Renfe schlägt Deutsche Bahn Spanien exportiert Hochgeschwindigkeit in die ganze Welt

Spanische Bahn Renfe schlägt Deutsche Bahn Quelle: imago images

Was der ICE der Deutschen Bahn nicht hinbekommt, schaffen die Spanier: Dank Pünktlichkeit, Luxus und Schnelligkeit fährt die spanische Bahn Renfe mit ihrem Hochgeschwindigkeitsnetz erstmals Gewinn ein.

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„Es ist purer Luxus”, schwärmt Amalia Mobley, als sie am Bahnhof Barcelona Sants aus dem Hochgeschwindigkeitszug AVE aussteigt. Auf der Fahrt hat sie an ihrem Dokumentarfilm gearbeitet. Es war ruhig und das Wifi funktionierte einwandfrei. Auch deswegen ist die 21-jährige Amerikanerin während ihres Aufenthaltes in Spanien zum absoluten AVE-Fan geworden. Die in New York lebende Kunststudentin war Zugfahren nicht gewohnt und Hochgeschwindigkeitsverbindungen wie mit dem AVE schon gar nicht: „In Spanien ist Bahnfahren ein Genuss und es ist relativ günstig“, sagt die in Madrid lebende Austauschstudentin.

Der „spanische ICE“ bringt Mobley nicht nur in 2,5 Stunden von der Hauptstadt Madrid für rund 75 Euro nach Barcelona und in 1,5 Stunden für 50 Euro nach Valencia, sondern es riecht dort auch gut, es ist absolut ruhig, sie kann dort wie bei Langstreckenflügen einen Film anschauen und am wichtigsten für sie: „Ich kann sicher sein, dass ich pünktlich ankomme”.

Klar, die Spanier haben andere geografische Bedingungen. Bei einer Bevölkerungsdichte von nur 92 Personen pro Quadratkilometer ist es leichter, auf volle Fahrt aufzudrehen. Zudem hat das Transportministerium von Anfang an klar gemacht: Hochgeschwindigkeit muss auf anderen Gleisen laufen als der normale Schienenverkehr, sonst funktioniert es nicht.

Finanziert hat diesen „Luxus“ natürlich auch die Europäische Union. Aber die Investition hat sich gelohnt, weil die wenig patentfreudigen Spanier es dadurch geschafft haben, Technologie und Freizeit perfekt miteinander zu verbinden und sich in der Industrie als Experten zu positionieren. Der AVE wird inzwischen nicht nur von Geschäftspendlern zwischen Madrid und Barcelona, sondern auch von den jährlich rund 75 Millionen Urlaubern und Erasmusstudenten genutzt, die wie Amalia das 505.970 Quadratkilometer große und sehr gebirgige Land in wenigen Tagen bereisen wollen.

Weil der AVE pünktlich ist und es selbst bei Überfüllung erlaubt, einfach weiterzuarbeiten als wäre er ein Büro, ziehen Geschäftsleute inzwischen die Bahn dem Flugzeug vor. Wer in Valencia lebt und eine Konferenz in Madrid am frühen Morgen hat, kann - anders als in Deutschland - sicher sein, dass er pünktlich ankommt, wenn er den Hochgeschwindigkeitszug wählt.

Dank dem AVE konnte die noch in öffentlicher Hand befindliche spanische Bahn Renfe 2017 erstmals Gewinn einfahren. Mit 34 Millionen Euro Nettogewinn bei einem Umsatz von 2,6 Milliarden Euro kann das zuständige Transportministerium zufrieden sein. Die Schulden des Schienendienstleisters betragen allerdings immer noch 5,1 Milliarden Euro, weswegen in den kommenden Jahren vor allem mit Personalabbau zu rechnen ist. Wie in Deutschland führt das zu einer harten Konfrontation mit den Gewerkschaften. Der seit einem Jahr amtierende Transportminister Iñigo de la Serna will die Arbeitnehmervertreter jedoch à la Macron durch nachhaltige Konzepte überzeugen.

„Dabei hilft uns unsere Erfahrung. Als wir vor 25 Jahren den AVE auf den Weg gebracht haben, geschah das nicht ohne Stolpersteine”, sagt Alberto García, Chef der strategischen Entwicklung von Renfe. Zunächst wählte man die falschen Verbindungen. Bei der ersten Strecke Sevilla–Madrid sollen zudem Briefumschläge mit Bargeld verteilt worden sein. Der damalige spanische Premier Felipe Gónzalez und auch Siemens gerieten unter Korruptionsverdacht, weil es so aussah, als habe der Andalusier González damit für seine in dieser Region starke Partei Stimmen sammeln wollen. Aber es konnte nie etwas nachgewiesen werden. Fakt ist jedoch, dass der Streckenbau dreimal so teuer wurde wie geplant und lange nicht rentabel war.

Der AVE ist Spaniens Vorzeigeprodukt

Inzwischen fahren jedoch alle AVE-Strecken Gewinn ein, vor allem Madrid-Valencia, wo es kaum noch Flüge gibt und auch die sehr belebte Geschäftsstrecke Madrid-Barcelona. Beteiligt an diesem Erfolg ist auch das spanische Unternehmen Talgo, heute Hauptlieferant der AVE-Züge. Der US-Fonds Trilantic Capital Management LP hat sich auch aus diesem Grund 48 Prozent an dem Designer und Hersteller gesichert - eine geostrategische Investition, weil die hochmodernen und technisch attraktiven Züge schon bald zwischen Medina und Mekka verkehren sollen. Im gemeinsamen Konsortium für dieses milliardenschwere Logistik-Projekt in Saudi Arabien ist auch Renfe.

Wenn die Strecke Medina–Mekka in diesem Jahr wie erwartet endlich in Betrieb genommen wird, bedeutet das für Renfe und Talgo nicht nur einen enormen internationalen Schub, sondern es ändert sich damit auch Spaniens Image in der arabischen Welt. Bisher stand das Land dort vor allem für Tourismus. Große Infrastrukturunternehmen wie Acciona, FCC und ACS haben im Mittleren Osten Metros und Flughäfen gebaut und damit wie auch Renfe gezeigt: Wir können auch Infrastrukturen entwerfen und nicht nur Sonne anbieten.

Renfe wird sparsamer und internationalisiert sich

„Dass wir 2017 den wirklichen Turnaround in die Gewinnzone geschafft haben, liegt auch daran, dass wir die Kosten endlich im Griff haben, beim Güterverkehr konnten wir sie sogar erheblich senken, sodass wir in diesem immer noch defizitären Bereich die Verluste deutlich begrenzt haben“, sagt Renfes Strategiechef García. Fairerweise muss man jedoch auch sagen, dass der spanische Staat, anders als die Deutsche Bahn, als Eigentümer des heimischen Streckennetzes lange gewartet hat, bevor er die Liberalisierung für den Passagier- und Güterverkehr zuließ.

Die Spanier reizten den Spielraum bis zum Ende aus. Aber der neue Transportminister de la Serna hat erkannt, dass Protektionismus nicht mit Fortschritt einher geht und öffnete das Unternehmen für Investoren. Der defizitäre Güterverkehrsbereich steht als eigenständige Gruppe jetzt ausländischen Beteiligungen offen, gerne auch deutschen: „Was den Schienengüterverkehr betrifft, ist Deutschland für uns ein absolutes Vorbild“, sagt García.

Für die Spanier ist das der Bereich, der überhaupt noch nicht modernisiert wurde. 2017 hat Renfe 300 Jobs aus „Renfe Mercancías“, wie der Güterverkehr genannt wird, umstrukturiert. „Dadurch konnten wir die Betriebskosten im ersten Halbjahr 2017 um fünf Prozent senken, so dass sich der Verlust in den ersten sechs Monaten von 23,4 auf 12,5 Millionen Euro reduzierte”, sagt Garcia. Was fehle, seien internationale Allianzen, wie sie bereits mit der Deutschen Bahn in Spanien über Transfesa existieren. Renfe hält an dem Logistikunternehmen 20 und DB 70 Prozent.

Jegliche Modernisierung muss derzeit durch den AVE finanziert werden, wo die Nachfrage inzwischen so groß ist, dass Renfe Nachschubsorgen plagen. „Es fehlen uns Züge“, sagt Garcia. „Im abgelaufenen Jahr haben wir allein im Juni einen neuen Rekord von drei Millionen Reisenden ausgewiesen, das waren fast 200.000 Personen mehr als im Vorjahreszeitraum“. Das Erfolgsrezept der Spanier: „Wir vertrauen auf verschiedene Lieferanten und haben diese optimal kombiniert“, sagt Garcia. Renfe bezieht seine Komponenten und Schienen vor allem aus Frankreich, Spanien und Deutschland. „Die Idee ist, den besten Lieferanten in jeder Sparte zu suchen“, sagt Garcia.

Transportminister de la Serna weiß jedoch auch, wie bedeutsam Marketing ist. Deswegen schuf er „Eva“, der ab nächstem Jahr operierende „intelligente Discount-AVE“. Bei „Eva“ wird es keine Papier-Tickets mehr geben, Wifi im Zug wird noch besser funktionieren und eine biometrische Kontrolle vor dem Einstieg soll das Einchecken vereinfachen. Die Fahrt wird um 25 Prozent billiger sein, weil sie vor allem über Apps abgewickelt wird. De la Serna hat bereits als Bürgermeister von Santander Aufsehen erregt, weil er aus der Hafenstadt eine “smart City” machte, die inzwischen international Referenz für IoT und innovative Verkehrslösungen ist.

Weil der Transportminister weiß, wie wichtig Digitalisierung in seiner Branche ist, hat er in der Nähe von Malaga den „Railway Innovation Hub Spain“ auf den Weg gebracht, bei dem 50 Unternehmen, darunter auch Siemens und 200 Wissenschaftler, am zukünftigen Bahnverkehr forschen sollen. „Da zeigt ein spanischer Politiker endlich mal Weitsicht“, sagt der in Barcelona ansässige Unternehmensberater Ignacio Sánchez-León über de la Serna.

Für die amerikanische Studentin Amalia, die Spanien vor ihrem Besuch vor allem mit Picasso und Sonne verband, hat sich ihr Bild von dem Land nach einem Jahr enorm geändert: „Spanien kann uns Amerikanern durchaus noch einiges in Sachen Logistik und Kundenorientierung beibringen“, glaubt sie.

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