Pleitevirus Mehr Großinsolvenzen im März – ausgestanden ist es damit längst nicht

Im März 2019 haben zwölf Personen- und Kapitalgesellschaften mit einem Umsatz von mehr als zehn Millionen Euro Insolvenzantrag gestellt – diesen März stieg die Zahl auf 33, darunter sieben Unternehmen mit mehr als 50 Millionen Euro Jahresumsatz. Quelle: imago images

Die Corona-Pandemie schlägt auf die Insolvenzzahlen durch. Vor allem bei größeren Unternehmen gab es bereits im März deutlich mehr Insolvenzen als im Vorjahresmonat. Doch die große Insolvenzwelle kommt erst noch.

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Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier gab sich kämpferisch: „Kein gesundes Unternehmen sollte wegen Corona in die Insolvenz gehen, kein Arbeitsplatz sollte verlorengehen“, verkündete der CDU-Politiker Mitte März. Zwei Wochen später liegen die ersten Insolvenzdaten vor und es zeigt sich: Altmaier wird sein Versprechen kaum einhalten können. Denn schon jetzt schlägt die Corona-Pandemie auf die Insolvenzstatistik durch.

„Vor allem bei größeren Unternehmen gab es bereits im März deutlich mehr Insolvenzen als im Vorjahresmonat“, sagt Jens Décieux vom Datenspezialisten STP Business Information. Regelmäßig analysiert Décieux die Insolvenzveröffentlichungen aller deutschen Amtsgerichte und erfasst zusätzlich Schutzschirm- und Eigenverwaltungsverfahren. „Bis valide Zahlen für kleinere Unternehmen vorliegen, kann es aufgrund der aktuellen Corona-Einschränkungen bei den Gerichten noch etwas dauern“, sagt der Experte.

Doch bei den größeren Verfahren sei der Trend klar erkennbar. Demnach hatten im März 2019 zwölf Personen- und Kapitalgesellschaften mit einem Umsatz von mehr als zehn Millionen Euro Insolvenzantrag gestellt. Diesen März stieg die Zahl auf 33, darunter sieben Unternehmen mit mehr als 50 Millionen Euro Jahresumsatz. Vor allem gegen Ende des Monats „schnellten die Anträge größerer Gesellschaften nach oben“, so Décieux.

„Was wir aktuell sehen, sind die ersten Krisenvorläufer“, sagt der Insolvenzverwalter und Sanierungsexperte Rainer Eckert von der Wirtschaftskanzlei Eckert Rechtsanwälte. „Bislang meldeten ganz überwiegend Unternehmen Insolvenz an, die teilweise schon seit Jahren mit existenziellen Problemen kämpfen“, so Eckert. Doch dabei dürfte es kaum bleiben.

So rechnet der Kreditversicherer Coface bereits mit einer globalen Rezession, in der die Firmeninsolvenzen weltweit um 25 Prozent steigen werden. Den größten Anstieg der Unternehmensinsolvenzen erwartet Coface in den USA mit plus 39 Prozent. Doch auch viele westeuropäischen Länder wären stark betroffen, so prognostiziert Coface für Großbritannien einen Insolvenzanstieg um 33 Prozent, Spanien um 22 Prozent, Italien um 18 Prozent und Frankreich um 15 Prozent. In Deutschland werde der Anstieg mit elf Prozent ebenfalls zweistellig ausfallen.

Einen spürbaren Schub könnte es hierzulande ab Mai geben. Dann „wird sich die Situation für all jene Unternehmen verschärfen, die staatliche Hilfen wie KfW-Kredite zwar beantragt, aber nicht erhalten haben“, sagt Insolvenzexperte Eckert. In aller Regel werde es sich dabei um Unternehmen handeln, die nicht allein durch Corona aus der Bahn geworfen wurden, sondern bereits vorher unter Druck standen. Doch schon wenig später könnten auch „Corona-only-Fälle“ zunehmen, wie in der Restrukturierungsbranche mittlerweile Unternehmen bezeichnet werden, die allein virusbedingt in Schieflage geraten sind. „Ab Herbst und im Winter droht dann eine weitere Insolvenzwelle“, so Eckert. Bei zahlreichen Firmen dürfte spätestens dann klar sein, dass die staatlichen Soforthilfen nicht ausreichend waren. „Die Mittel helfen zwar Zeit zu gewinnen, erhöhen langfristig aber den Schuldenstand“, sagt der Experte. „Nicht alle Unternehmen werden diese zusätzliche Belastung tragen können.“

Burkhard Jung, Geschäftsführer der Sanierungsberatung Restrukturierungspartner, sieht die Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung ohnehin nicht in jedem Fall als beste Lösung für mittelständische Unternehmen an. „Ist die Krise zu einschneidend und langanhaltend oder hatte das Unternehmen schon in den letzten Jahren Schwierigkeiten, ist das Schutzschirmverfahren oder die Eigenverwaltung häufig der bessere Weg.“ Anstatt Darlehen aufnehmen zu müssen, werden die Unternehmen spürbar entlastet und könnten so „die bewährten Instrumente des Insolvenzrechts nutzen, um sich von Altlasten und Schulden zu befreien“, sagt Jung.

In den vergangenen Jahren spielten Insolvenz-Schutzschirme zahlenmäßig eine untergeordnete Rolle. In der aktuellen Krise erleben sie aber gerade „ein kleines Comeback“, sagt Insolvenzdaten-Experte Décieux.

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