Preise für den Nahverkehr Warum Bus und Bahn so teuer sind

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Staatsgelder sollen erhöht werden

Doch solche Vorschläge sind Zukunftsmusik, die aktuelle Finanzlage sieht meist anders aus. In der Ruhrgebietsstadt Mülheim diskutierten die Politiker zuletzt, ob die Straßenbahn samt Instandhaltung überhaupt noch zu bezahlen sei. Eigentlich könnte man doch auch ganz auf Busse umsteigen, so eine verbreitete Meinung.

Dabei stehen die Kommunen bei der Finanzierung des Nahverkehrs gar nicht alleine da. Für den ÖPNV steht viel Geld aus verschiedenen staatlichen Töpfen zur Verfügung. Doch das System ist verschachtelt (siehe Infokasten S. 1) und ineffizient, sagen Kritiker. Befürworter wie Gerd Aschoff vom Fahrgast-Verband ProBahn halten hingegen das System lediglich für „sehr komplex“: „ Die Umsetzung ist von Bundesland zu Bundesland verschieden und deshalb schwer verständlich.“

So teuer ist ein Monatsticket in Europas Städten

Verkehrsexperte Randelhoff gehört jedoch zu den Kritikern und hält eine Neuordnung der Finanzierung für dringend nötig. „Um die Finanzierung effizienter zu machen, müsste man Zwischenvermittler herausnehmen, denn auf jeder Ebene bleibt etwas hängen und fließt nicht zu seinem eigentlichen Zweck weiter“, sagt Randelhoff. „Das sind hohe Millionen-Beträge, die aus dem Etat des Bundesverkehrsministeriums versickern.“

Doch einen eigenen Lösungsvorschlag hat der Verkehrsexperte noch nicht. Man müsse darauf achten, dass alles EU-konform ablaufe. „So darf man etwa von staatlicher Seite nur in Ausnahmefällen Direktaufträge vergeben, sondern muss alles europaweit ausschreiben – was die Sache in der Regel schwierig macht“, so Randelhoff.

Auch auf dem Land gibt es Lücken

Doch nicht nur viele Städte stehen bei der Finanzierung ihres Nahverkehrs vor großen Aufgaben, auch auf dem Land ist die Not groß. In einigen Landkreisen machen die Schüler und deren bezuschusste Tickets den größten Posten aus, den Rest des Tages tingeln die Busse meist leer durch die Landschaft. Werden durch den demografischen Wandel aber irgendwann die Schüler weniger, steht laut Randelhoff auch der ÖPNV in Frage: „Im ländlichen Raum werden die Subventionen zunehmen – wenn es in einigen Landkreisen dann überhaupt noch einen öffentlichen Nahverkehr gibt.“

Ein großer Teil der Gelder, mit denen der Nahverkehr finanziert wird, fällt auf die sogenannten Regionalisierungsmittel. Die vom Bund an die Länder vergebenen Gelder sind momentan auf 7,2 Milliarden Euro pro Jahr gedeckelt und werden größtenteils für den Schienenverkehr verwendet. Die Förderung anderer Verkehrsmittel geschieht nur in Ausnahmen.

Mal Schnecke, mal Windhund
Die Tabellen zeigen die schnellsten Verbindungen im Stundentakt (auf einzelnen Strecken verkehren dazwischen noch andere Fernzüge, die aber in der Regel langsamer sind).Quelle: Deutsche Bahn; Stand: 9.10.2013 Quelle: obs
Entfernung bis 100 km.
Entfernung bis 200 km. * Durchschnittswert
Entfernung bis 300 km. ** wegen Hochwasserschäden bis 4. November 2:09 Std.
Mehr als 300 km.

Doch selbst dieser zunächst hoch anmutende Betrag ist in der Praxis zu klein. „Ich kenne keinen Fachmann, der diese Summe für ausreichend hält“, sagt ProBahn-Sprecher Aschoff. „Insgesamt hat sich das System sehr wohl bewährt, nur die Höhe der Finanzierung nicht.“ Auch der verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen, Arndt Klocke, kritisiert die Haltung des Bundes: „Der Plan von Wolfgang Schäuble ist paradox: Während die Kosten weiter steigen, sollen die Mittel eingefroren werden.“

Dass sich etwas ändern muss, ist den Experten durch die Bank klar. Auf einer Sonderkonferenz Mitte Juli beschlossen die Verkehrsminister und -senatoren der Länder, einen Gesetzentwurf über den Bundesrat einzubringen. Darin fordern sie eine Anhebung der Regionalisierungsmittel auf rund 8,5 Milliarden Euro jährlich sowie eine weitere Erhöhung um mindestens zwei Prozent pro Jahr. „Gerade die von den Eisenbahnen zu zahlenden Preise für die Trassennutzung und das Anfahren der Stationen sind in den vergangenen Jahren explodiert. Daher brauchen wir dringend mehr Geld vom Bund, um das Angebot unserer Regionalzüge aufrecht erhalten zu können“, betonte NRW-Verkehrsminister Michael Groschek.

„Die Trassenkosten machen bis zu 40 Prozent der Ausgaben aus“, sagt ProBahn-Sprecher Aschoff. „In den Finanzierungsmodellen sind die Kosten hierfür aber zu niedrig angesetzt. Ich kann nur hoffen, dass die Regionalisierungsmittel so deutlich angehoben werden, dass ein Ausgleich mit den laufenden Kosten möglich ist.“ Ob das der Fall sein wird, entscheidet sich frühestens im Oktober. Denn wie die Gelder zwischen den Bundesländern verteilt werden sollen, darauf konnten sich die Minister noch nicht einigen.

Doch eines ist klar: Auch mit höheren Staatsgeldern werden die Preise für die Tickets nicht wieder sinken. „In der Fahrpreis-Debatte darf man natürlich nicht vergessen, welchen Nutzen der ÖPNV bringt, wie wichtig er für Verkehr und Wirtschaft ist“, sagt Randelhoff. „Global hat man das begriffen, in Deutschland aber noch nicht.“

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