Rekordzahlen des Billigfliegers Wie Ryanair die Flugbranche blamiert

Ryanair schlägt derzeit alle, wie die jüngsten Rekordzahlen zeigen. In der zunehmenden Krise der europäischen Airlines begehen Premiumlinien vom Typ Lufthansa, aber auch Low-Cost-Konkurrent Easyjet entscheidende Fehler.

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gRyanair und Wizzair kommen besser aus der Krise. Quelle: imago images

Müssen die Chefs von Europas etablierten Fluglinien zum Jahresanfang schlechtere Zahlen melden, wälzen sie die Schuld gern auf das Osterfest. Die Logik: Fällt die erste Hauptreisezeit des Jahres noch in den März, sind die Flieger voller, die Ticketpreise höher und die Gewinne im ersten Quartal größer. Liegt das höchste christliche Fest dagegen erst im April, sind die Zahlen halt schlechter.

Daran haben sich in den vergangenen Tagen fast alle großen Fluglinien gehalten: Lufthansa und Air France-KLM genauso wie die IAG genannten Mutter von British Airways und Iberia.

Doch etwas ist in diesem Jahr anders: Auch Manager führender Billigflieger wie Norwegian-Boss Bjorn Kjos und Easyjet-Chefin Carolyn McCall bemühten plötzlich die Oster-Begründung für ihren ungewohnten Gewinneinbruch. Während zwei andere Billigheimer das Thema bei ihrer Bilanzvorstellung als unwichtig einfach übergingen: in der vorigen Woche József Váradi, Chef des ungarischen Ultrageizfliegers Wizz Air, und am Dienstagmorgen Ryanair-Boss Michael O’Leary. Letzterer gab seinen wankenden Wettbewerbern statt dessen einen guten Rat. „Wir haben statt zu klagen einfach nur den Service und unser Angebot verbessert.“

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Nicht nur aus seiner Sicht haben die Probleme der Branche andere Gründe. Selbst wenn Ostern im Schnitt bei einigen Linien bis zu 50 Millionen Euro zusätzlichen Umsatz bringt: Das aktuelle Minus von Lufthansa und Easyjet ist höher.

Denn mehr als der Kalender plagen Airlines wachsende Kosten. So hat der Preis für das Flugbenzin in Europa seit dem vergangenen Sommer um fast zwölf Prozent zulegt – spürbar mehr als im Rest der Welt. Dazu kommt bei den meisten Linien eine gewisse Nachlässigkeit beim Sparen.

Zudem sind die wachsenden Überkapazitäten am europäischen Himmel bereits deutlich spürbar. Die größten Linien Europas haben 200 neue Jets bestellt – aus Angst, im scheinbar endlosen Aufschwung nicht genug neue Maschinen zu bekommen. Dazu wächst das Angebot, weil die neuen Maschinen in der Regel größer sind als die alten und sich auf vielen kleineren Routen kaum profitabel füllen lassen. Voll bekommen die Linien diese Flieger aber häufig nur mit vermehrten Sonderangeboten.

Die größte Überraschung ist die Reaktion auf diese offensichtlichen Probleme. Für bessere Zahlen wollen alle außer Ryanair und Wizz nicht so sehr durch mehr Effizienz sorgen, sondern durch das schon zu normalen Zeiten fast unmögliche: höhere Preise. „Da erwarten wir einen spürbaren Zuwachs“, gaben McCall und IAG-Chef Willie Walsh in seltener Einigkeit den Ton vor.

Das spielt den Billigheimern aus Irland und Ungarn noch in die Hände: Sie wollen statt auf Zuschläge eher auf noch mehr Kampfpreise setzen.

Krise trifft auch Easyjet

Das trifft erstmals auch Easyjet, deren Probleme verdächtig an die Herausforderungen der Marktführer wie Lufthansa erinnern. Die als Nobel-Discounter agierenden Briten haben bislang vor allem geglänzt, weil sie mit fünf bis sechs Prozent pro Jahr nur etwa halb so stark zugelegt haben wie ihre beiden Hauptwettbewerber. Statt neue Strecken aufzubauen, erweiterten sie lieber ihr Angebot auf den bestehenden Routen. Das lockt mehr gut zahlende Geschäftsreisende an Bord.

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Doch das Glück hat sich im vergangenen halben Jahr gedreht. Zum einen hat Easyjet ungewohnt Gas gegeben. Die Linie legte gegenüber dem Vorjahr bei der Kapazität um fast zehn Prozent zu. Damit verdarben sie sich die Preise. Um ihre Flieger zu füllen, mussten sie ihre Tickets im Schnitt um fast zehn Prozent billiger anbieten. Dazu drückten politische Faktoren die Nachfrage: In Frankreich, dem zweitwichtigsten Markt der Linie, war es die Terrorangst. In Großbritannien drückte der angekündigte Austritt des Landes aus der EU den Pfundkurs nach unten. Das machte für viele Urlauber Ferien im Ausland so teuer, dass viele erstmal auf eine Buchung verzichteten.

Was Ryanair und Wizz Air besser machen

Dazu kommen hausgemachte Gründe. So hat die Linie beim Sparen die Zügel etwas schleifen lassen und leidet unter steigenden Kosten. So sehr sie sich auch für ihre Effizienz lobt: im vergangenen halben Jahr kletterten die Ausgaben pro Passagier um fast fünf Prozent.

Das wäre vielleicht noch gut gegangen, täte sich Easyjet nicht bei den für Fluglinien wichtigsten Einnahmen schwer: den Gebühren für Extras wie aufgegebenes Gepäck, Mahlzeiten oder Sitzreservierungen. Hier erlöst Easyjet trotz aller Anstrengungen immer noch weniger als ein Pfund pro Passagier. Das ist weniger als selbst Lufthansa und Air France schaffen, und erst recht deren Billigtöchter wie Eurowings oder die IAG-Tochter Vueling. Letztere kommen im Schnitt auf bis zu zehn Euro pro Kunde, nicht zuletzt weil sie mehrere Extras wie Sitzreservierungen oder Bordsnacks zu einem fertigen Paket schnüren und mit gut 20 Euro mit einem ordentlichen Rabatt auf die Einzelteile verkaufen.

Europas größte Billigflieger
Platz 10: Jet 2Jet 2 ging aus der 1978 gegründeten Channel Express hervor und nahm im Jahr 2013 ihren Flugbetrieb auf. Sie fliegt vor allem Urlaubsdestinationen am Mittelmeer sowie europäische Hauptstädte an. Der britische Billigflieger mit Sitz in Leeds startete im Juli 1846 Mal, verfügte über 345.414 Sitze und flog 516 Strecken.Quelle: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt; Ranking auf Grundlage der Starts im Juli 2017
Transavia Quelle: REUTERS
 Aer Lingus Quelle: AP
Wizz Air Quelle: AP
Norwegian Air Shuttle Quelle: REUTERS
Flybe Quelle: REUTERS
Eurowings/Germanwings Quelle: dpa

Ganz anders ist die Lage bei den Preisbrecher Ryanair und Wizz. Beide leiden zwar wie Easyjet unter den spürbar niedrigeren Ticketpreisen sowie den Brexit-Wirren. Denn auch für sie sind Großbritannien und allen voran London die wichtigsten Märkte. Trotzdem haben sie im Vergleich zum Vorjahr den Umsatz und vor allem den Gewinn so deutlich gesteigert, dass sie mit einer Umsatzrendite von mehr als 15 Prozent nicht nur fast alle andere Airlines überholen, sondern sogar zu internetbasierten Reisefirmen wie Priceline aufholen.

Grund dafür ist auch rigorose Kostenkostenkontrolle. Hierzu zählen neben teilweise fragwürdigen Arbeitsbedingungen vor allem schlankere Arbeitsweisen, eine schnellere IT und das Anfliegen kleinerer Flughäfen. Diese locken mit niedrigeren Gebühren und weniger teuren Verspätungen. Selbst wenn sie wie Ryanair an größere Flughäfen vom Typ Frankfurt oder Brüssel gehen, agieren die Billiglinien anders als die Wettbewerber. „Wir gehen dahin, wo uns der Airport einen guten Preis macht und wenn die Bedingungen nicht mehr stimmen, gehen wir woanders hin“, so Ryanair-Chef O’Leary. Damit sanken bei den beiden Preisbrechern die Ausgaben pro Passagier um rund drei Prozent.

Wichtiger jedoch ist die für eine Fluglinie ungewöhnliche Arbeitsweise. Ryanair und Wizz sind nur auf den ersten Blick Fluglinien. Tatsächlich arbeiten sie wie Verkaufsplattformen für Dinge rund um die Reise. Hier nimmt etwa Ryanair pro Passagier rund 15 Euro ein. Und weil den Verkäufen anders als bei der Fliegerei wenig zusätzliche Kosten gegenüberstehen, fließt der Ertrag fast komplett in den Gewinn.

Und das Geschäft bauen die Linien nach Kräften aus. Beschränkten sich beide noch vor ein paar Jahren auf den Verkauf kostenpflichtiger Extras wie Koffer werden sie zunehmend zu Vermittlern aller möglichen Bausteine von Hotelübernachtungen und Versicherungen. Dazu denken sich ihre Innovationsabteilungen ständig neue Angebote aus wie den Wizz-Rabatt-Club, wo Kunden nach Voranmeldung in den Genuss zusätzlicher Nachlässe kommen.

Dritter und letzter Grund für das bessere Abschneiden von Ryanair und Wizz ist das Flugnetz. Wizz und Ryanair gehen haben nach der Abstimmung über den Brexit schnell umgesteuert. Statt mehr in England zu wachsen, expandierten sie vermehrt auf dem EU-Kontinent. Dazu setzen sie auf wenig beflogene Routen, die sie dann meist für sich allein haben. Damit vermeiden sie Preiskämpfe und bekommen ihre Maschinen trotz der geringeren Nachfrage voll.

Darum sieht es auch erstmal nicht danach aus, als ob die Erfolgsgeschichte von Ryanair und Wizz bald endet und die etablierten Linien eine Chance bekommen, ihre Preise zu erhöhen. Denn die Preisbrecher können dank ihrer niedrigen Kosten die Marktführer nicht nur bequem unterbieten. Sie haben vermögen dank dem schnellen Umlenken der Flotte auf neue lukrativere Strecken deutlich schneller und länger zu wachsen als die großen Linien wie Easyjet oder Lufthansa an den relativ vollen Großflughäfen.

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