Porr-CEO Strauss zum Infrastruktur-Ausbau „Die Lage im Rhein-Ruhr-Gebiet ist dramatisch“

Der Chef von Österreichs zweitgrößtem Baukonzern spricht im Interview über die Probleme von Öffentlich-privaten Partnerschaften, die Probleme des deutschen Marktes und warum sein Unternehmen weiter in Katar bleiben will.

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Das Verkehrschaos im Großraum Köln ist ein Dauerproblem. Quelle: dpa

Karl-Heinz Strauss ist entsetzt darüber, wie lange man in Deutschland im Stau stehen kann. Gleichzeitig sieht der CEO der Porr AG, des zweitgrößten österreichischen Baukonzerns mit einem Umsatz von 3,4 Milliarden Euro 2016, das Potential des deutschen Baumarktes für sein Unternehmen. Gut gelaunt nimmt der 57-jährige Österreicher in der obersten Etage des Porr-Hochhauses in Wien Platz zum Interview.

Herr Strauss, in Deutschland stehen mit der Klage privater Betreiber gegen den Bund Öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) in der Baubranche in der Diskussion. Was ist die Problematik bei ÖPP?

Aus unserer Sicht machen ÖPPs nur Sinn, wenn sie einem ganzheitlichen Ansatz folgen – wenn die Finanzierung, die Planung, der Bau und der Betrieb in einer Hand liegen. Interessant für ÖPPs sind vor allem Projekte in der Infrastruktur, im Bereich der Gesundheitsversorgung und im Bildungsbereich. Problematisch wird es, wenn ÖPPs als „Alibi-Finanzierungen“ missverstanden werden, um die Schuldenbremse zu umgehen.

Sind Sie an ÖPP-Projekten beteiligt?
Aktuell sind wir an einem der größten ÖPP-Infrastrukturprojekte in Mitteleuropa beteiligt: der Bratislava-Umfahrung. In Wien realisieren wir gerade mit dem Bildungscampus Berresgasse ein ÖPP-Projekt. Bei beiden Projekten verfolgen wir den bereits angesprochenen ganzheitlichen Ansatz. In Deutschland haben wir derzeit kein ÖPP-Projekt laufen.

Doch in Deutschland haben sie 2017 drei Firmen gekauft. Warum ist Deutschland so wichtig für Sie?

Deutschland ist unser zweitwichtigster Markt nach Österreich. Der Baumarkt in Deutschland hat eine Größe von etwas mehr als 300 Milliarden, davon entfallen rund 175 Milliarden Euro auf den Wohnungsbau, der Rest ist Gewerbe, Hotels und Tiefbau mit 90 Milliarden Euro. Insbesondere der Tiefbau hat Nachholbedarf in Westdeutschland. Es gibt die Initiative der deutschen Politik…

…Sie meinen den Bundesverkehrswegeplan der deutschen Bundesregierung, die bis 2030 Milliarden für die Instandhaltung und den Ausbau bereithält…
Das Industrieland Deutschland braucht dringend eine funktionierende Infrastruktur. Es kann nicht sein, dass es dort Brücken über den Rhein gibt, die für den Schwerverkehr gesperrt sind. Die Lage im Rhein-Ruhr-Gebiet ist besonders dramatisch. Ich habe letztens drei Stunden für 90 Kilometer von Bonn nach Gelsenkirchen gebraucht.

…manchmal braucht man für die Strecke noch länger…
Ich habe das immer als ein Märchen abgetan. Deshalb schätze ich die Anstrengungen der Bundesregierung, die Infrastruktur zu verbessern. Auch wenn das nicht leicht wird, weil man Personal nicht einfach aufbauen kann, die man jahrelang abgebaut hat.

Wie stark wollen Sie auf dem deutschen Markt wachsen?
Die deutsche Bauindustrie ist eine leistungsstarke Branche, technisch bestens aufgestellt. Allerdings gilt das nicht für die Wertschöpfungstiefe vieler großer Unternehmen in Deutschland. Das heißt, es fehlt an eigenem gewerblichen Personal. Genau das können wir bieten, denn wir sind ein Generalunternehmer.

Was heißt das?
Porr baut möglichst viel selbst. In der vertikalen Wertschöpfung, beispielsweise bei einem Tiefbauprojekt, können wir fast alles selbst wie Spezialtiefbau, Tunnelbau, Verkehrswegebau. Natürlich arbeiten wir mit vielen Subunternehmern. Aber sollte es dort morgen Probleme geben, sind wir in der Lage, eine eigene Einheit hinzuschicken, anders als andere Unternehmen.

Vor allem bei großen Bauprojekten läuft es in Deutschland gar nicht rund. Ist es schwieriger in Deutschland, Großprojekte zu verwirklichen?
Beispiel Elbphilharmonie in Hamburg: Vor der Wahl wurde für das Projekt eine völlig absurde Bausumme genannt. Den Politikern war schon damals klar, dass das Kostenvolumen illusorisch war. Aber die Wahl zu gewinnen, war wichtiger als verlässliche Planungszahlen. Doch genau das ist Problem: Es werden Budgets akzeptiert, die nicht machbar sind. Das ist der Tod jedes Großprojektes.

Sie sind engagiert bei Stuttgart 21. Wie läuft es dort?
Wir liegen in der Zeit. Auch technisch läuft alles. Doch das Hauptproblem dieses Projekts ist, dass es 21 Jahre alt ist und die Genehmigungen zum Teil auf Normen beruhen, die 15 Jahre und mehr alt sind. Auch die Berechnungen sind fast zwei Jahrzehnte alt. Doch es müssen Inflation und steigende Materialkosten dazu addiert werden.

Warum klappt das mit der Budgetierung in Deutschland nicht?
Weil die Budgetdiskussion so unrealistisch geworden ist. Nicht die Qualität, sondern der Preis spielt die entscheidende Rolle. Der billigste Preis ist der Gegner jeder Innovation. Und der billigste Preis alleine - ohne auf die Qualität des Bauunternehmers zu schauen – ist ein Garant dafür, dass mit Nachträgen gearbeitet wird.

Was ist die Lösung?
Das System der Öffentlichen Vergabe sollte nach dem Bestbieterprinzip geändert werden. Der Preis spielt eine dominierende Rolle - keine Frage. Das wird immer der Fall sein. Aber ebenso wichtig sind Qualitätskriterien.

Der Preisdruck ist in der Baubranche ist hoch. Wie steht es denn aus ihrer Sicht als CEO und Aktionär hinsichtlich des Gewinnes des eigenen Konzerns? Wie spürbar ist der Druck?
Der Preisdruck trotz der enormen Nachfrage ist unerklärlich hoch. Diesem Preisdruck kann man nur dann entkommen, wenn man die vertikale Wertschöpfungskette bestmöglich ausschöpft. Dabei hilft uns die Digitalisierung. Sie sichert durch Effizienzsteigerung unsere Margen.

Zeigt sich das bereits?
Für die Vermessung einer Baustelle brauchten früher zwei Leute einen ganzen Tag. Heute ist eine Person nach zwei Stunden fertig - wegen der Digitalisierung. Wir investieren in IT und Digitalisierung jedes Jahr einen zweistelligen Millionenbetrag.

Wann wird sich die Digitalisierung auf die Baubranche auswirken?
Das System des Bauens wird immer Menschen erfordern, doch die Art und Weise, wie wir bauen und der Einsatz der Ressourcen ändern sich bereits. In Zukunft wird eine Baustelle noch besser planbar sein.

Im Mai hatte die Porr wie mehr als 20 weitere Bauunternehmen in Österreich eine Hausdurchsuchung wegen angeblicher Preisabsprachen. Was ist dabei heraus gekommen?
Wir waren selbst von der Hausdurchsuchung überrascht. Aber wir kooperieren voll mit den Behörden. Klar ist: Die Compliance-Regeln müssen eingehalten werden und jedes Surfen im Graubereich ist zu unterlassen. Wenn es Missstände geben sollte, werden wir diese sofort abstellen.

Sie sind in politisch zweifelhaften Märkten wie Katar unterwegs. Dort werden täglich Menschen ausgebeutet. Wie passt das zu Ihrer klaren Strategie in Sachen Compliance?
Die Porr bekennt sich zu Katar und bleibt in Katar. Es gibt natürlich Auswirkungen durch den Boykott der arabischen Nachbarstaaten. Viele unserer Lieferanten können nicht über Saudi-Arabien oder die Golfstaaten liefern, sondern gehen nun den Umweg über den Oman oder exportieren direkt aus den Herstellerländern. Wir haben zuletzt sogar neue, hochattraktive Aufträge in Katar angenommen.

Welche denn?
Wir bauen beispielsweise zwei Knotenpunkte für die U-Bahn in Katar. Wir haben zudem ein Angebot für einen Regenwasserkanal abgegeben. Wir stehen in guten Verhandlungen.

Sie fahren also weiter Risiko?
Überhaupt nicht. Denn wir begrenzen unser Risiko, indem wir darauf achten, dass nicht mehr als zehn Prozent unserer Betriebsleistung auf Länder wie Katar entfällt. Wir liegen derzeit bei fünf Prozent. Damit ist das Risiko überschaubar.

Herr Strauss, vielen Dank für das Gespräch.

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