Renfe schlägt Deutsche Bahn Spanien exportiert Hochgeschwindigkeit in die ganze Welt

Seite 2/2

Der AVE ist Spaniens Vorzeigeprodukt

Inzwischen fahren jedoch alle AVE-Strecken Gewinn ein, vor allem Madrid-Valencia, wo es kaum noch Flüge gibt und auch die sehr belebte Geschäftsstrecke Madrid-Barcelona. Beteiligt an diesem Erfolg ist auch das spanische Unternehmen Talgo, heute Hauptlieferant der AVE-Züge. Der US-Fonds Trilantic Capital Management LP hat sich auch aus diesem Grund 48 Prozent an dem Designer und Hersteller gesichert - eine geostrategische Investition, weil die hochmodernen und technisch attraktiven Züge schon bald zwischen Medina und Mekka verkehren sollen. Im gemeinsamen Konsortium für dieses milliardenschwere Logistik-Projekt in Saudi Arabien ist auch Renfe.

Wenn die Strecke Medina–Mekka in diesem Jahr wie erwartet endlich in Betrieb genommen wird, bedeutet das für Renfe und Talgo nicht nur einen enormen internationalen Schub, sondern es ändert sich damit auch Spaniens Image in der arabischen Welt. Bisher stand das Land dort vor allem für Tourismus. Große Infrastrukturunternehmen wie Acciona, FCC und ACS haben im Mittleren Osten Metros und Flughäfen gebaut und damit wie auch Renfe gezeigt: Wir können auch Infrastrukturen entwerfen und nicht nur Sonne anbieten.

Renfe wird sparsamer und internationalisiert sich

„Dass wir 2017 den wirklichen Turnaround in die Gewinnzone geschafft haben, liegt auch daran, dass wir die Kosten endlich im Griff haben, beim Güterverkehr konnten wir sie sogar erheblich senken, sodass wir in diesem immer noch defizitären Bereich die Verluste deutlich begrenzt haben“, sagt Renfes Strategiechef García. Fairerweise muss man jedoch auch sagen, dass der spanische Staat, anders als die Deutsche Bahn, als Eigentümer des heimischen Streckennetzes lange gewartet hat, bevor er die Liberalisierung für den Passagier- und Güterverkehr zuließ.

Die Spanier reizten den Spielraum bis zum Ende aus. Aber der neue Transportminister de la Serna hat erkannt, dass Protektionismus nicht mit Fortschritt einher geht und öffnete das Unternehmen für Investoren. Der defizitäre Güterverkehrsbereich steht als eigenständige Gruppe jetzt ausländischen Beteiligungen offen, gerne auch deutschen: „Was den Schienengüterverkehr betrifft, ist Deutschland für uns ein absolutes Vorbild“, sagt García.

Für die Spanier ist das der Bereich, der überhaupt noch nicht modernisiert wurde. 2017 hat Renfe 300 Jobs aus „Renfe Mercancías“, wie der Güterverkehr genannt wird, umstrukturiert. „Dadurch konnten wir die Betriebskosten im ersten Halbjahr 2017 um fünf Prozent senken, so dass sich der Verlust in den ersten sechs Monaten von 23,4 auf 12,5 Millionen Euro reduzierte”, sagt Garcia. Was fehle, seien internationale Allianzen, wie sie bereits mit der Deutschen Bahn in Spanien über Transfesa existieren. Renfe hält an dem Logistikunternehmen 20 und DB 70 Prozent.

Jegliche Modernisierung muss derzeit durch den AVE finanziert werden, wo die Nachfrage inzwischen so groß ist, dass Renfe Nachschubsorgen plagen. „Es fehlen uns Züge“, sagt Garcia. „Im abgelaufenen Jahr haben wir allein im Juni einen neuen Rekord von drei Millionen Reisenden ausgewiesen, das waren fast 200.000 Personen mehr als im Vorjahreszeitraum“. Das Erfolgsrezept der Spanier: „Wir vertrauen auf verschiedene Lieferanten und haben diese optimal kombiniert“, sagt Garcia. Renfe bezieht seine Komponenten und Schienen vor allem aus Frankreich, Spanien und Deutschland. „Die Idee ist, den besten Lieferanten in jeder Sparte zu suchen“, sagt Garcia.

Transportminister de la Serna weiß jedoch auch, wie bedeutsam Marketing ist. Deswegen schuf er „Eva“, der ab nächstem Jahr operierende „intelligente Discount-AVE“. Bei „Eva“ wird es keine Papier-Tickets mehr geben, Wifi im Zug wird noch besser funktionieren und eine biometrische Kontrolle vor dem Einstieg soll das Einchecken vereinfachen. Die Fahrt wird um 25 Prozent billiger sein, weil sie vor allem über Apps abgewickelt wird. De la Serna hat bereits als Bürgermeister von Santander Aufsehen erregt, weil er aus der Hafenstadt eine “smart City” machte, die inzwischen international Referenz für IoT und innovative Verkehrslösungen ist.

Weil der Transportminister weiß, wie wichtig Digitalisierung in seiner Branche ist, hat er in der Nähe von Malaga den „Railway Innovation Hub Spain“ auf den Weg gebracht, bei dem 50 Unternehmen, darunter auch Siemens und 200 Wissenschaftler, am zukünftigen Bahnverkehr forschen sollen. „Da zeigt ein spanischer Politiker endlich mal Weitsicht“, sagt der in Barcelona ansässige Unternehmensberater Ignacio Sánchez-León über de la Serna.

Für die amerikanische Studentin Amalia, die Spanien vor ihrem Besuch vor allem mit Picasso und Sonne verband, hat sich ihr Bild von dem Land nach einem Jahr enorm geändert: „Spanien kann uns Amerikanern durchaus noch einiges in Sachen Logistik und Kundenorientierung beibringen“, glaubt sie.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%