Reisen während der Pandemie Wird der Impfausweis bald der neue Reisepass?

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Privilegien für reiche Länder

Die geplanten digitalen Impfausweise sorgen jedoch nicht bei jedem für Zustimmung. Weltweit besitze nicht einmal jeder zweite Mensch ein Smartphone, so Kritiker. Dadurch werde eine Zweiklassengesellschaft geschaffen. Auch habe nicht jeder im gleichen Maße Zugang zu einem Impfstoff. Gloria Guevara, die Chefin des Weltreise- und Tourismusrats sagte vor wenigen Tagen: „Wir sollten niemals eine Impfung verlangen, damit jemand einen Job haben oder reisen darf.“ Das sei ein Weg hin zur Diskriminierung.

Fragen wirft zurzeit auch der große Unterschied zwischen den Impfstoffen selbst auf, wenn es um deren Wirksamkeit geht. Während die von Moderna und Biontech Werte von deutlich über 90 Prozent erreichen, liegt der beim chinesischen Konkurrenten Sinovac nur knapp über 50 Prozent. So verhindert das Mittel offenbar recht zuverlässig schwere und mittlere Verläufe, nicht aber sehr schwache und schwache. Dass Geimpfte das Virus an andere übertragen können, ist hier offenbar wahrscheinlicher als bei den Mitteln von Biontech und Moderna.

Reiche Industrienationen haben sich außerdem 54 Prozent der aussichtsreichsten Impfstoffkandidaten gesichert, obwohl sie nur für 14 Prozent der Weltbevölkerung stehen. Das bedeutet, dass beliebte Tourismusländer wie Kambodscha oder Kenia 2021 wohl weitgehend leer ausgehen werden. Umso wichtiger ist es, dass Touristen keine Viren ins Land schleppen oder diese im Land verteilen.



Die Bundesregierung hatte sich zuletzt zwar gegen Privilegien für geimpfte Personen ausgesprochen. Allerdings ist ihr Einfluss, geht es um den internationalen Tourismus, eher beschränkt. Haben doch andere Regierungen, Hotelketten, Airlines ein Wörtchen mitzureden.

Mehr Airlines wollen nur Geimpfte

Alan Joyce, Chef der australischen Fluglinie Qantas jedenfalls, nimmt kein Blatt vor den Mund. „Als Ire muss ich einfach sagen, wenn ich etwas für richtig halte“, so der in Dublin geborene Manager. Gerade als sich die weltgrößten Fluglinien beim virtuellen Jahresgipfel des Weltluftfahrtverbandes Iata im November gegen allzu strenge Auflagen wie eine Quarantänepflicht ausgesprochen hatten, verkündete er, sein Unternehmen werde bald nur noch gegen das Coronavirus geimpfte Kunden an Bord lassen. „Sobald genug Impfungen verfügbar sind, werden wir unsere Allgemeinen Geschäftsbedingungen entsprechend ändern,“ erklärte er. „Ich glaube, das wird eine normale Sache sein, nach Gesprächen mit meinen Kollegen von anderen Airlines zu urteilen.“

Inzwischen hat Joyce in der Branche reichlich Fürsprecher, wenn auch keinen, der ihm öffentlich beispringt. „Es ist ein guter Ansatz, falls und sobald er umsetzbar ist“, so ein Vorstand einer großen europäischen Fluglinie, der angesichts der harschen Kritik am Qantas-Chef lieber anonym bleiben will. „Allein die Aussicht ohne Immunisierung nur eingeschränkt reisen zu können, dürfte die Impfmüdigkeit senken.“

Auch Lufthansa-Chef Carsten Spohr äußerte sich zuletzt offener gegenüber strikteren Auflagen für Passagiere. „Ich glaube, dass auf bestimmten Strecken in Zukunft jeder Passagier entweder getestet oder geimpft sein wird“, so der Manager. Das gelte besonders für Langstrecken.

Wieder entspannter reisen

Die Stimmung an Bord dürfte das deutlich auflockern. Das zeigt die Erfahrung auf all jenen Flügen, wo die Fluglinien nur Passagiere in die Kabine ließen, die vor Abflug einen negativen Corona-Schnelltest absolviert haben. „Die Stimmung war so entspannt wie früher“, erinnert sich ein Passagier an einen der Lufthansa-Flüge zwischen München und Hamburg, wo die Linie für alle Kunden einen Schnelltest zahlte. „Ganz anders als auf anderen Flügen, wo alle zusammenzucken und nicht selten feindselig blicken, wenn jemand hustet oder niest.“

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In diesem Sommer aber dürften die Impfpässe zumindest auf den wichtigen Routen noch keine allzu große Rolle spielen. „Gerade die jüngeren und besonders reisefreudigen Kunden werden ja nach Lage der Dinge frühestens nach der Hauptreisezeit im Sommer geimpft werden können“, so ein Vorstand einer großen europäischen Fluglinie. „Und auf die zu verzichten, wäre angesichts des ohnehin mauen Geschäfts schwer zu verkraften.“

Dazu fürchtet die Branche, dass es statt einer weltweit einheitlichen Regelung deutliche regionale Unterschiede geben könnte. „Am Ende könnten dann einige Länder bestimmte Vakzine kurzfristig nicht mehr anerkennen und dann dürften Passagiere trotz Impfung nicht mitfliegen“, so ein Vorstand einer großen europäischen Linie. „Das würde mehr schaden als helfen.“

Mehr zum Thema: Corona hat Jahrzehnte des Wachstums im Tourismus abrupt ausradiert. Ausgerechnet das Münchner Familienunternehmen Studiosus zeigt, wie sich die Branche wandeln muss.

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