Privatjets „Wenn man ein Flugzeug kauft, kauft man mit Sicherheit immer das falsche“

Vista-Global-Gründer Thomas Flohr. Quelle: Presse

Thomas Flohr betreibt mit Vista Global die größte Privatflugzeugflotte der Welt. Vor Nachfrage kann er sich kaum retten. Die Pandemie treibt ihm die Kunden in die Arme – vor allem große Konzerne wollen einen Jet im Abo.

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WirtschaftsWoche: Herr Flohr, Sie haben ein Rekordjahr mit 60 Prozent Umsatzwachstum hinter sich. Wie haben Sie das angesichts der anhaltenden Coronakrise geschafft?
Thomas Flohr: Die Nachfrage nach stundenweise zu buchenden Privatflüge steigt enorm. Wir haben 2021 22.000 neue jährliche Abo-Stunden für unsere Flugzeuge verkauft – das allein entspricht dem Bedarf von 25 bis 30 neuen Flugzeugen. Das sind langjährige Verträge, keine kurzfristige Corona-getriebene Blase. Es handelt sich um eine nachhaltige, langfristige Nachfrage aus jeder Ecke dieser Welt aus Amerika, Europa, Asien und dem Nahen Osten. Unsere Kunden können mit ihrem Abo einen Tag vorher einen Privatjet bestellen, der sie von einem Punkt auf der Erde zu einem anderen fliegt. Unsere App wurde schon mehr als eine Million Mal heruntergeladen, wir haben 50.000 Mitglieder. 5000 Kunden geben bei uns jährlich mehr als 100.000 Euro aus. Fünf der zehn größten Unternehmen der Welt sind unsere Kunden.

Aber besitzen gerade diese Großunternehmen nicht eigene Flugzeuge?
Was sie brauchen, ist Flexibilität. Vielleicht ist ein Vorstand gerade in Indien, dann gibt es ein Aufsichtsratstreffen in Abu Dhabi und einen wichtigen Vertragsabschluss auf den Philippinen. Selbst wenn ein Unternehmen ein oder zwei Flugzeuge besitzt, können die nicht den gesamten Bedarf abdecken. Unsere Flotte dagegen kann man am selben Tag aus drei verschiedenen Richtungen nutzen. Wenn man ein Flugzeug kauft, kauft man mit Sicherheit immer das falsche. Wer mit einem transkontinentalen Flugzeug nach Asien reist, braucht unterwegs einen Tankstopp. Ein Global Express, der Non-Stop überall in die Welt fliegen kann, ist überdimensioniert, wenn man nur mal von Hamburg nach Mailand fliegt. Für jede Reise braucht man genau das richtige Flugzeug – da kommen wir ins Spiel.

Also lieber Stunden abonnieren statt den Jet zu kaufen?
Das Prinzip der Shared Economy ist in der Privatjetbranche eingetroffen. Die Unternehmen schwenken um zu Asset-leichten Konzepten. Es gibt 22.000 Corporate Jets in der Welt – all die Betreiber fragen sich gerade, ob sie wirklich ein Flugzeug besitzen müssen. Ein eigener Jet ist einfach eine riesige Verschwendung für ein Unternehmen. Es ist nicht einfach, vom Aufsichtsrat die Anschaffung eines eigenen Flugzeugs genehmigt zu bekommen. Dann wartet man mehr als ein Jahr darauf, dass es geliefert wird. Und dann braucht man eine eigene Flugabteilung. Jährliche Flugstunden einzukaufen ist einfacher.

Lesen Sie auch: Shared-Economy-Plattformen wie Uber, Lyft und Airbnb verzeichnen in den USA rasant steigende Preise. Woran das liegt – und wie es in Deutschland aussieht.

Die Coronakrise muss Ihr Geschäft doch auch beflügeln.
Die Nutzung von Privatjets hat sich seit dem Ausbruch der Pandemie extrem beschleunigt. Die Linienflug-Infrastruktur ist vielerorts nicht mehr da, sodass man nicht mehr so einfach ohne umzusteigen zwischen zwei Destinationen fliegen kann. Direktflüge sind aber viel zeiteffizienter. Das beschleunigt die verstärkte Wendung weg von den kommerziellen Airlines hin zur Privatjet-Nutzung. Wir profitieren so stark von diesen beiden Trends, weil wir als einziger Anbieter die gesamte Erdkugel mit Privatflügen abdecken.

Aktuell berichten viele in der Privatjet-Branche, dass die Nachfrage in erster Linie von Privatleuten komme, die in Urlaub fliegen. Die Unternehmen dagegen sähen immer noch von Geschäftsreisen ab.
Das beobachten wir auch. Die Welt ist noch immer zur Hälfte verschlossen. Man kann vielleicht hinfliegen, muss dann aber in Quarantäne und viele andere Regeln befolgen. Wir bieten seit vielen Jahren unseren Kunden einen Probeflug an, um selbst die Effizienz des privaten Fliegens zu erleben. Jetzt nutzen sie das Angebot und sind begeistert. Alles dreht sich um das direkte Fliegen zur Destination, statt in großen Hubs umsteigen zu müssen. Der Privatflug-Markt wächst und wird zugleich erschwinglicher – das zieht auch private Kunden an. Zu der Verbilligung des privaten Fliegens tragen wir stark bei – früher konnte man nur einen Anteil an einem Jet kaufen oder gleich ein eigenes Flugzeug. Beides ist viel teurer als nur die Stunden, die man fliegt, zu bezahlen.

Gibt es schon Konkurrenten, die Ihr Geschäftsmodell kopieren?
Es ist sehr schwierig, eine globale Infrastruktur aufzubauen – die ganze Welt abzudecken, bedeutet ein Investment von mehreren Milliarden Dollar und jahrelange Ausbauarbeit. Wir befinden uns jetzt in unserem 18. Jahr, und es bedurfte einer riesigen Anstrengung. Wir haben jetzt 200 Flugzeuge, die auf jedem Kontinent binnen eines Tages abrufbar sind. Sie sitzen in Düsseldorf, haben einen Geschäftspartner in Tokyo, der nach Mumbai fliegen will. Sie klicken auf unsere App, und Ihr Geschäftspartner fliegt morgen. Das ist einzigartig.

Aktuell sind Jets vergriffen. Wie schaffen Sie es da, 60 Prozent Wachstum zu bedienen? Haben Sie die Flugzeuge, die das Umsatzwachstum bei Ihnen möglich machen, schon vor Jahren bestellt?
Wir beziehen unsere Global-Express-7500-Jets aus der Order, die wir Bombardier 2012 aufgegeben haben – die größte Flugzeugorder in der Business Aviation aller Zeiten. 2021 haben wir insgesamt 30 neue Flugzeuge in Empfang genommen, darunter sieben Global 7500. 2022 erwarten wir weitere sieben Global 7500. Aber zusätzlich wir haben bei Bombardier im Herbst 2020 zehn weitere Challenger 350 Jets bestellt. Im zweiten Quartal 2020, als die Welt plötzlich stillstand und alle zu Hause blieben, hat unser achtköpfiges Führungsteam jeden Tag mit mindestens fünf Kunden gesprochen. Sie erzählten uns, dass sie die Minute, wo es wieder erlaubt wäre, wieder fliegen wollten. Im Nachhinein hätte ich sogar 30 weitere Flugzeuge bestellt. Unsere Flotte ist extrem ausgelastet – so sehr, dass es uns selbst überrascht.

Das Reisen im Privatjet ist gefragt wie nie. Neuer Reichtum und niedrige Zinsen befeuern den Trend zum eigenen Flugzeug – eigentlich. Denn der Markt ist leer gefegt.
von Nele Husmann

Der dramatische Einbruch bei Technologieaktien plus die Rückkehr der Inflation – bereitet Ihnen das nicht Sorgen, dass die guten Zeiten bald vorbei sein werden? Unternehmer, die sparen müssen, fliegen auch weniger.
Der Markt ist über die vergangenen 18 Monate so schnell gestiegen, das eine Korrektur ganz gesund ist – nichts geht immer nur nach oben. Wir sehen solide Nachfrage aus jeder Ecke der Welt. Unsere Kunden sind die Anführer ihrer Branchen. Egal ob es ein Boomjahr ist oder eine Rezession, sie müssen fliegen. Eine Rezession bedeutet, Chancen zu nutzen oder Brände zu löschen – für beides muss man vor Ort sein. Die Verträge mit unseren Kunden haben eine Inflations-Anpassungsklausel. Als Unternehmen sind wir so vor Preisanstiegen abgesichert.

Menschen, die gern selbst einen Jet kaufen würden, finden keinen. Die chartern dann. Steigert das auch die Nachfrage bei Ihnen?
Wir haben zwei Hauptgruppen bei unseren Kunden: Der gelegentliche Reisende, der von A nach B will und die Airlines vermeiden will – der chartert dann auch einen Privatjet. Aber große Familien und Unternehmen brauchen Beständigkeit. Sie brauchen garantierte Verfügbarkeit genau dann, wenn sie fliegen wollen, genau da, wo sie sind und hin wollen.

Wie bedienen Sie mit Ihrem Flugstunden-Abo denn gelegentliche Kunden?
Wir haben dafür zwei Unternehmen aufgekauft: XO und Jetsmarter. So decken wir jeden Bedarf ab, zum Beispiel auch Seat-Sharing. Unsere Kunden können andere Reisende auf ihrem Flug gegen Gebühr mitnehmen wie bei Fahrten mit Uber Share. Bei Privatjets geht es immer auch um Bezahlbarkeit – und wir arbeiten daran, den Preis niedriger zu gestalten. Das geht nur durch Technologie. Billiger geht es nur, wenn man entweder das Flugzeug mehr nutzt oder die Kabine besser auslastet. Warum nur zu Dritt fliegen, wenn es acht Plätze gibt? Die Mitreisenden kommen aus dem Pool unserer 50.000 Mitglieder – alle sind uns bekannt.

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Sie unternehmen auch Anstrengungen, sich klimaneutral aufzustellen. Der Backlash gegen Privatjets als verschwenderische Treiber der globalen Erwärmung wird in den kommenden Jahren sicher noch wachsen.
Wir haben schon 2019 mit unserer langfristigen Strategie hin zur Klimaneutralität begonnen. Wir wollen auch darin führend sein. In 2025 wollen wir bereits CO2-neutral sein, wir reden dazu auch sehr intensiv mit unseren Mitgliedern. 87 Prozent von ihnen tragen bereits finanziell dazu bei, dieses Ziel zu erreichen. Dieses Jahr wollen wir die Teilnahme auf 95 Prozent steigern. In absoluten Zahlen möchte ich aber hinzufügen, dass die Luftfahrt zwei Prozent der Kohlendioxid-Verschmutzung ausmacht, und die Privatjets repräsentieren davon wiederum nur zwei Prozent. 0,04 Prozent ist also der Anteil unserer Branche an den klimaschädlichen Emissionen. Aber trotz dieser niedrigen Zahl nehmen wir das absolut ernst. Wir befinden uns gegenüber der Flugindustrie um 25 Jahre im Vorsprung – denn die plant erst 2050 klimaneutral zu sein.

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