Radikale Angriffsstrategie Wie ein chinesischer Zughersteller den Zugverkehr in Europa umkrempelt

Setzt die Westbahn bald auf neue Züge von CRRC? Quelle: PR

CRRC ist fast am Ziel: Der Zughersteller verhandelt derzeit mit der privaten Westbahn über die Lieferung neuer Fernzüge nach Österreich. Damit würden die Chinesen Siemens und Alstom in der Heimat Konkurrenz machen.

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Für die Bürger rund um Salzburg ist die Eisenbahn für Fahrten nach Wien das Verkehrsmittel erster Wahl. Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) pendeln zwei Mal pro Stunde zwischen den Städten. Wer den Staatskonzern meiden will, steigt in die Westbahn ein. Auch die Züge der Privatbahn fahren im Halbstundentakt. Vier Mal pro Stunde fährt also ein Zug, die Preise für eine einfache Fahrt von rund zweieinhalb Stunden liegen bei rund 25 Euro.

So intensiv wie zwischen Salzburg und Wien ist der Wettbewerb auf der Schiene sonst nirgends in Europa. Seit Ende 2011 jagt die Westbahn den ÖBB aggressiv Kunden ab. So vehement, so radikal, ist kein privater Wettbewerber außerhalb Österreichs unterwegs.

Auch in anderer Hinsicht kommt der Westbahn bald eine Sonderrolle zu. Sie könnte dem chinesischen Zughersteller CRRC die Türen nach Europa öffnen. Derzeit verhandelt das Management der Westbahn mit den Chinesen über den Kauf neuer Züge. Sollte der Deal klappen, wäre CRRC bald erstmals mit echten Fernverkehrszügen vor den Toren Deutschlands – und damit droht den Herstellern Siemens, Bombardier und Alstom ein ernsthafter Konkurrent.

Der Fall ist auch in anderer Hinsicht von großer Bedeutung. Die Europäische Kommission hatte der geplanten Fusion zwischen Siemens und Alstom vor nur wenigen Wochen eine Absage erteilt. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hatte dies mit der monopolartigen Stellung bei Hochgeschwindigkeitszügen und der Signaltechnik begründet. „Was Signalanlagen angeht, ist China überhaupt nicht präsent“, sagte sie dem Nachrichtenportal Business Insider. „Chinesische Highspeed-Züge gibt es außerhalb Chinas so gut wie gar nicht“, so Vestager Mitte Februar dieses Jahres.

Doch damals dürfte sie von den Plänen der Westbahn noch nichts gewusst haben. Sollte CRRC bald Züge nach Österreich verkaufen, wäre CRRC jedenfalls eine ernsthafte Alternative. Die Branche beobachtet das Ansinnen der Westbahn daher mit Argusaugen.

Ganz freiwillig breitet die Westbahn den Chinesen den roten Teppich allerdings nicht aus. Das Unternehmen sah sich zu dem Schritt gezwungen, denn richtig gut läuft es nicht bei dem Bahnbetreiber. Das Unternehmen setzt derzeit Züge des Schweizer Herstellers Stadler ein. Die Doppelstockwagen gelten als robust und verlässlich, aber auch als teuer bei Anschaffung und Unterhalt. Die Abschreibungen und Betriebskosten fressen daher die Einnahmen. Seit Jahren kämpfe die Westbahn gegen Verluste, heißt es in der Branche.

Die Chinesen kommen daher wie gerufen. Die Westbahn will zunächst nun 17 Züge aus ihrer aktuellen Flotte verkaufen. Interessiert an den Secondhand-Zügen ist die Deutsche Bahn, die Ersatz für die ganz alten Intercity-Züge dringend nötig hat und derzeit als bevorzugter Partner über den Kauf verhandelt. Die Westbahn will die Züge in zwei Paketen losschlagen. Zunächst will sie noch in diesem Jahr neun Züge verkaufen, die zwei bis drei Jahre alt sind und bis zu 160 km/h schnell fahren. Der Verkauf etwa an die Deutsche Bahn gilt als sehr wahrscheinlich. Spekuliert wird, dass die Westbahn dann ihren Halbstundentakt opfern könnte, weil ihr zunächst Züge fehlen, um den Betrieb in der aktuellen Form aufrecht zu halten.

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