Private Abschleppdienste Die Abzocke am Parkplatz

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Der Firmensitz ist ein verlassenes Haus

An einer Ausfallstraße in Berlin-Marzahn findet sich der offizielle Firmensitz von Park Area Berlin. Oder zumindest das, was ein offizieller Firmensitz sein soll. Denn in dem offenbar verlassenen Haus mit desolaten Klingelschildern war bei einem Lokalaugenschein der WirtschaftsWoche auch zu Geschäftszeiten kein Mensch anzutreffen. Als Kuvichka daraufhin bei dem Unternehmen anrief und nach dem Firmensitz fragte, bekam er eine überraschende Antwort: „Zum Schutz der Mitarbeiter“ gäbe es kein Büro und keinen Ansprechpartner vor Ort, soll ihm ein Mitarbeiter von Park Area Berlin gesagt haben. Park Area Berlin kommentierte diese Darstellung wie auch sämtliche anderen Fragen der WirtschaftsWoche trotz mehrmaliger Anfrage nicht.

Dabei stellen sich bei diesem Abschleppdienst doch einige Fragen. Laut Bundesanzeiger ist das Unternehmen mit einem Eigenkapital von lediglich 1000 Euro ausgestattet. Es fragt sich, in welcher Form die abgeschleppten Autos versichert sind und welche Sicherheit die Besitzer der abgeschleppten Autos im Schadensfall haben.

Wer in Berlin-Lichtenberg auf einem Grundstück der Supermarktkette Netto abgeschleppt wird, hat es laut den aufgestellten Schildern mit der Firma Bercon Service zu tun. Der Hauptsitz von Bercon Service soll laut Firmen-Website in Berlin-Hohenschönhausen liegen. Doch der existiert offenbar nur virtuell.

Als die WirtschaftsWoche an der angegeben Firmenadresse vorstellig wird, sind dort weder Häuser noch Büros zu finden. Nur Lagerhallen sind an der Adresse auszumachen. In einer davon befindet sich eine Kfz-Werkstatt. Ein junger Mechaniker öffnet das Tor und erklärt, dass Bercon Service schon seit Jahren nicht mehr hier sei. „Allerdings kommen immer wieder Leute vorbei und fragen nach Bercon“, erzählt der Mechaniker. Erst vor drei Wochen seien zwei Männer des Motorcycle-Clubs Hells Angels hier gewesen. „Die wirkten eher so, als ob sie Streit mit Bercon hätten“, sagt er. Bercon Service selbst teilte zu dem fragwürdigen Unternehmenssitz mit, dass das Unternehmen derzeit „im Umzug“ mit seinem „Gewerbehof“ sei und die Internetseite sich gerade in einer „Umarbeitungsphase“ befinde.

Der Discounter Netto teilte mit, dass kein „allgemeiner Rahmenvertrag zwischen Netto Marken-Discount und Bercon Service“ existieren würde. „Wir arbeiten lediglich befristet und nur punktuell bei Bedarf mit Bercon Service für den Einsatz der Parkplatzkontrolle einzelner Berliner Filialen – bei denen es verstärkt Probleme mit Fremdparkern gibt – zusammen“, heißt es vom Unternehmen. Zudem würde Netto seinen Kunden einen „kostenlosen Park-Service“ bieten. „Leider kommt es immer wieder vor, dass zum Beispiel in stark frequentierten Innenstadtlagen oder in der Nähe von Bahnhöfen Parkflächen missbräuchlich genutzt werden, wodurch unseren Kunden deutlich weniger Parkflächen zur Verfügung stehen“, heißt es von Netto. Das Unternehmen betont, „keinerlei finanzielle Vorteile oder Einnahmen durch das Umsetzen von Fremdparkern“ zu haben.

Ähnlich äußern sich auch andere Supermarktketten. So teilt etwa Lidl mit, dass es dem Unternehmen „wichtig“ sei, seinen „Kunden während der gesamten Öffnungszeit einen schnellen und bequemen Einkauf sowie ausreichend Parkmöglichkeiten zu bieten“. „Zu diesem Zweck halten wir entsprechend gekennzeichnete Parkplätze für unsere Kunden frei. Abgeschleppt werden Autos auf unseren Parkplätzen nur in seltenen Ausnahmefällen zum Beispiel, wenn Fahrzeuge von Fremdparkern tage- oder wochenlang auf unseren Parkplätzen abgestellt oder Feuerwehrzufahrten und Fluchtwege oder die Anlieferung behindert werden“, heißt es von Lidl. Zudem sei Lidl in keiner Form an den Kosten der Abschlepper beteiligt.

Doch wie verhält es sich mit den Einzahlungen der Rechnungen für so manchen Abschleppdienst über Barzahlen.de? Ist es möglich, dass die Supermärkte durch Provisionen an dem Bezahlvorgang an der Abschlepperei mitverdienen?

Rewe teilt dazu mit, dass das Unternehmen „keinerlei Einfluss“ darauf habe, „welche Unternehmen diesen Service ihren Kunden zusätzlich zur gängigen Überweisung anbieten“. Da mit „der Abwicklung jeder Zahlung über Barzahlen.de Personalaufwand verbunden“ sei und „eine Dienstleistung für Dritte erbracht“ würde, erhielten „die Partnerfilialen eine Aufwandsentschädigung“. Rewe betont, dass das Unternehmen „weder einen direkten noch einen indirekten Vorteil daraus“ ziehen würde, „wenn sich ein unabhängiges Unternehmen entschließt, dem Barzahlen.de-Netzwerk beizutreten“.

Barzahlen.de machte zur Höhe der Provision „aus Gründen der Verschwiegenheitspflicht“ keine Angaben.

Anatolii Kuvichka hat sein Auto mittlerweile wieder. Und zwar ganz ohne zu zahlen. „Ich bin einfach im Kiez herumgefahren und ein paar Straßen weiter war mein Auto vor einem Wohnhaus geparkt“, erzählt er. Einen eigenen Platz für die abgeschleppten Autos hat das Unternehmen Park Area Berlin offenbar nicht. Angaben zu seinen Abstellplätzen wollte das Unternehmen gegenüber der WirtschaftsWoche nicht machen.

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