Prüfdienstleister Brustimplantate-Skandal treibt TÜV Rheinland in die roten Zahlen

Nach einem französischen Gerichtsurteil hat der Kölner Prüfkonzern Millionenrückstellungen gebildet. Auch die Coronakrise belastet das Geschäft.

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Die Rückstellungen wegen des Brustimplantate-Skandals und die Coronakrise haben im Jahr 2020 für einen Verlust gesorgt. Quelle: dpa

Der lange zurückliegende Skandal um minderwertige Brustimplantate hat beim Prüfdienstleister TÜV Rheinland für rote Zahlen gesorgt. Nachdem ein französisches Berufungsgericht im Februar gegen das Unternehmen entschieden hatte, habe man Rückstellungen in Höhe von 90 Millionen Euro gebildet, sagte Firmenchef Michael Fübi am Mittwoch in Köln.

Er betonte, dass man sich weiter im Recht sehe und vor Frankreichs oberstes Gericht, den Kassationshof, ziehen werde. Aus kaufmännischer Vorsicht müsse man aber schon jetzt Rückstellungen bilden. Das Betriebsergebnis sackte 2020 auf minus 23,6 Millionen Euro ab, 2019 hatte es bei 135,6 Millionen plus gelegen. Auch Folgen der Coronakrise belasteten das Geschäft.

Der längst insolvente Hersteller PIP aus Frankreich hatte jahrelang billiges Industriesilikon für Implantate verwendet, 2010 kam der Betrug ans Licht. Die reißanfälligen Implantate könnten Schätzungen zufolge weltweit bei hunderttausenden Frauen eingesetzt worden sein. Betroffen sind auch Frauen aus Deutschland. Der TÜV Rheinland hatte das Qualitätssicherungsverfahren von PIP zertifiziert. Die Klägerinnen werfen ihm deshalb unsaubere Arbeit vor.

Das Unternehmen sieht sich dagegen selbst als Opfer der Täuschung von PIP. „Wir sind genauso Opfer wie die anderen“, bekräftigte Fübi diese Haltung am Mittwoch. Man habe keine Sorgfaltspflichten verletzt. Es gebe zahlreiche Gerichtsentscheidungen zugunsten von TÜV Rheinland, allein in Deutschland seien es 250. Zuletzt habe in Frankreich ein anderes Gericht dem TÜV recht gegeben. Der Rechtsstreit könnte sich nach Einschätzung des Managers noch fünf bis zehn Jahre hinziehen.

Der bekannteste Geschäftsbereich des weltweit tätigen TÜV Rheinland ist die Hauptuntersuchung (HU) von Autos, außerdem nimmt die Firma auch Industrieanlagen und Produkte unter die Lupe und ist in der Cybersicherheit tätig. Das Unternehmen hat rund 20.700 Beschäftigte, von denen 2500 am Firmensitz in Köln tätig sind. Wettbewerber sind die Dekra, der TÜV Süd und der TÜV Nord.

Im vergangenen Jahr sank der Gesamtumsatz vom Tüv Rheinland um 6,3 Prozent auf 1,95 Milliarden Euro. Das lag an den Folgen der Pandemie. „In vielen Bereichen der Welt konnten wir Projekte nicht realisieren, Projekte wurden storniert von Kunden.“ Zudem verwies Fübi auf Führerscheinprüfungen, die zeitweise nicht wie geplant abgehalten werden durften. Auch in anderen Bereichen war das Geschäft eingeschränkt, etwa bei Schulungen. Wo möglich wurde die Dienstleistung auf digitale Kanäle umgestellt.

In manchen Bereichen wirkte sich Corona sogar positiv aus, so war Expertise zu Lüftungsanlagen gefragt. In Köln und Shanghai eröffnete die Firma Prüflabore für FFP2-Masken. „Es war ein anstrengendes, aber auch ein erfolgreiches Jahr, denn wir haben gezeigt, dass wir robust und stabil sind“, sagte Fübi. Für dieses Jahr ist er zuversichtlich und rechnet mit einem Umsatzplus von 3,5 bis 4,5 Prozent.

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