Auch wenn die ersten Reaktionen von den Arbeitnehmervertretern nicht sehr freundlich waren: die Umbaupläne sind nicht überraschend. Wenn man Garnadts Grundsanierung einen Vorwurf machen kann, dann dass sie etwas spät und mit gebremstem Schub kommt. Denn die Umbauten und ihre Richtung hatte schon Ex-Konzernchef Christoph Franz vorgegeben. Vor rund drei Jahren stellte er in der Messe Frankfurt sein Effizienz-Programm Score vor, mit dem er die immer härtere Konkurrenz durch aggressive Billiglinien und die effizienten Golflinien mindern wollte. „Wenn einem die Sachen also heute neu vorkommen, dann weil wir für Reformen so lange brauchen, dass andere in der Zeit bereits ein Sparprogramm weiter sind“, lästert ein Lufthanseat.
Das soll sich bei der Lufthansa verändern
Mit einem ganzen Bündel an Vorhaben will sich die Lufthansa zukunftsfähig machen und sich vor allem gegen die Konkurrenz der europäischen Billigflieger und der mit Staatsgeld gepolsterten Golf-Airlines stemmen. Nach noch nicht einmal drei Monaten im Amt stellte der neue Konzernchef Carsten Spohr am 10. Juli seine Pläne vor. Er setzt demnach auf mehr Billig-Angebote, mehr Luxus und eine effizientere Organisation. Die Pläne im Einzelnen.
Die Lufthansa-Tochter Germanwings hat das Konzept mit den günstigen Flügen vorgegeben, nun sollen weitere folgen: Der Konzern plant eine ganze „Wings-Familie“ mit Billig-Marken zu initiieren, wie Vorstandschef Carsten Spohr beschrieb. Für den Europa-Verkehr soll die Tochter-Gesellschaft Eurowings ab kommenden Frühjahr als zweiter konzerneigener Low-Cost-Anbieter neben Germanwings in Aktion treten. Germanwings bietet schon heute außerhalb der Drehkreuze Frankfurt am Main und München günstige europäische Direktflüge an. Die dafür genutzte Flotte soll bis Frühjahr 2015 auf 60 Flugzeuge angewachsen sein. Eurowings soll dann seine Strecken mit bis zu 27 Flugzeugen bedienen.
Erstmals will der Konzern außerdem auch auf der Langstrecke mit einer Billig-Marke Passagiere locken. Unklar ist Konzernangaben zufolge noch, ob die Lufthansa diese Plattform alleine oder mit einem Partner-Unternehmen aufbaut. Ab Ende 2015 könnten dann schrittweise bis zu sieben Flugzeuge zu Einsatz kommen. Sie sollen Passagiere zu günstigen Preisen in Städte fliegen, die für die Lufthansa-Marke weniger interessant sind, sowie zu beliebten Touristenorte in Übersee, sogenannten „Warmwasserzielen“, wie Spohr sich ausdrückte.
Der Lufthansa-Marke verordnete die Konzernführung ein größeres Maß an Luxus. Lufthansa wolle die erste Fünf-Sterne-Airline der westlichen Hemisphäre werden, versprach Spohr. Vorgesehen seien dazu unter anderem ein besseres Catering in der Business-Klasse, ein verbesserter Premium-Check-In an den großen Flughäfen in Frankfurt am Main und München und ein persönlicher Service an Bord. Insgesamt plane der Konzern eine groß angelegte Qualitätsoffensive.
In technischen Angelegenheiten und im Bereich der Digitalisierung will die Lufthansa ganz vorne dabei sein. Deshalb kündigte Spohr an, sich auf Vorstandsebene persönlich um das Thema Innovationen zu kümmern. Bis 2020 sollen insgesamt 500 Millionen Euro in die Zukunftsarbeit fließen. In Berlin will der Konzern außerdem eine „Innovation Hub“-GmbH gründen, „um näher an die Welt der Start-ups und an die digitale Technologieszene heranzurücken“, wie Spohr erklärte. Daneben solle es seinen „Innovationsfonds“ geben, um gute Ideen schneller voranzubringen.
Was 2012 im Umbauprogramm „Score“ begonnen wurde, soll künftig Alltagsgeschäft bei der Lufthansa werden: Die Idee, kontinuierlich die Profitabilität des Unternehmens zu verbessern, solle über das Ende von „Score“ hinaus „in einen Dauerprozess überführt“ werden, sagte der Lufthansa-Chef. Effizienter soll das Unternehmen den Plänen zufolge auch bei der Entscheidungsfindung werden. „Ich möchte mindestens eine Hierarchieebene herausnehmen“, kündigte Spohr Veränderungen im internen Konzernaufbau an. Ziel sei eine dynamischere und schlankere Organisation der Kranich-Airline.
Dabei braucht die Lufthansa eigentlich längst eine Erweiterung von Score. Denn der Druck durch die Konkurrenz ist eher größer geworden. Das drückte nicht nur den skandinavischen Billigflieger Norwegian im vorigen Jahr ebenso in die roten Zahlen wie viele der lange profitablen Europaflüge der Lufthansa-Tochter Swiss. Auch Germanwings tat sich schwer.
Noch vor zwei Jahren galten die bewusst abseits der Frankfurter Konzernzentral nach Köln gepackten Billigheimer als Zukunftsmodell. Sie flog 40 Prozent günstiger als die klassische Lufthansa.
Doch der Abstand ist inzwischen kaum noch halb so hoch. Denn Germanwings musste in den vergangenen zwei Jahren mit den Lufthansa-Strecken abseits der Drehkreuze Frankfurt und München auf Geheiß der Zentrale viele Extras übernehmen: Loungezugang für Vielflieger, Bonusmeilen, Umsteigeverbindungen zu den Partnern der Lufthansa in der Star Alliance, teure Tarifverträge und natürlich viele Verluststrecken.
Signal an die Belegschaft
Um das wett zu machen, muss Garnadt nun Gas geben. Die ersten Ankündigungen wirken noch nicht sehr radikal.
Sicher, der Gang nach Wien ist ein klares Signal für einen Umbau. Doch das geht erstmal vor allem an die Belegschaft. Und die Botschaft ist eindeutig. Sie lautet: 'Wir zerschlagen die Lufthansa oder Germanwings nicht. Doch wenn ihr und besonders die Piloten nicht auf Privilegien verzichten, dann wachsen künftig eben nur noch die profitablen Teile.' Das ist alles außerhalb der „Konzerntarifvertrag“ genannten Trutzburg lufthanseatischer Arbeitnehmerrechte. Und damit vor allem der Eurowings-Billigverkehr, um den sich offenbar alle Konzerntöchter außerhalb Deutschlands reißen. Nach Wien jedenfalls kommt Eurowings „auf Wunsch und in enger Absprache“, wie es in der offiziellen Mitteilung heißt.
Lufthansa nebst Germanwings hingegen - so die ungeschriebene Fortsetzung – schrumpfen künftig, weil sie frei werdende Stellen bestenfalls in begrenztem Umfang neu besetzen werden.
Dienstleister
Etwas versteckt ist leider noch der zweite Teil der Wien-Botschaft: Die Nachricht an die Konkurrenz, dass Lufthansa um ihren Markt kämpft. Denn Eurowings beginnt in Wien extrem bescheiden mit gerade mal zwei Fliegern am östlichen Rand des Lufthansareiches. Das ist viel zu wenig. Schließlich steht ganz Europa vor einem noch härteren Verdrängungswettbewerb. „In den nächsten zehn Jahren bekommen alle europäischen Airline zusammen weit mehr als 1000 neue Maschinen“, rechnet der Chef einer großen Fluglinie vor.
Doch wer die Mitteilung zum Start genauer liest, entdeckt die nächsten Schritte. Bis Ende 2015 sollen Eurowings auch in der Schweiz und in Belgien fliegen mit lokalem Personal statt teurer Germanwings-er und erst recht ohne Lufthanseaten.
Und auch das dann sicher „auf Wunsch und in enger Absprache“.