PWC Die neue Nummer eins

Bei Deutschlands größtem Wirtschaftsprüfer überholt die Managementberatung erstmals das klassische Geschäft. PWC-Chef Winkeljohann sieht große Umbrüche für die Prüfer und prophezeit eine Umverteilung von Mensch zur Maschine.

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Wirtschaftsprüfer PWC steigert die Gesamtleistung um zehn Prozent Quelle: dapd

Frankfurt Als Norbert Winkeljohann im Jahr 2010 die Führung von PWC in Deutschland antrat, rief er vollmundig ein ambitioniertes Ziel aus: Mehr als zwei Milliarden Euro Umsatz soll die größte deutsche Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im Jahr 2015 erreichen. Damals kam sie auf 1,3 Milliarden Euro.

Mit etwas Verzögerung hat er dieses Ziel nun erreicht. PWC hat im abgelaufenen Geschäftsjahr 2016/17 (zum 31. Juni) die angepeilte Marke geknackt. Die Gesamtleistung des Marktführers stieg um zehn Prozent auf 2,09 Milliarden Euro. „Das macht mich schon stolz“, sagte Winkeljohann bei der Präsentation der Jahreszahlen am Dienstagabend in Frankfurt.

Ende Juni kommenden Jahres wird er nach zwei vierjährigen Amtszeiten und dem Erreichen der firmeninternen Altersgrenze von 60 Jahren seinen Posten abgeben. Sein Nachfolger wird im Frühjahr 2018 gewählt. Winkeljohann will sich in dem letzten von ihm verantworteten Geschäftsjahr mit weiterem Wachstum verabschieden – bis zu zehn Prozent seien erneut drin, glaubt er.

Das Ziel ist erreichbar, denn PWC kann auf den anhaltenden Boom in der gesamten Beratungsbranche bauen. Der prägte schon das zurückliegende Geschäftsjahr ganz wesentlich. Die Gesamtleistung der Consultingsparte legte um 18 Prozent auf 781 Millionen Euro zu. Bei dieser Kennzahl wird nicht nur der gebuchte Umsatz, sondern auch die bis zum Bilanzstichtag erbrachte Leistung aus weiterlaufenden Projekten eingerechnet.

PWC dürfte damit zu der Spitzengruppe der wachstumsstärksten großen Beratungsfirmen in Deutschland gehören. Konkurrent Deloitte legte im Consulting um 36 Prozent zu, ist aber mit einer Sparten-Gesamtleistung von 440 Millionen Euro kleiner. PWC liegt mittlerweile auf Platz drei hinter den großen unabhängigen Beratungen McKinsey und Boston Consulting, deren Deutschlandumsatz auf deutlich mehr als 800 Millionen Euro geschätzt wird.

In den Zahlen spiegelt sich der Strategiewechsel wider, den PWC im Jahr 2014 eingeleitet hat. Mit Blick auf sinkende Wachstumsraten und Gewinne im klassischen Geschäft mit der Wirtschaftsprüfung haben alle großen Anbieter kräftig in den Ausbau ihrer Beratungseinheiten investiert. PWC holte dabei zum größten Schlag aus und kaufte damals die Strategieberatung Booz, die sich später in Strategy& umbenannte.

Diese Milliarden-Übernahme sei mittlerweile gut verdaut, sagte Winkeljohann. PWC hatte nach der Übernahme rund 40 Prozent des Booz-Umsatzes - damals rund eine Milliarde Dollar - verloren. Das kam für die Prüfer allerdings nicht überraschend: Es war klar, dass sie Beratungsaufträge von Booz bei allen Unternehmen abgeben mussten, deren Jahresabschlüsse sie testieren. In Deutschland war das beispielsweise bei den Energiekonzernen RWE und Eon der Fall.


PWC profitiert von der Positionierung als Komplettanbieter

Drei Jahre nach der Übernahme sei der Umsatzverlust deutlich mehr als ausgeglichen, sagte Winkeljohann. Das jüngste Wachstum von 18 Prozent sei komplett organisch erreicht, unterstrich er. PWC profitiert seiner Einschätzung nach von der Positionierung als Komplettanbieter: Vom Strategie-Entwurf bis zu dessen Umsetzung in die detaillierten Geschäftsprozesse der Kunden will die Firma jede Stufe bei Beratungsprojekten beherrschen. Zuletzt hat PWC ein großes Team vom IT-Consultant Infosys abgeworben, um eine Lücke in der IT-Umsetzung zu schließen.

Beim Konkurrenten Deloitte hatte der Fokus auf Beratung schon 2016 dazu geführt, dass die klassische Abschlussprüfung nur noch Nummer zwei in der Hierarchie der Konzernsparten ist. Auch bei PWC ist nun das Consultinggeschäft die neue Nummer eins. Die Wirtschaftsprüfung erreichte 2016/17 eine Gesamtleistung von 744 Millionen Euro. Der vergleichsweise kleine Zuwachs von 1,7 Prozent schreckt Winkeljohann jedoch nicht. Er führt dies auf das „sehr wettbewerbsintensive Umfeld“ zurück.

Winkeljohann meint damit die beginnende Rotation der Prüfungsmandate deutscher Unternehmen. Sie müssen laut EU-Vorgaben in den nächsten Jahren ihre Wirtschaftsprüfer wechseln. Für die Branche ist das einschneidend: PWC etwa war Jahrzehnte für Firmen wie Bayer und die Commerzbank zuständig, die sich bereits neue Prüfer gesucht haben. Bei anderen langjährigen Kunden wie Volkswagen und den großen Energiekonzernen steht der Wechsel noch bevor.

Im Gegenzug gewinnt PWC neue Mandate: So lassen sich künftig etwa Allianz und Lanxess von dem Unternehmen prüfen. Bei BMW und Henkel sieht sich PWC gut im Rennen – beide Firmen wollen noch dieses Jahr über ihren künftigen Abschlussprüfer entscheiden. Der Höhepunkt des Wechselspiels werde 2020 erreicht, erwartet Winkeljohann, die Ausschreibungen würden aber jetzt starten.

Treiber im PWC-Geschäft bleibt der Einzug des Digitalzeitalters in die Wirtschaft. Die Prüfungsgesellschaft fokussiert sich dabei zum einen stark auf den Schutz ihrer Kunden vor Cyberattacken. Zum anderen entwickelt PWC spezielle Software, etwa eine Digitalplattform für eine deutsche Bank oder ein Steuerungssystem für einen großen Pflege-Dienstleister. Das Unternehmen baut bei solchen Produkten auf dem Wissen auf, dass es bei anderen Kunden durch die Prüfung der Prozesse erworben hat.

Die technologischen Umbrüche treffen aber auch die Arbeit der Prüfer selbst. „Wir müssen bei der Digitalisierung vorangehen, damit wir bei den Kunden punkten können“, sagt Harald Kayser, der in der PWC-Geschäftsführung den digitalen Wandel verantwortet. Deutschlandchef Winkeljohann prognostiziert eine riesige Umverteilung von Mensch zur Maschine: „Die Hälfte der traditionellen Tätigkeiten einer Wirtschaftsprüfung wird in fünf Jahren nicht mehr von Menschen ausgeführt werden“, sagt er.

Dazu zählen vor allem die einfachen Tätigkeiten wie Belegprüfung und Prozessanalyse bei den Kunden. Das könne mit künstlicher Intelligenz bald schneller und besser erledigt werden. Auch in der Steuer- und Rechtsberatung von PWC, die im vergangenen Jahr ihre Gesamtleistung um 2,2 Prozent auf 525 Millionen Euro steigerte, werden zunehmend Robotersysteme die einfachen Tätigkeiten übernehmen.

Winkeljohann will das aber nicht als düstere Prognose für einen Jobabbau verstehen. Für die Steuerung solcher Systeme würde eine große Menge hoch qualifizierter Mitarbeiter gebraucht. Allerdings: Um den jungen Nachwuchs schnell auf dieses hohe Niveau zu bringen, müssen die Wirtschaftsprüfer kräftig investieren. 140 Millionen Euro steckt PWC mittlerweile jährlich in die Aus- und Weiterbildung seiner 2200 Mitarbeiter – also 63.600 Euro pro Kopf.

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