Problemfall Eurowings Wie die Lufthansa das Chaos in den Griff kriegen will

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Viele Aufgaben an Dienstleister übertragen

Dazu überträgt die Lufthansa viele früher selbst erledigte Aufgaben an Dienstleister. Wie schnell es da eng wird, zeigte sich vor zwei Wochen in Düsseldorf, als ein Flugkapitän abhob und 70 Passagiere im wartenden Bus zurückließ. Garnadt reagierte prompt. Seit dem Vorfall koordinieren zusätzliche Aufsichtskräfte alle Beteiligten, vom Linienpersonal über die Verkehrsleitstelle bis zu den vom Flughafen organisierten Busfahrern. Die Gefahr, dass Maschinen ohne Passagiere abheben, ist eingedämmt.

Auch beim Aufbau des künftigen Eurowings-Reiches setzt Garnadt auf Koordination und strikte Regeln. Er will künftigen Partnern in einem bis zu 300 Seiten dicken Pflichtenkatalog Standards vorgeben. Der sichtbarste Teil sind die Vorschriften beim Service. „Alles, womit der Kunde in Berührung kommt, soll gleich sein“, sagt Garnadt. Alle Partner sollen wie Eurowings die Kabine teilen in die drei Klassen „Basic“ mit engerem Sitzabstand, „Smart“ mit etwas mehr Platz und einer „Best“ genannten Billigfliegerversion der Businessclass.

Die Eurowings-Fibel listet alles auf, von den Farbtönen der Essensbeutel über das Design von Sitzen oder Uniformen bis zu Regeln dazu, wer in einer Vielfliegerlounge warten darf.

Die sechs größten Baustellen der Lufthansa

Weitere Regeln dürften folgen. Momentan erprobt ein Team um Produktchefin Katrin Flöther gerade kostenpflichtige Extras wie etwa die Möglichkeit, sich einen freien Nachbarsitz zu sichern oder für weniger als den üblichen Aufpreis in die „Best“-Reihen vorrücken zu dürfen. Im Herbst sollen auch die ersten Eurowings-Flieger Internet an Bord bieten und über die hauseigene App auf der Kurzstrecke wahrscheinlich für vier Euro Filme, Musik und Spiele bieten.

Weiter gediehen sind die Partnervorgaben für die Arbeit hinter den Kulissen. Hier listet Garnadts Fibel gut 30 Punkte auf, wie künftige Auftragsflieger ihre IT stricken müssen, damit die an die Eurowings-EDV passt.

Die Namen möglicher Partner will Garnadt nicht preisgeben. In der Branche gelten aber die belgische Lufthansa-Beteiligung Brussels und Lot aus Polen sowie Condor oder Germania aus Deutschland als Kandidaten. Infrage kommen auch kleinere Linien wie Croatia Airlines aus Kroatien oder Adria Airways aus Slowenien.

Doch ob das klappt, ist ungewiss. „So interessant das Angebot angesichts der wachsenden Konkurrenz auch ist, wir müssten als Eurowings-Partner praktisch die eigene Marke aufgeben“, so ein Vorstand einer kleinen europäischen Linie. „Das ist für uns derzeit ein zu großes Wagnis.“

Doch viel Zeit haben Spohr und Garnadt mit der Partnerwahl nicht. Denn bereits jetzt tun sich Norwegian oder die British-Airways-Schwester Vueling leichter im Kampf um Platz drei des europäischen Billigmarktes als Eurowings. Zudem wollen Ryanair und Easyjet nach dem Brexit-Votum verstärkt in Mitteleuropa aktiv werden.

Auf Letzteres immerhin ist Garnadt vorbereitet. Eurowings prüft, 2017 auch Lufthansa-Drehkreuze wie München anzufliegen, um dort die Marktposition der Mutter gegen Billigwettbewerber zu verteidigen. „Wir reden intern bereits darüber“, erklärte Garnadt jüngst auf einer Investorenveranstaltung. „Für 2017 ist das eine Option.“ Spätestens dann ist auch klar, ob Spohrs Vorzeigeprojekt Eurowings tatsächlich der geballten Billigkonkurrenz Paroli bieten kann.

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