen vornehmen“.

Pflegefall im Reich der Milliardärsfamilie Mulliez

Das Unternehmen ist ein eigenständiger Teilkonzern der französischen Groupe Maisons de Famille (GMDF), die zum Reich der französischen Milliardärsfamilie Mulliez gehört. Sie ist mit Unternehmen wie der Supermarktkette Auchan und dem Sportartikelhändler Decathlon reich geworden, musste in den vergangenen Jahren aber auch Rückschläge einstecken. 2020 beantragten die deutschen Läden des Mulliez-Modeablegers Pimkie ein Schutzschirm-Insolvenzverfahren und konnten gerettet werden. Anders als der Bekleidungshändler Orsay, der ebenfalls zu Mulliez gehörte, der Insolvenz anmeldete und abgewickelt wurde. Nun folgt mit Dorea der nächste Krisenfall.

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Dabei hatte Mulliez erst 2018 die Mehrheit an der schnell wachsenden Pflegekette übernommen und wollte die Expansion weiter vorantreiben. Doch die Coronapandemie beendete Doreas Erfolgsgeschichte, zeigt die Bilanz der übergeordneten GMDF Holding mit Sitz in Berlin. 

Im Jahr 2020 verbuchte die Holding mit ihren insgesamt rund 100 Tochtergesellschaften demnach einen Konzernbilanzverlust von 124,4 Millionen Euro. „Der operative Geschäftsverlauf muss auch unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Corona-Pandemie als nicht zufriedenstellend eingeschätzt werden“, heißt es im Jahresabschluss. Gesellschafterdarlehen wurden umgewandelt und die Kapitalrücklage erhöht, um den Geschäftsbetrieb zu sichern. Dorea konnte zunächst weitermachen. Doch die Reserven wurden aufgebraucht, der aktuelle Kostenschub ließ sich nicht mehr auffangen.

„Die Pflegeheimbetreiber stecken in einem strukturellen Dilemma, das durch Coronafolgen und Preissteigerungen bei Energie und Lebensmitteln noch verschärft wird“, erklärte Tillmann Peeters, Partner der Unternehmensberatung Falkensteg, vor wenigen Wochen der WirtschaftsWoche. Das Kernproblem sei, dass die Personal- und Sachkosten jetzt stiegen, die Pflegesätze aber erst mit erheblicher Verzögerung – und dann auch nicht in voller Höhe – angepasst würden. „Den Pflegeheimen wird das Geld schneller ausgehen, als der Staat darauf reagiert“, erwartete Peeters und wagte die Prognose: „Die etwas schwächer aufgestellten Pflegeheimbetreiber mit geringen Rücklagen werden die Kostenexplosion nicht auffangen können. Der Weg zum Insolvenzgericht wird für viele Betreiber unausweichlich sein.“

Das sieht der Arbeitgeberverband Pflege ähnlich. Allein in den letzten vier Monaten seien rund 250 Insolvenzen und Schließungen ambulanter Dienste und stationärer Pflegeeinrichtungen bekannt geworden, heißt es in einer Stellungnahme des Verbands. Das Kernproblem ist dabei der Personalmangel. „Wir kriegen nicht genügend Leute, um die strengen Personalvorgaben zu erfüllen. Die Folge: Betten bleiben leer und Pflegebedürftige unversorgt, weil die Personalquoten nicht eingehalten werden können“, erklärt Verbandspräsident Greiner.

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Ob im Zuge der Dorea-Krise Einrichtungen schließen müssen, ist noch unklar. Zunächst soll der Betrieb der Einrichtungen normal weitergehen. Die Löhne und Gehälter der Beschäftigten werden in den betroffenen Einrichtungen bis einschließlich Juni 2023 über das Insolvenzgeld durch die Bundesagentur für Arbeit gezahlt.

Lesen Sie auch: Nach Convivo zieht die Hansa-Gruppe die Reißleine. Weitere Insolvenzen dürften folgen, denn der Pflegemarkt steckt in einer Existenzkrise.

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