Pop-Up-Restaurants und Dinner-Clubs Wie Spitzen-Gastronomen neue Kunden locken

Clubs, Pop-Up-Restaurants und Gastauftritte: Gastronomen wollen mehr Gäste für ambitionierte Spitzenküche gewinnen - und legen sich dafür mächtig ins Zeug.

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Restaurants: Innovative Trends aus der Gourmet-Küche. Quelle: Thorsten Firlus

So war es, genau so, sagten die, die sicher erinnern konnten. Die Scheibe Fleischwurst paniert, Spirelli-Nudeln leicht zerkocht und eine Tomatensauce drüber: das Jägerschnitzel a la DDR.

In Ermangelung von Schnitzeln wurde eben oft Jagdwurst genutzt. Erik Scheffler kann sich dran erinnern und weiß, wie Generationen von Kindern damit groß wurden.

Und das Gericht schmeckt auch an diesem Abend in der Kantine eines Düsseldorfer Bürohauses. Aber Scheffler, der im Alltag zusammen mit Sonja Baumann die Küche des mit einem Michelin-Stern dekorierten Restaurants im „Gut Lärchenhof“ bei Köln betreibt, kann mit der Vorlage spielen. Er zaubert ein zweites Gericht, das so aussieht, aber ganz anders schmeckt. Er nennt es Jägerschnitzel 2.0.

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Aus der Jagdwurst wird ein Schaum, der in Tischtennisbällen großen Kugeln frittiert wird und die Spirellinudeln sind eigentlich aus Käse, daneben eine Schmortomate. Es ist der vierte Gang des Abends und heiß diskutiert am Tisch. Eine lange Tafel, freie Platzwahl und Menschen, die nur eines eint: Sie sind zu Gast im Club „Youdinner“. Das Menü mit dem Namen „Goodbye Lenin - 25 Jahre nach dem Mauerfall“, das Bachmann und Scheffler an diesem Abend servieren, ist einzigartig und so nirgends zu bekommen.

Exklusiv, kurzzeitig, locker und auf der Höhe der Zeit. Gastronomen versuchen, außerhalb des klassischen Terrains, dem eigenen Restaurant, Gäste für hochwertige Küche zu gewinnen.

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Der Club Youdinner ist ein in Deutschland bislang einzigartiges Konzept. Die Mitglieder bezahlen einen Jahresbeitrag von 180 Euro. Nur sie können Plätze für sich und Freunde reservieren - für die Kochevents wie den Abend mit Soljanka, Dosenfisch und Eierschecke in Düsseldorf. Jeder Abend kostet zusätzlich eine Pauschale.

Es ist die jüngste Variante eines Modells, das in Deutschland immer häufiger anzutreffen ist: Das Pop-Up-Restaurant.

"Hier ist der aktuelle Koch der Star"

Bereits 2011 hat das Catering-Unternehmen Kofler Kompanie die Idee der temporären Restaurants an Orten wie einem Loft in Berlin oder der royal Academy of Arts in London angeboten. Ähnlich wie Pop-Up-Boutiquen von Modeunternehmen, in denen für kurze Zeit ein ausgewähltes Sortiment zu kaufen ist, das es sonst nirgends gibt, setzen die Pop-Up-Restaurants auf Vergänglichkeit. Kunden zahlen auch für das Gefühl, bei etwas dabei gewesen zu sein, das so (vermutlich) nie wieder kommt.

Zum Beispiel Nils Henkel, wenn er im Dezember im Einrichtungshaus Patt in Bensberg bei Köln Gerichte zubereiten würde, wie er sie früher im Schlosshotel Lerbach kochte, wo er mit seiner „Pure Nature“-Philosophie zwei Michelinsterne hatte.

Henkel gönnte sich nach dem Pächterwechsel in Lerbach eine kurze Auszeit und arbeitet jetzt freiberuflich als Berater und Koch. Von klassischen Caterings für geschlossene Gruppen bis zu Kochschulevents ist alles dabei. So auch in Möbelhäusern. Für den Kochprofi sind die äußeren Umstände immer wieder eine Herausforderung.

Wenn man alleine ohne Brigade vorbereiten müsse, seien es vielleicht etwas weniger Details als mit einem eingespielten Team in einem festen Restaurant. „Dann macht man halt den Kefir mal nur in zwei statt in drei Texturen“, sagt Henkel, dessen Terminkalender auf seiner Homepage gut gefüllt ist mit Terminen von München bis Celle.

Die Deutschen stehen auf Wurst und Fleisch

Dafür können Gastronomen in einer Umgebung, die zunächst keine Erwartungen weckt, auch mehr experimentieren. Die Köchin Tanja Grandits arbeitet regulär in ihrem ebenfalls hochdekorierten Restaurant Stucki in Basel. Mitte September verlässt sie für zwei Tage die gewohnte Umgebung. In einem Gewächshaus in den Merian Gärten am Stadtrand Basels wird sie ein veganes Menü kochen. Nicht nur die Umgebung soll ungewohnt sein: Neun Künstler und Designer haben extra Besteck und Geschirr entworfen.

Auf die Idee sind die Gründer des Unternehmens Steinbeisser, Jouw Wijnsma und Martin Kullik, gekommen. Sie bezeichnen sich als Gastro-Kuratoren und bieten seit vier Jahren Veranstaltungen in Amsterdam, Berlin und Frankfurt an. Teil des Genusses soll es sein, mit vermeintlich unbrauchbarem Besteck die Speisen zu sich zu nehmen.

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Platz 10: Lucky Leek Quelle: Screenshot
Platz 9: Da Luigi Quelle: Screenshot
Platz 8: Wolfshöhle Quelle: Screenshot
Platz 7: Glass Quelle: Screenshot
Platz 6: Osteria la Fenice
Platz 5: Broeding Quelle: Screenshot
Platz 4: Restaurant Überfahrt Quelle: Screenshot

Beim DDR-Abend von Youdinner in Düsseldorf wirkt mindestens das teils blecherne Besteck authentisch. Gegründet wurde das Unternehmen von Daniel Ohr, der vor der Gründung bei der Stuttgarter Kaufhauskette Breuninger unter anderem für die Gastronomie zuständig war und Miguel Calero, der zuletzt als Restaurantleiter in Bensberg im mit drei Sternen dekorierten Restaurant Vendôme tätig war. Calero kennt aus seiner Zeit im Vendôme und zuvor den Schwarzwaldstuben in Baiersbronn zahllose hoch ausgezeichnete Köche.

Heute nutzt er die Kontakte, um Köche für thematische Gastspiele zu gewinnen: Der Kölner Koch Roberto Carturan wird im September nicht nur am Herd stehen, sondern auch singen, der Winzer Rainer Schnaitmann über den Dächern Stuttgarts seine Weine zum Barbecue servieren.

Einen anderen Weg geht das Unternehmen „Laden Ein“. Hier bleibt die Location, aber die Gastgeber wechseln. Alle zwei Wochen gibt es im Norden Kölns eine neue Karte, neue Speisen, neue Gesichter. Laden-Ein betrachtet sich als gastronomischer Inkubator, der auch denjenigen Köchen die Ausstattung und Location zur Verfügung stellt, die noch keinen großen Namen haben. „Ob gelernter Gastronom, Hobby-Koch, Food-Blogger oder Street-Food-Händler, hier ist der aktuelle Koch der Star“, sagt Mitgründer Till Riekenbrauk. Die Bandbreite reicht von senegalesischer Küche über Gerichte auf Basis von Dinkelmehl bis zu der Handelsgesellschaft Ursprung, die Käse- und Fleisch-Produzenten aus ganz Deutschland vertreibt.

Im „Laden Ein“ ist vieles anders und die Gäste, die sich für einen Besuch interessieren müssen schon bei der Planung umdenken. 40 Plätze werden bewirtet. Reservierungen gibt es keine.

Beim DDR-Dinner des Youdinner-Clubs sind die Gäste von etwas anderem überrascht. Die Eierschecke, jene Kuchenspezialität aus Sachsen und Thüringen zerlegt das Team Scheffler/Bachmann und setzt die Komponenten auf moderne Art wieder zusammen, wie es in der modernen Sternegastronomie gerade en vogue ist. Daneben servieren sie die klassische Eierschecke, nach einem Familienrezept, das nicht verraten werden soll. Und in diesem Duell siegt die Tradition.

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