Publicis und Omnicom Krokodilstränen nach geplatzter Werbefusion

Die Werberiesen Omnicom und Publicis fusionieren nun doch nicht. Davon profitiert vor allem der Konkurrent WPP – und das gleich doppelt. Warum die Megafusion scheiterte.

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John Wren und Maurice Levy Quelle: Reuters

Im vergangenen Jahr hat er umgerechnet 36 Millionen Pfund verdient, platt gerechnet also gut 98.000 Euro am Tag. Jetzt verteidigt er die Position als unangefochtene Nummer 1 im weltweiten Werbemarkt - ohne eigenes Zutun. Es gibt derzeit unangenehmere Daseinsformen, als Sir Martin Sorrell zu sein.

Der Gründer und Vorstandschef des Londoner Kommunikationskonzerns WPP wird mit nicht nur klammheimlichem Wohlwollen die Nachricht vom Platzen der Elefantenhochzeit zwischen seinen beiden Konkurrenten Omnicom und Publicis registriert haben.

Die beiden Werberiesen aus New York und Paris hätten WPP als bisherigen Branchenprimus beim Umsatz deutlich in den Schatten gestellt. Gemeinsam wären sie auf einen Umsatz von gut 24 Milliarden Dollar gekommen, WPP liegt bei 17,3 Milliarden. Dem toughen Sorrell hätte das nicht geschmeckt, den Platz an der Sonne hält er für sein natürliches Habitat. Nun können "hätte" und "könnte" wieder im Schrank verschwinden, der Deal ist abgeblasen.

Die wahren Gründe

Offiziell geben beide Seiten einigermaßen gestelzt und gewunden in einer gemeinsamen Erklärung an, es sei ihnen nicht gelungen, die Hindernisse zu überwinden, die die Fortschritte beim Zusammenschluss verzögert hätten. Dies habe Verunsicherung bei Aktionären, Mitarbeitern und Kunden ausgelöst. Daher hätten beide Verwaltungsräte jeweils geschlossen dafür gestimmt, den Stecker zu ziehen und die Fusion abzusagen.

Tatsächlich stecken wohl andere Gründe hinter der aufsehenerregenden Nachricht. Zum einen, so heißt es in informierten Kreisen, hätten sich die beiden Konzernspitzen nicht darauf verständigen können, wer denn nun am Ende wen übernimmt.

Angekündigt als Zusammenschluss auf Augenhöhe hätte dennoch aus rechtlichen Gründen entweder Omnicom Publicis kaufen müssen oder umgekehrt. Beide Konzerne verdienen ihr Geld mit Kommunikation. Beiden ist der hohe Symbolwert des Kaufvertrags sehr wohl bewusst. Umso seltsamer, dass ein solch wichtiger Deal-Bestandteil nicht schon viel früher zwischen den beiden Parteien geklärt worden ist.

Nicht einig waren sich beide Seiten offenbar auch über die Besetzung wesentlicher Managementposten. Ein Knackpunkt war demnach, wer Finanzchef des neuen Gebildes werden würde. Beide Seiten beanspruchten den wichtigen Posten für sich.

Nun müssen die Vorstandschef von Publicis und Omnicom ihr Scheitern eingestehen: "Die Entscheidung, den Prozess zu beenden, war weder angenehm noch leicht, aber sie war notwendig", sagte Maurice Levy, Vorstandschef von Publicis. Die Situation zu verlängern, hätte dazu führen können, dass sich das Management der Gesellschaft nicht voll um seine wichtigste Aufgabe hätte kümmern können: Den Kunden den besten Service zu bieten, hieß es weiter.

Der lachende Dritte

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Die Kostenlos-Zeitung Quelle: dapd

Wer durchaus Gefallen daran gehabt hätte, wenn die beiden noch ein Weilchen vor sich hin gewurschtelt hätten, dürfte auch klar sein: Sir Martin. Der saß schon vor einigen Wochen in seiner überraschend bescheidenen Konzernzentrale im Londoner Edelviertel Mayfair und argumentierte, Omnicom und Publicis seien ja so mit sich selbst beschäftigt, dass WPP und seine Agentur-Töchter wie Ogilvy, Y&R, Grey und Scholz&Friends der Konkurrenz reihenweise Geschäft abjagten. "Für uns", sagte Sorrell, "eröffnen sich sogar neue, kolossale Möglichkeiten."

Dann schwelgte er in Beispielen: "Wir haben Omnicom im vergangenen Sommer den globalen Etat des Rasierzubehöranbieters Gillette abgenommen, mit 800 Millionen Dollar unser größter Zugewinn und einer der größten Etatwechsel in der Werbegeschichte überhaupt. Publicis knöpften wir das 750-Millionen-Dollar-Mandat für Nestlé ab, Omnicom schnappten wir auch Sony weg. Netto haben wir 2013 deutlich mehr, nämlich Geschäfte im Wert von 6,1 Milliarden Pfund dazugewonnen, ein Plus von 57 Prozent. Auch 2014 gibt es viele neue Kunden zu holen: Konzerne wie Vodafone, Telefonica, Sprint oder Microsoft haben Ausschreibungen für ihre Werbebudgets gestartet - da geht es um richtig viel Geld."

Dass die Omnicom-Tochter BBDO seiner WPP trotz höchstpersönlichem Einsatz von Sir Martin gerade den urbritischen Zigarettenkonzern Imperial Tobacco mit Sitz in Bristol ausspannte und den Etat künftig von Düsseldorf aus führt – geschenkt.

Am Ende hat Sir Martin die Nase weiterhin vorn. Denn obwohl die Branche weiter über mögliche Zusammenschlüsse spekuliert – Experten rechnen damit, dass Publicis seine Fühler ausstreckt, um womöglich mit Interpublic, Havas oder der japanischen Dentsu anzubändeln –, käme die mögliche neue Verbindung in Sachen Größe nicht an WPP vorbei.

Und Größe wird nicht nur im Werbebusiness angesichts der dramatischen Veränderungen in der Werbe- und Medienlandschaft durch die Digitalisierung ein immer entscheidenderer Faktor. Auch Werbe- und Mediaagenturen investieren längst Millionen in komplexe Technologie etwa zur Buchung von Werbeplätzen. Gleichzeitig setzen ihre Großkunden auf die Bündelung ihrer Etats, und auch die Mediengiganten wie News Corp oder Disney gehen auf Größe.

Nur auf eins sollten sie alle achten – und das sagt ausgerechnet Sir Martin, der WPP erst durch gewagte Zukäufe zum Werberiesen machte: Vor den Egos der beteiligten Manager muss die Logik des Deals stehen.

Bei der kurzen, aber heftigen Affäre zwischen Omnicom und Publicis hingegen, sagt Sorrell, "waren die Augen wohl größer als der Magen".

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