ProSiebenSat.1-Vorstand „Das Fernsehen ist nicht tot“

Max Conze, Vorstandsvorsitzender der ProSiebenSat.1 SE. Quelle: dpa

ProSiebenSat.1-Vorstandschef Max Conze über den Konkurrenzkampf mit Netflix und Amazon, die Exportpläne für sein neues Streamingportal Joyn und Gemeinsamkeiten mit Alibaba.

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Max Conze ist Vorstandsvorsitzender der ProSiebenSat.1 SE.

WirtschaftsWoche: Herr Conze, seit Jahren sinken die absoluten Zuschauerzahlen der TV-Sender in Deutschland, Mediaplaner bemängeln eine „Verdurchschnittlichung“ im Programm der Privatsender, Netflix und Co gewinnen immer mehr Zuschauer – erleben wir gerade den Niedergang des Fernsehens?
Max Conze: Mal langsam – die Welt ist weniger schwarz-weiß, als viele sie malen, nach dem Motto „Fernsehen ist tot, Netflix ist alles“. Das stimmt so einfach nicht. Auch reine Streaming-Dienste werden ihren Höhepunkt im Hype-Cycle eines Tages überschritten haben. 

Was macht Sie so sicher?
Wir begeistern Menschen nach wie vor mit unseren Inhalten. Gerade hatten wir mit unseren Sendern den besten Juni, das beste zweite Quartal und die besten sechs Monate der vergangenen vier Jahre. Wir gewinnen in einem sich verschärfenden Markt Zuschauer. Unser Ziel ist es nicht, gegen Netflix zu gewinnen oder die Plattform zu kopieren. Unser Ziel ist es, unsere Stärken endlich wieder voll auszuspielen. 

Welche sollten das sein?
Wir kombinieren die Stärken des linearen Fernsehens mit den Stärken nicht-linearer Streaming-Angebote. Zwei Modelle in einem sind stärker als eines je sein kann. Wir machen mit Herzblut Programm – ein Programm, das unsere Zuschauer überall und jederzeit anschauen können und das wir vorwiegend mit Werbung finanzieren. Denn der Werbemarkt in seiner Gesamtheit ist nach wie vor sehr gesund. Viele Leute in Deutschland sagen, das Fernsehen sei tot – das ist nicht richtig. Richtig ist, dass sich die Art ändert, wie wir fernsehen.

Was trägt denn Ihre neue Online-Plattform Joyn dazu bei?
Mit dem Aufbau neuer digitaler Verbreitungswege wie Joyn schaffen wir es, die sinkende Reichweite im klassischen Fernsehen nahezu auszugleichen. Das gelingt, weil wir die historische Stärke des Fernsehens – einfach und schnell unter einer Vielzahl von Live-Kanälen wählen zu können – in die digitale Welt übersetzen und mit zusätzlichen Angeboten anreichern.

Joyn, das Mitte Juni gestartet ist, war das größte Projekt, dass Sie sich für Ihr erstes Jahr als Vorstandschef von ProSiebenSat.1 vorgenommen hatten – mussten Sie dafür nicht bloß die vorhandenen Angebote 7TV, Maxdome und Eurosport Player miteinander verbinden?
Nein, da unterschätzen Sie vollkommen, wie viel Arbeit alle Beteiligten in dieses Projekt gesteckt haben. Als ich im Juni letzten Jahres kam, gab es Joyn noch nicht. Das Angebot haben wir vollkommen neu in weniger als einem Jahr aufgebaut. Das gilt auch für die komplette Technik dahinter. Schauen Sie mal in Europa, wie vielen Sendern und Unternehmen ein ähnlich ambitioniertes Angebot in einem so kurzen Zeitraum gelungen ist. Hier gibt es nichts Vergleichbares.

Wenn das so ist – warum verkaufen Sie die Joyn-Technik dann nicht weiter?
Wenn Joyn mit allen wichtigen Features und dem künftigen Premium-Angebot läuft, werden wir uns anschauen, wie wir das Modell in einen breiteren europäischen Kontext übertragen können.

Was heißt das konkret?
Dazu gibt es verschiedene Ideen: Wir könnten Lizenzen vergeben. Oder wir könnten gemeinsam mit Partnern nationale Versionen von Joyn in anderen Ländern starten. Das gilt auch für das Thema Werbetechnologie. Mit RTL bauen wir gerade das Joint Venture D-Force auf. Noch steht die Zustimmung des Kartellamts aus. Aber wir sind zuversichtlich. Wenn Thomas Rabe…

... der in Personalunion an der Spitze von Bertelsmann und RTL steht...
... genau, wenn wir beide also in einigen Monaten feststellen, dass D-Force so gut funktioniert, wie wir das glauben, könnte das ebenfalls exportierbar sein.

Um mit D-Force Werbekunden adressierbare TV-Spots zu verkaufen, riskieren Sie intern einen Kulturschock, schließlich verbünden Sie sich RTL, dem langjährigen Erzfeind...
Das hat sich definitiv verändert. Wer heute erfolgreich sein will, muss in Partnerschaften denken und smart mit anderen Unternehmen zusammenarbeiten. Das können in Europa wenige so gut wie wir.

Mit „The Masked Singer“ haben Sie gerade bei ProSieben mal wieder einen Hit gelandet, Joyn ist gestartet und mit RTL und Facebook arbeiten Sie neu zusammen – trotzdem ist der Aktienkurs von ProSieben Sat.1 seit Ihrem Start hier um fast die Hälfte geschrumpft. Kapieren die Anleger Ihre Strategie nicht?
Aktienmärkte bilden viele Einflüsse in ihren Kursen ab. Nicht alle dieser Einflüsse sind rational. Der Mediensektor in Europa ist aktuell sehr niedrig bewertet. Einige Analysten und Investoren stellen in Frage, ob traditionelle Medienhäuser erfolgreich den Sprung ins Digitale schaffen können. Manche dieser Sorgen halte ich für übertrieben; einige traditionelle Medienunternehmen zum Beispiel in Schweden haben das schon unter Beweis gestellt. Auch wir werden beweisen, dass wir das können.

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