Prozess gegen Ex-Chef der Uniklinik Düsseldorf Wenn der Zahnarzt die Tür zuknallt

Der Ex-Chef der Uniklinik Düsseldorf soll wissenschaftliche Mitarbeiter privat eingesetzt haben. Bald beginnt sein Prozess. In der Zahnklinik arbeitet er weiter neben seinem Belastungszeugen – das nagt am Arbeitsklima.

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„Versuch einer Medienkampagne.“ Quelle: picture alliance/dpa

Düsseldorf Wer beim Zahnarzt schreit, liegt gewöhnlich im Behandlungsstuhl. In der Zahnklinik der Universität Düsseldorf war das Mitte Mai anders. An einem Donnerstag gerieten zwei Mediziner aneinander. Der eine: Professor Dr. Martin Wenger (Name geändert), ein leitender Arzt der Abteilung. Der andere: Professor Dr. Wolfgang Raab, Ex-Vorstandschef des Klinikums, seit 2013 angeklagt wegen des Verdachts der Untreue im besonders schweren Fall. Er ist nach wie vor Direktor der universitätseigenen Zahnklinik.

In Wengers Büro im zweiten Stock des Backsteinbaus gifteten sich die beiden Männer an. Nach einem Wortgefecht soll Raab die Bürotür so heftig gegen Wenger geschlagen haben, dass sein Kollege eine Prellung des linken Ellenbogens erlitt. So steht es in einem Befund des Instituts für Rechtsmedizin. Es ist die neueste Facette eines mutmaßlichen Hochschul-Skandals, dessen Ursprung mehr als vier Jahre zurückliegt.

Wenger hatte Raab damals beim Landeskriminalamt angezeigt, weil der jahrelang wissenschaftliche Mitarbeiter in seiner Privatambulanz beschäftigt haben soll. Bald darauf durchsuchte die Sonderkommission „Paola“ (Privatabrechnung ohne Legitimation) mit rund 50 Polizeibeamten die Klinik und Raabs Büroräume. Im Oktober 2015 eröffnete das Landgericht Düsseldorf das Hauptverfahren gegen den Ex-Vorstandschef (Aktenzeichen 14 KLS 18/13).

Patienten: saudische Scheichs, russische Oligarchen

Dem Professor, der saudische Scheichs und russische Oligarchen ebenso zu seinen Patienten zählte wie Manager der Metro-Gruppe und hochrangige Mitarbeiter des für die Uni zuständigen NRW-Wissenschaftsministeriums, steht bald ein unangenehmer Auftritt bevor: Am 16. November soll sein Prozess beginnen. Nach dem Auftakt im großen Schwurgerichtssaal mit 140 Zuschauerplätzen hat das Landgericht bis 13. Dezember fünf weitere Verhandlungstage angesetzt. „Es kann sein, dass vorher Schluss ist, das Verfahren kann sich aber auch bis ins neue Jahr ziehen“, sagte eine Sprecherin dem Handelsblatt.

Laut der 280 Seiten umfassenden Anklage hat Raab bei 1417 Patienten Behandlungen für rund 2,2 Millionen Euro abgerechnet. Davon soll er aber nur einen Bruchteil selbst erbracht haben. Den Rest soll vor allem ein Oberarzt erledigt haben, der eigentlich für Forschung und Lehre zuständig war. Mutmaßlicher Schaden für die Uni Düsseldorf: rund 350.000 Euro.


Kommentar von Raabs Verteidiger: „Unsinn.“

Der Fall wirft ein schlechtes Licht auf das staatliche Klinikum, das seit Jahren Verluste in zweistelliger Millionenhöhe ausweist (siehe Grafik). Warum wurde der Direktor der Zahnklinik bis zur Klärung des Sachverhalts nicht suspendiert? Warum arbeitet er seit Jahren Tür an Tür mit seinem Hauptbelastungszeugen? Was sagt Rektorin Anja Steinbeck zu dem Professorenstreit in ihrem Haus? Zu all diesen Fragen wandte sich das Handelsblatt an Universität und Klinikum. Antwort einer Klinik-Sprecherin: „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir uns angesichts des laufenden Strafverfahrens zu Ihren Fragen nicht äußern können.“

Verteidiger: „Anklage ist nicht tragfähig“

Martin Wenger, der Mann der den Fall ins Rollen brachte, wird bei der Gerichtsverhandlung wohl ebenso als Zeuge aussagen wie weitere Mitarbeiter der Zahnklinik. Im Fall einer Verurteilung drohen Raab bis zu fünf Jahre Haft. All das könnte geschehen, während sich der Beschuldigte, der Whistleblower und weitere Zeugen im Alltag regelmäßig über den Weg laufen.

Professor Raab ließ eine Anfrage des Handelsblatts unbeantwortet. Sein Strafverteidiger, der Düsseldorfer Star-Anwalt Sven Thomas, spricht vom „Versuch einer Medienkampagne“ gegen seinen Mandanten. Schriftlich teilte er mit: „Die gegen ihn erhobene Anklage ist nicht tragfähig. Herr Prof. Dr. Raab wird sich zu ihr vor Gericht und nicht im Vorfeld gegenüber den Medien erklären.“

Im Streit mit seinem Kollegen Wenger soll der angeklagte Klinik-Direktor deutlicher geworden sein. Das jedenfalls legt der Befund der Rechtsmedizin nahe. Darin heißt es: Prof. Raab habe (…) erklärt, dass Wenger sich überlegen solle, „welche Aussagen er im Haus und bei Gericht“ treffe. Kommentar von Raabs Verteidiger: „Unsinn.“

Einen ausführlichen Report zum Fall finden Sie hier.

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