Wie grundverschieden zwei der wichtigsten deutschen TV-Produzenten doch ticken – selten wurde das deutlicher als in jenem Zwiegespräch im November vor fünf Jahren.
Sie produzierten „viele Sendungen für unterschiedliche Zielgruppen“, sagte der eine der beiden. Und der andere hielt direkt dagegen: „Ich höre da schon wieder das Wort Zielgruppe. Wir machen gar nichts für Zielgruppen“, polterte er. Und legte noch nach: „Ich denke nicht darüber nach, für wen ich das mache, sondern nur darüber, was Spaß macht zu gucken.“
Nun wäre dieses Aufeinanderprallen grundverschiedener Haltungen an sich kein Problem, wenn denn Marcus Wolter und Jörg Grabosch wie damals im Gespräch mit dem „SZ Magazin“ ihre konträren Ansichten vom Fernsehmachen weiterhin als Chefs ihrer eigenen Firmen ausleben könnten. Doch so einfach ist das alles nicht mehr: Seit diesem Januar führt ausgerechnet Zielgruppen-Mann Wolter Brainpool, jene Kölner Produktionsfirma, die Spaß-Gucker Grabosch im Verlauf von fast 25 Jahren aufgebaut hat.
Das französische Produktionsunternehmen Banijay hatte den Manager Wolter erst beim Konkurrenten Endemol Shine abgeworben und zu seinem Deutschland-Chef gemacht. Und im zweiten Schritt setzten die Franzosen den früheren Chef des Senders 9Live auch noch als Geschäftsführer bei Brainpool ein – für Grabosch hätte es dicker kaum kommen können.
Aus Sicht von Grabosch dürfte die Personalie seinem Kampf um das eigene Lebenswerk die Krone aufgesetzt haben. Denn seit ausgerechnet sein Star und langjähriger Geschäftspartner Stefan Raab 2015 zunächst die eigene TV-Karriere beendete und schließlich im März 2018 seine Anteile an Brainpool verkaufte, ist bei den Domstädtern einiges ins Wanken geraten. Seitdem tobt der Kampf um die Macht bei Brainpool. Kommenden Mittwoch könnte er zu Ende gehen. Dann verhandelt der 18. Zivilsenat des Kölner Oberlandesgerichts über die Causa Brainpool.

Und dabei geht es nicht um eine beliebige Fernsehbutze. Denn unter den hunderten von Produktionsunternehmen in Deutschland stechen die Kölner allein schon durch ihr besonderes Geschäftsmodell hervor. Statt wie andere ihre Produktionen an Sender zu verkaufen, lizensierte der clevere Grabosch seine Formate. So kann Brainpool nach der Ausstrahlung an der weiteren Verwertung einer Show wie der viele Jahre lang sehr populären Sendung „TV Total“ verdienen. Das gilt etwa für Merchandising, aber auch für Beiprodukte wie DVDs oder Live-Auftritte der TV-Stars. Zeitweise brachte Brainpool sogar ein eigenes Printmagazin als Beiboot zu „TV Total“ heraus.
Zum anderen hat Grabosch seit der ersten Partnerschaft mit TV-Legende Harald Schmidt ein besonderes Partnerschaftsmodell mit seinen Stars etabliert. Mit ihnen zusammen gründet Brainpool eigene Gesellschaften, an denen beide Seiten je 50 Prozent der Anteile halten. Aktuell unterhält Brainpool noch drei solche Joint-Ventures, mit den Fernsehgrößen Anke Engelke, Bastian Pastewka und Luke Mockridge.
Ähnlich lief es lange Zeit auch mit Raab. Für beide Seiten war das ein lukratives Geschäft. Raab war viele Jahre das mit Abstand wichtigste Sendergesicht für ProSieben – und wohl auch das teuerste. Als der Münchner TV-Konzern Raab 2011 mit einem neuen Vertrag für weitere fünf Jahre an sich band, soll das ProSieben nicht offiziell bestätigte 185 Millionen Euro wert gewesen sein. Nicht schlecht für einen gelernten Metzgermeister.
Doch als Raab im Dezember 2015 seinen Abschied vom Bildschirm zelebrierte, hatte das nicht nur Folgen für den Sender. Auch der Umsatz von Brainpool litt. Von 80 Millionen Euro im Jahr 2015 rauschte er im darauffolgenden Jahr runter auf 35 Millionen. Dazu kamen diverse Verhandlungen vor dem Arbeitsgericht, denn zahlreiche Mitarbeiter der zahlreichen Raab-Sendungen standen nun ohne Job da.
Weitere Verwerfungen folgten, als der Moderator dann vor einem Jahr die Anteile, die er an Brainpool hielt, just an Banijay verkaufte. Zusammen mit den Raab-Anteilen von 12,5 Prozent würden die Franzosen nun mit 62,5 Prozent über eine satte Mehrheit auf dem Firmengelände in Köln-Mülheim verfügen. Und dagegen wehrt sich Grabosch seit mehr als einem Jahr. Teils mit Erfolg: Das Kölner Landgericht untersagte Raab im August den Verkauf an Banijay mit der Begründung, er dürfe nichts tun, was Brainpool in Abhängigkeit zu einem Konkurrenzunternehmen bringen könnte und den Interessen eines der Gesellschafter zuwiderlaufe.
Banijay gelang es allerdings, Grabosch und seinen Kollegen Andreas Scheuermann als Geschäftsführer von Brainpool abzuberufen. Seit Januar führt Manager Wolter nun auch Brainpool – was nicht eben zur Lösung des Machtkamps beitragen dürfte, sagen Branchenkenner. Immerhin: Hinter den Kulissen wird offenbar verhandelt. Angeblich gebe es auch ein Interesse an einer Einigung. Ob das zu Ergebnissen führt, ist indes offen. Fest steht allein: Gibt es vorher keine Einigung, treffen sich die beiden Parteien am Mittwoch ab zehn Uhr vor dem 18. Zivilsenat des Kölner Oberlandesgerichts wieder.