Planungsunternehmen Warum Bauherren von Dienstleistern wie Imtech so abhängig sind

Die Pleite des Gebäudeausstatters Imtech schockt die Planer des Großflughafens BER und Bauherren in ganz Deutschland. Sind die Imtech-Probleme hausgemacht oder doch branchentypisch?

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Imtech Quelle: dpa

Plötzlich ist ein Name in aller Munde, der bisher vor allem in Hamburg wahr genommen wurde: Imtech. Der Schriftzug war seit 2010 auf dem früheren Volkspark-Stadion montiert. Im Juni nun wurden die sechs Lettern wieder abgeschraubt, und die „Imtech-Arena“ ist endgültig Geschichte.

Der Gerade-Noch-Erstliga-Verein HSV kann die Ära Imtech also ad acta legen. Viele Bauherren in Deutschland können das nicht. Sie sind wie die Planer des Berliner Flughafens BER nahezu abhängig von hoch spezialisierten Auftragnehmern wie der niederländischen Imtech-Gruppe, deren Deutschland-Tochter am vergangenen Donnerstag Insolvenz angemeldet hat. Imtech ist ein Planungsunternehmen der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA).

Bester Flughafen Deutschlands

„Viele dieser Planer leiden unter Preis-, Termin- und Qualitätsdruck“, sagt Jochen Ludewig, Geschäftsführer des Planungsbüros Grontmij und Vorsitzender des Landesverbands Beratender Ingenieure in Hessen. Anders als etwa bei Rohbau-Unternehmen seien die Ansprüche der Bauträger bei der TGA extrem hoch. „Hier muss alles 100 Prozent perfekt sein“, so Ludewig. „Jeder Mangel kommt sofort zum Tragen. Außerdem gibt es viele nachträgliche Änderungswünsche der Kunden. Das kann kapitalschwache Unternehmen schnell in Bedrängnis bringen.“

So war es wohl bei Imtech. Liquiditätsprobleme führten zu einem Wirtschaften an der Grenze des Legalen. Staatsanwaltschaften in Neuruppin, Hamburg und München ermitteln aktuell gegen Ex-Mitarbeiter von Imtech Deutschland wegen des Verdachts der Untreue, Bestechung, Preisabsprachen und Bilanzfälschung. Imtech-Mitarbeiter sollen unter anderem einen BER-Mitarbeiter bestochen haben.

Symptomatisch am Fall Imtech ist die Abhängigkeit der Bauherren. Sie war wohl der Grund, warum die BER-Planer Imtech trotz Pannen nicht vor die Tür setzten. „Den Planer rauszuschmeißen, ist das Schlimmste, was man machen kann“, sagt Ludewig, er verfügt über ein Wissen, das nur mühsam von einem Dritten wieder aufgebaut werden kann.“

Stimmungswechsel bei Imtech

Möglicherweise war das Geschäftsmodell von Imtech aufgrund eigener Probleme immer stärker darauf ausgerichtet, nicht lukrative Aufträge anschließend über Nachtragsforderungen profitabel zu machen.

Ein ehemaliger Top-Manager aus der Baubranche sagt: „Imtech war immer so preisaggressiv, dass wir uns gefragt haben: 'Wie geht das?' Seit 2010 habe der Ruf des Unternehmens „spürbar gelitten“. Den Stimmungswechsel in den vergangenen Jahren bemerkte der Branchenkenner auch innerhalb der Imtech-Mannschaft. „Es gab Unruhe bei den Mitarbeitern, weil der Druck aus der Zentrale in Holland immer größer wurde“. Viele qualifizierte Mitarbeiter seien zunehmend unzufrieden gewesen.

Imtech ist mit 23.000 Mitarbeitern – davon 4000 in Deutschland - weltweit ein Schwergewicht der TGA-Branche und war etwa beim Bau der Kölner Staatsoper des Commerzbank-Hochhauses beteiligt. Doch eigentlich ist die Branche mittelständisch geprägt. Die nächstgrößeren Bewerber in Deutschland kennt kaum ein Laie: Cofeli gehört zur französischen Suez-Gruppe, Caverion ist an der finnischen Börse gelistet. Eine Vielzahl von Unternehmen aber sind familiengeführt. „Die schlagen sich erfolgreich durch und lassen die Gewinne im Unternehmen“, sagt Verbandschef Ludewig.

Sobald die Familien-Eigentümer ihr Unternehmen verkaufen, greifen gern ausländische Konzerne zu, weil in früheren Jahren die Renditen nicht schlecht waren. Meist aber wollten die neuen Investoren „unbedingt wachsen und bieten mit Kampfpreisen um Projekte“, sagt Ludewig. Wenn dann ein Projekt nicht funktioniere, könne das die wirtschaftliche Balance des Unternehmens schnell aus dem Gleichgewicht bringen. Dann und wann gab es Insolvenzen – aber nicht in der Größenordnung des Imtech-Kalibers.

Zum Teil sind Probleme der TGA-Branche der vermeintlichen Macht gegenüber den Auftraggebern geschuldet. „Weil Planungsbüros für den Fortschritt eines Bauprojekts enorm wichtig sind, helfen ihnen die Bauträger oft irgendwie auf die Beine. Das verhindert aber eine Marktbereinigung, die dauerhaft gesundere Strukturen schaffen würde.“

Eine scheinbare Parallele zu einem anderen Schwergewicht der Branche aber führt in die Irre. Der Mannheimer Wettbewerber Bilfinger ist zwar als Konzern schwer angeschlagen und erlitt wie Imtech krasse Kursverluste. Aber gerade die Gebäudetechnik- und Gebäudeservice-Sparte rettet den M-Dax-Konzern Bilfinger vor dem Totalabsturz. „Der Markt lässt eigentlich solides organisches Wachstum zu“, sagt Jörg Hossenfelder von der Unternehmensberatung Lünendonk, „das zeigen auch Strabag und andere Wettbewerber.“ Imtech ist, so Hossenfelder, „ein Sonderfall“.

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