Der Autovermieter Europcar hat eine schwere Zeit hinter sich. Das Unternehmen hatte zu viele Übernahmen stemmen wollen – und geriet durch Corona in schwere finanzielle Not. Doch jetzt will Wolfgang Neumann, Deutschland-Chef der Europcar Mobility Group mit Marken wie Buchbinder Rent-a-Car, Europcar, Global, Ubeeqo und Robben & Wientjes wieder in den Attacke-Modus kommen – auch gegen den Dauerrivalen Sixt.
Herr Neumann, Sie sind seit März Deutschland-Chef der Europcar Mobility Group. Welches Ziel haben Sie sich gesetzt?
Die Europcar Mobility Group hat weltweit das ehrgeizige Ziel, ein Vorreiter für flexible, nachhaltige, digitale und vernetzte Mobilität zu werden. Deutschland ist das größte Land innerhalb der Gruppe und hatte schon immer eine zentrale Bedeutung. Ich bin daher überzeugt, dass wir in Deutschland eine Vorreiterrolle spielen sollten und freue mich darauf, gemeinsam mit einem tollen Team und starken Marken unsere Serviceangebote für unsere Kunden weiterzuentwickeln. Wir sind sowohl grundsätzlich mit unserer modernen Flotte und unserem breiten Produkt- und Serviceangebot als auch strategisch sehr gut auf den Neustart des Marktes vorbereitet, um in den kommenden Jahren profitabel zu wachsen.
Die Corona-Pandemie hat alle Autovermieter hart getroffen. Welche Strategie haben Sie für die Zeit, die jetzt beginnt?
Die vergangenen Monate waren für die gesamte Mobilitäts- und Reisebranche in vielerlei Hinsicht schwierig, aber wir schauen positiv in die Zukunft. Die Inzidenzwerte sinken und die Sehnsucht zu verreisen ist groß. Bei der Europcar Mobility Group haben wir während der Pandemie hart an unserer Kostenflexibilität gearbeitet und unsere Angebote für unsere Kunden noch flexibler und sicherer gemacht. Wir haben zum Beispiel weltweit hervorragende Hygiene- und Sicherheitskonzepte entwickelt und unsere Langzeit- und Aboangebote für unsere Kunden ausgebaut. Am Beispiel USA sehen wir, wie signifikant die Nachfrage nach Mobilität und Autovermietung ansteigt, sobald reisen wieder problemlos möglich ist.
In der Corona-Pandemie haben auch Sie Personal abgebaut. Planen Sie Neueinstellungen? Wenn ja: in welchem Umfang?
Seit Beginn der Pandemie nutzen wir das Angebot der Kurzarbeit in Deutschland. Wenn das Sommergeschäft jedoch wie erwartet eintritt, benötigen wir diese nicht mehr und werden wieder neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeitereinstellen können - insbesondere in den Stationen und unserem bundesweiten Netzwerk.
Wie wird sich das Dienstreisen-Geschäft verändern – und wie reagieren Sie darauf?
Die vergangenen Monate haben uns gezeigt, dass mobiles Arbeiten und digitale Kommunikation sehr gut funktionieren können. Gleichzeitig bin ich überzeugt, dass es für kreative Ideen und gute Zusammenarbeit persönliche Treffen braucht und daher auch Dienstreisen zurückkommen werden - wenn auch auf einem niedrigeren Niveau als vor der Pandemie. Andererseits besteht auch für dienstliche Veranstaltungen ein großer Nachholbedarf quer über alle Branchen.
Die hohen Mietwagen-Preise in Urlaubsgebieten sorgen derzeit für Empörung. Sehen Sie die Preise als gerechtfertigt?
Meiner Meinung nach waren die Preise für Mietwagen in den vergangenen Jahren gerade in den Urlaubsgebieten angesichts der Flottenkosten und des Serviceumfangs viel zu niedrig. Oft kostete eine E-Bike-Miete wesentlich mehr als eine Automiete. Hauptgrund für die aktuell hohen Preise in einigen Urlaubsregionen ist die im Vergleich zu 2019 deutlich reduzierte Flotte aufgrund der gesunkenen Nachfrage während Corona. Entsprechend der Nachfrage haben wir wieder Fahrzeuge bestellt, um für die Sommersaison gut vorbereitet zu sein. Allerdings lässt die Halbleiterkrise Zweifel aufkommen, ob einige Autohersteller in der Lage sein werden, vollständig zu liefern, da sie nicht produzieren können. Wir beobachten die Situation ständig, um unseren Flottenplan gegebenenfalls anzupassen und dank unserer guten Beziehungen zu den Autoherstellern eventuellen Schwankungen entgegenzuwirken.
Ihr Wettbewerber Sixt hat mit seiner App eine Mobilitätsplattform geschaffen, wo Kunden Autos wie bisher anmieten können, aber auch Carsharing machen können, Taxis bestellen und Elektroroller ausleihen können. Welche Pläne gibt es diesbezüglich bei Ihnen?
Unser oberstes Ziel ist es, unseren Kunden das richtige Fahrzeug zur richtigen Zeit am richtigen Ort anzubieten. Mit unseren verschiedenen Marken und Produkten decken wir dies bereits heute sehr gut ab. Neben dem Mietwagengeschäft, in dem wir jahrelange Erfahrung haben, bieten wir zum Beispiel mit Ubeeqo digitale Carsharing-Angebote für Privat- und Geschäftskunden in mehreren europäischen Hauptstädten an. Zuletzt haben wir mit Fox Rent A Car einen der größten unabhängigen Anbieter im US-Autovermietungsmarkt übernommen. Nun gilt es, unsere Marken noch enger zusammenzuschließen, internationale Synergien zu nutzen und unsere kontaktlose und flexible Customer Journey weiter auszubauen.
Wie wollen Sie gegenüber Sixt erfolgreich sein?
Die Europcar Mobility Group ist Europas führende Fahrzeugvermietung und heute in über 140 Ländern aktiv. Unser Fokus ist der Kunde mit allen seinen Bedürfnissen, auch außerhalb des Premium-Bereichs. Darüber hinaus setzen wir sehr stark auf Partnerschaften und Kooperationen.
Die Europcar-Gruppe stand 2020 fast vor der Insolvenz, die Gruppe musste sich finanziell restrukturieren. Hat sich Ihr Unternehmen mit zu vielen Übernahmen übernommen?
Unsere Veränderungen und Übernahmen in den vergangenen Jahren waren strategisch relevant, um unsere Pläne zu erreichen: Wir sind heute ein weltweiter Mobilitätsdienstleister mit einem vielfältigen Mobilitätsangebot für unsere Kunden.
Sind Sie ein Übernahme-Kandidat?
Jede Autovermietung ist in Zeiten, in denen auch die Autohersteller versuchen, die gesamte Wertschöpfungskette von Auto und Mobilität auszuschöpfen, letztlich ein potenzieller Übernahmekandidat. Aber ich würde sagen, dass dies nicht spezifisch für unsere Branche gilt: Jeder beobachtet jeden, permanent. Als Europcar Mobility Group sind wir aber eigenständig stark genug aufgestellt, um uns erfolgreich im Markt zu behaupten.
Mehr zum Thema: Die Zeiten von Erich Sixt als Chef der Autovermietung sind gezählt – ausgerechnet nach der Vollbremsung der Branche wegen Corona. Den Neustart überlässt er seinen Söhnen. Die lädierte Konkurrenz wittert ihre Chance.