Reiseziel Katar Unverwässert arabisch statt Las Vegas

Begehrte Klientel - Katar möchte auch der Dank der Fußball-WM zum Urlaubsziel werden Quelle: imago images

Katar will seinen Tourismussektor besonders stark ausbauen. Das rührt nicht nur daher, dass die Ansiedlung von Industrie und Banken länger dauert als erhofft. Es hat auch eine innenpolitische Funktion. Der Erfolg bleibt ungewiss.

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Der Wirtschaftsminister von Katar spricht gern über die Erfolge des Emirats bei der Ansiedlung von Industrie. „Katar konnte seine Stellung sichern als eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt“, sagt seine Hoheit Sheikh Mohammed Bin Hamad Bin Qassim Al-Abdullah Al-Thani. Immerhin, so sein Haus, hätten sich im Jahr 2021 rund 1100 Firmen auf der Halbinsel im Persischen Golf niedergelassen. 

Doch weil in den Gewerbegebieten wie der Free Zone in der Hauptstadt Doha verhältnismäßig wenig los ist, setzt die Monarchie tatsächlich mehr auf ein anderes Wachstumsfeld: den Tourismus. Um das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner wie geplant von 2020 bis 2028 zu verdoppeln, soll das Reisegeschäft weit über dem Durchschnitt der Wirtschaft wachsen, sagt Berthold Trenkel, als COO von Qatar Tourismus operativer Chef der Behörde und oberster Entwickler des Feriengeschäfts. „Wir werden den Anteil am Bruttoinlandsprodukt von heute sechs bis sieben Prozent bis spätestens 2030 auf zwölf Prozent steigern“, so der ehemalige McKinsey-Berater. Damit würde das Emirat mit seinen Gästen pro Jahr statt wie zuletzt knapp zwölf Milliarden Dollar rund 30 Milliarden Dollar einnehmen. 

Weil alle Länder in der Region wachsen wollen, verspricht das Emirat ein einzigartiges Konzept. Als besonderes Markenzeichen will Katar auf das „ursprüngliche, unverwässerte typisch arabische Lebensgefühl“ setzen, so Trenkel und ergänzt im Stillen, man sei genau nicht verwestlicht wie der Nachbar Dubai, der sich teilweise ein bisschen in Richtung Las Vegas entwickelt habe. Er muss es wissen, denn bis Ende 2020 leitete er das Verkehrsbüro des Glitzeremirats. Dazu kommen luxuriöse Einkaufspassagen wie das Place Vendôme mit rund 30 Meter hohen Marmorhallen. „Sie finden in Deutschland nichts Vergleichbares“, verspricht Trenkel.  

Mitten in der Energiekrise treibt Berlin das Land in die Abhängigkeit des Emirs von Katar. Doch der neue Gaslieferant ist mehr als umstritten – nicht nur wegen der Sklavenarbeit für die Fußball-WM.
von Volker ter Haseborg, Sonja Álvarez, Max Haerder, Rüdiger Kiani-Kreß, Cornelius Welp

Hinter dem Fokus auf das Fernweh stecken neben dem wirtschaftlichen Wachstum drei weitere Absichten. Der Reiseboom soll zusätzliche Arbeitsplätze schaffen für die stark wachsende Bevölkerung und besonders Mitglieder des Adels. „Bis 2030 wird sich die Zahl der Jobs in der Reisebranche auf 250.000 verdoppeln“, verspricht der Standortwerber. Gleichzeitig möchte das Emirat durch den Glamour des Tourismus weniger altbacken wirken als das Image, das seine heute dominanten Sektoren Erdgas und der Bauindustrie vermitteln. Und in einem dritten Schritt will sich das Land vom Ferienziel zur Bildungsmetropole und einem Finanzzentrum aufschwingen. 

Katar will Geschäftsreisende und Kongressbesucher anlocken

Als Treiber setzen Trenkel und sein Team auf ein bewährtes Mittel, mit dem schon viele Standorte wie Singapur oder auch Dubai ihre wirtschaftliche Entwicklung vorangetrieben haben: den internationalen Flugverkehr. Die nationale Qatar Airways lockt bereits seit 25 Jahren mit einem weltweiten Netz Passagiere. Zuerst waren es vor allem diejenigen, die günstig und trotzdem komfortabel zwischen Europa oder Afrika und Asien oder Australien nach Asien reisen wollen. Weil sich viele von ihnen zwischen den bis zu gut 17 Stunden langen Reisen erholen möchten, bieten Airline und Verkehrsbüro „Stop-Over-Programme“ genannte Pakete aus meist subventionierten Übernachtungen und Unterhaltungsprogrammen. 

Nun sieht sich Katar vor dem zweiten Schritt. Gibt es dank des Tourismus genug Ziele mit einem oder auch mehreren Flügen am Tag, so die Erfahrung, kommen automatisch Geschäftsreisende sowie Kongressbesucher. Und alle zahlen weit mehr zahlen als die durchschnittliche Hotelrate von derzeit gut 110 Euro pro Nacht. Dafür holte Katar zuletzt bereits bis zu 40 Kongresse im Monat ins Land, darunter Großveranstaltungen wie die Jahrestagung des Weltluftfahrtverbandes Iata. Und am Ende lassen sich reichlich internationale Unternehmen nieder. 

Doch wie erfolgreich das Aufbauprogramm ist, bleibt abzuwarten. „Die WM werden die noch wuppen, aber danach wirken die Annahmen zum Wachstum doch sehr optimistisch“, sagt ein führender deutscher Touristiker. 

Aus seiner Sicht überschätzt Katar zum einen seine Attraktivität. So halten es Experten für fraglich, dass der Tourismus gerade in der Golfregion weiter so stark wächst wie vor der Coronazeit. „Und selbst wenn, bleibt die Frage, ob die Menschen wirklich nach Katar wollen“, so der deutsche Reisemanager. 

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Das größte Manko neben dem extrem heißen Wetter ist aus seiner Sicht das noch etwas blasse Profil von Katar. Trenkel und sein Team vermarkten ihre Wahlheimat sowohl als unverwässert arabisch trotzdem auch modern-luxuriös. Doch beides vermitteln andere Ziele besser. Da ist auf der einen Seite der Oman, der mit seiner eindrucksvollen Natur und seiner Lebensweise Besuchern den traditionellen arabischen Lifestyle bereits sehr überzeugend nahebringt. 

Und beim Thema moderne Metropole mit Luxus setzt Dubai den Maßstab weit über die Golfregion hinaus. Weil der Stadtstaat fast keine Ölvorräte hatte, setzte er bereits ab den Achtzigerjahren auf Tourismus und auf den als Brücke zu einer Rolle als Finanzplatz der Region. Dafür setzte die dortige Herrscherfamilie Al Maktum zuerst auf die eigene Airline Emirates und baute damit alle Bereiche des Feriengeschäfts aus. Nun bietet das Emirat alles von der Mittelklasse bis zum obersten Luxus wie dem selbst ernannten Sieben-Stern-Hotel Burj al Arab, das als wohl einzige Unterkunft Eintritt verlangt. Damit ist Dubai nicht nur besonders vielfältig und beliebt auch und gerade bei den wichtigsten Zielgruppen von Katar wie Familien. Dank der spürbar lockeren Vorschriften bietet das Land eine Art Ventilfunktion für Reisende aus den deutlich strenger islamischen Nachbarländern von Ägypten bis zum Iran an. „Es ist so ziemlich der einzige Ort in der Gegend, wo ich in der Öffentlichkeit ein Tanktop tragen und Bier trinken kann“, sagt eine junge Frau aus Saudi-Arabien. 

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