Rekordzahlen des Billigfliegers Wie Ryanair die Flugbranche blamiert

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Was Ryanair und Wizz Air besser machen

Dazu kommen hausgemachte Gründe. So hat die Linie beim Sparen die Zügel etwas schleifen lassen und leidet unter steigenden Kosten. So sehr sie sich auch für ihre Effizienz lobt: im vergangenen halben Jahr kletterten die Ausgaben pro Passagier um fast fünf Prozent.

Das wäre vielleicht noch gut gegangen, täte sich Easyjet nicht bei den für Fluglinien wichtigsten Einnahmen schwer: den Gebühren für Extras wie aufgegebenes Gepäck, Mahlzeiten oder Sitzreservierungen. Hier erlöst Easyjet trotz aller Anstrengungen immer noch weniger als ein Pfund pro Passagier. Das ist weniger als selbst Lufthansa und Air France schaffen, und erst recht deren Billigtöchter wie Eurowings oder die IAG-Tochter Vueling. Letztere kommen im Schnitt auf bis zu zehn Euro pro Kunde, nicht zuletzt weil sie mehrere Extras wie Sitzreservierungen oder Bordsnacks zu einem fertigen Paket schnüren und mit gut 20 Euro mit einem ordentlichen Rabatt auf die Einzelteile verkaufen.

Europas größte Billigflieger
Platz 10: Jet 2Jet 2 ging aus der 1978 gegründeten Channel Express hervor und nahm im Jahr 2013 ihren Flugbetrieb auf. Sie fliegt vor allem Urlaubsdestinationen am Mittelmeer sowie europäische Hauptstädte an. Der britische Billigflieger mit Sitz in Leeds startete im Juli 1846 Mal, verfügte über 345.414 Sitze und flog 516 Strecken.Quelle: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt; Ranking auf Grundlage der Starts im Juli 2017
Transavia Quelle: REUTERS
 Aer Lingus Quelle: AP
Wizz Air Quelle: AP
Norwegian Air Shuttle Quelle: REUTERS
Flybe Quelle: REUTERS
Eurowings/Germanwings Quelle: dpa

Ganz anders ist die Lage bei den Preisbrecher Ryanair und Wizz. Beide leiden zwar wie Easyjet unter den spürbar niedrigeren Ticketpreisen sowie den Brexit-Wirren. Denn auch für sie sind Großbritannien und allen voran London die wichtigsten Märkte. Trotzdem haben sie im Vergleich zum Vorjahr den Umsatz und vor allem den Gewinn so deutlich gesteigert, dass sie mit einer Umsatzrendite von mehr als 15 Prozent nicht nur fast alle andere Airlines überholen, sondern sogar zu internetbasierten Reisefirmen wie Priceline aufholen.

Grund dafür ist auch rigorose Kostenkostenkontrolle. Hierzu zählen neben teilweise fragwürdigen Arbeitsbedingungen vor allem schlankere Arbeitsweisen, eine schnellere IT und das Anfliegen kleinerer Flughäfen. Diese locken mit niedrigeren Gebühren und weniger teuren Verspätungen. Selbst wenn sie wie Ryanair an größere Flughäfen vom Typ Frankfurt oder Brüssel gehen, agieren die Billiglinien anders als die Wettbewerber. „Wir gehen dahin, wo uns der Airport einen guten Preis macht und wenn die Bedingungen nicht mehr stimmen, gehen wir woanders hin“, so Ryanair-Chef O’Leary. Damit sanken bei den beiden Preisbrechern die Ausgaben pro Passagier um rund drei Prozent.

Wichtiger jedoch ist die für eine Fluglinie ungewöhnliche Arbeitsweise. Ryanair und Wizz sind nur auf den ersten Blick Fluglinien. Tatsächlich arbeiten sie wie Verkaufsplattformen für Dinge rund um die Reise. Hier nimmt etwa Ryanair pro Passagier rund 15 Euro ein. Und weil den Verkäufen anders als bei der Fliegerei wenig zusätzliche Kosten gegenüberstehen, fließt der Ertrag fast komplett in den Gewinn.

Und das Geschäft bauen die Linien nach Kräften aus. Beschränkten sich beide noch vor ein paar Jahren auf den Verkauf kostenpflichtiger Extras wie Koffer werden sie zunehmend zu Vermittlern aller möglichen Bausteine von Hotelübernachtungen und Versicherungen. Dazu denken sich ihre Innovationsabteilungen ständig neue Angebote aus wie den Wizz-Rabatt-Club, wo Kunden nach Voranmeldung in den Genuss zusätzlicher Nachlässe kommen.

Dritter und letzter Grund für das bessere Abschneiden von Ryanair und Wizz ist das Flugnetz. Wizz und Ryanair gehen haben nach der Abstimmung über den Brexit schnell umgesteuert. Statt mehr in England zu wachsen, expandierten sie vermehrt auf dem EU-Kontinent. Dazu setzen sie auf wenig beflogene Routen, die sie dann meist für sich allein haben. Damit vermeiden sie Preiskämpfe und bekommen ihre Maschinen trotz der geringeren Nachfrage voll.

Darum sieht es auch erstmal nicht danach aus, als ob die Erfolgsgeschichte von Ryanair und Wizz bald endet und die etablierten Linien eine Chance bekommen, ihre Preise zu erhöhen. Denn die Preisbrecher können dank ihrer niedrigen Kosten die Marktführer nicht nur bequem unterbieten. Sie haben vermögen dank dem schnellen Umlenken der Flotte auf neue lukrativere Strecken deutlich schneller und länger zu wachsen als die großen Linien wie Easyjet oder Lufthansa an den relativ vollen Großflughäfen.

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