Also konzentrierte er sich auf historische Autos: edle Liebhaberstücke der Marken Maserati, Ferrari und Porsche. Das Geschäft mit Ersatzteilen und restaurierten Autos lief so gut, dass er nach dem Abschluss des Studiums – die Aussicht auf einen Job als angestellter Arzt in einer Großklinik hatte ihn erschreckt – umsattelte und lieber sein eigenes Unternehmen gründete. Er nannte es Capricorn, vom italienischen capricorno, zu Deutsch: Steinbock. Das ist sein Sternzeichen.
Hochwertige Ersatzteile für alte Sportwagen wie den Porsche Spyder aus den Sechzigerjahren oder komplette Motoren für den raren Porsche 356 Carrera zum Stückpreis von knapp 120.000 Euro liefert Capricorn heute immer noch. Zudem betreibt Wild Werke in Mönchengladbach und im englischen Basingstoke. Doch die Oldtimerei macht inzwischen nur noch einen kleinen Teil des Geschäfts aus.
Capricorn ist inzwischen durch allerlei Übernahmen in Frankreich, Großbritannien und den USA ein Konglomerat aus mehr als zwei Dutzend Einzelgesellschaften mit einem Umsatz von insgesamt rund 40 Millionen Euro, allesamt geführt von Wild. Die Unternehmensgruppe liefert Spezialteile für Formel-1-Rennställe und die Autoindustrie: Kurbelwellen, Kolben, Motorblöcke oder besonders leichte und hochstabile Bauteile aus Verbundwerkstoffen wie Carbon oder Glasfaser, die in einer Fabrik in Meuspath in unmittelbarer Nähe des Nürburgrings gefertigt werden.
Capricorn genießt in der Autoindustrie einen guten Ruf: „Die arbeiten sauber und schnell“, lobt ein Renault-Manager. 19 Formel-1-Weltmeister, darunter Sebastian Vettel und das Red-Bull-Renault-Team, fuhren in Boliden zum Titel, in denen Teile von Capricorn steckten. Zu den größten Kunden der Düsseldorfer zählen die Rennsportabteilungen der VW-Gruppe, insbesondere Audi, Lamborghini und Porsche.
Das Nürburgring-Desaster
Die legendäre Rennstrecke in der Eifel ist für ihre Eigentümer seit Jahren ein Millionengrab. Die Nürburgring GmbH – sie gehört zu 90 Prozent das Land Rheinland-Pfalz und zu zehn Prozent der Landkreis Ahrweiler – ist seit 2006 bilanziell überschuldet und kann sich nur dank immer neuer Landes-Millionen über Wasser halten. Haupt-Verlustbringer ist die Formel 1, die von 2003 bis 2009 ein Loch von 55 Millionen Euro in die Kasse riss. Für das Rennen 2011 kalkuliert das Land mit einem Minus weiteren 13,5 Millionen Euro. Der Landesrechnungshof geht von höheren Kosten aus.
Um aus den Miesen zu kommen, wollten der damalige Nürburgring-Geschäftsführer Walter Kafitz (SPD) und die damalige SPD-Alleinregierung von Kurt Beck mit dem riesigen Erlebnispark „Nürburgring 2009“ zusätzliche Besucher anlocken. Die Einnahmen sollten die Verluste aus der Formel 1 decken. Der Park besteht aus zwei Bauabschnitten: Die Nürburgring GmbH baute ein Erlebniszentrum mit Rennsportmuseum (Ringwerk), eine Achterbahn, eine überdachte Shoppingmeile (Boulevard) sowie zwei Veranstaltungshallen. Der zweite Abschnitt, entwickelt von Kai Richters Firma Mediinvest, umfasst zwei Hotels mit Personalwohnhaus, einen Ferienpark und das Eifeldorf „Grüne Hölle“, in dem sich eine Disco und diverse Restaurants befinden.
Die Baukosten stiegen von ursprünglich geplanten 215 auf 330 Millionen Euro. Der erste Bauabschnitt sollte zur Hälfte, der zweite komplett privat finanziert werden. Bei der Suche nach Investoren für den ersten Bauabschnitt fielen Land und Nürburgring GmbH auf dubiose Finanzvermittler herein. Die für den zweiten Bauabschnitt zuständige Firma Mediinvest von Kai Richter erhielt 85,5 Millionen Euro von der Rheinland-Pfälzische Gesellschaft für Immobilien und Projektmanagement mbH (RIM). Die ist eine hundertprozentige Tochter der Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB), welche wiederum zu hundert Prozent dem Land gehört. Die MSR wurde später mitsamt der Gebäude von Landesgesellschaften übernommen.
Ab Mai 2010 vergab die Nürburgring GmbH den Betrieb des kompletten Parks inklusive der Rennstrecken an die private Nürburgring Automotive GmbH (NAG), die je zur Hälfte Kai Richters Mediinvest und der Düsseldorfer Lindner-Hotelgruppe gehört. Im Februar 2012 kündigte das Land den Betreibern wegen ausstehender Pachtzahlungen. Die NAG geht juristisch gegen die Kündigung vor. Nach ihrer Sicht der Dinge schuldet das Land den Betreibern noch Geld, diese Forderungen habe man mit der Pacht verrechnet. Streit gibt es um die von den Betreibern angekündigte Entlassung von einem Viertel der Belegschaft. Die EU-Kommission prüft nach mehreren Beschwerden von Konkurrenten, ob das Land bei der Verpachtung an die NAG gegen Vergaberecht verstoßen hat.
Die erhofften Besuchermassen bleiben aus. Die als schnellste der Welt geplante Achterbahn funktioniert bis heute nicht. In der „Grünen Hölle“ ist von Oktober bis März nur ein einziges Restaurant durchgängig geöffnet, der Rest ist die meiste Zeit dicht. Das Land wirft den Betreibern zudem vor, die Gebäude vernachlässigt zu haben. In mehreren Restaurants ist Schimmel aufgetreten. Der Landesrechnungshof schätzt den zusätzlichen Investitionsbedarf des Landes in den nächsten 20 Jahren auf bis zu 420 Millionen Euro.
Wegen ihrer Rolle bei der gescheiterten Privatfinanzierung hat die Staatsanwaltschaft Koblenz im Februar 2012 Anklage wegen Untreue gegen den ehemaligen rheinland-pfälzischen Finanzminister Ingolf Deubel (SPD) erhoben. Auch der frühere Nürburgring-Hauptgeschäftsführer Walter Kafitz und zwei weitere ehemalige Manager der Nürburgring GmbH wurden wegen Untreue angeklagt. Der frühere ISB-Chef und ein RIM-Manager wurden wegen Beihilfe zur Untreue angeklagt. Die Ermittlungen wegen des Verdachts der Untreue gegen Kai Richter dauern an.
Mittlerweile kommen Teile von Capricorn auch in der Medizintechnik zum Einsatz, der Luft- und Raumfahrt sowie im Maschinenbau. 2012 erwirtschaftete Capricorn Composite mit Leichtbauteilen einen Umsatz von rund zehn Millionen Euro sowie einen Überschuss von knapp 40.000 Euro. Capricorn Automotive kam auf einen Gewinn von 203.000 Euro bei einem Umsatz von 2,8 Millionen Euro.
Abgehobene Idee
Wilds zweites Standbein sind Immobilienprojekte, die von Capricorn Development – Bilanzsumme 2011: 25,7 Millionen Euro – betrieben werden. Mit Star-Architekt Renzo Piano baut Capricorn in Düsseldorf ein Plus-Energie-Bürohaus, das mehr Energie gewinnt, als es zum Heizen benötigt. Für E.On Trading baute er in Düsseldorf einen Verwaltungssitz, für den Autozulieferer Pierburg eine Gießerei.
Rund 400 Mitarbeiter, sagt Wild, seien mittlerweile weltweit für ihn tätig – kaum mehr als bei der Nürburgring GmbH mit ihren fast 300 Angestellten. Und an diesen Brocken traut sich einer wie Wild ran?
Es war eine abgehobene Idee, im besten Sinne des Wortes. Im Firmenflieger sprach ihn ein Mitarbeiter auf einen Zeitungsbericht an, wonach der Nürburgring zum Verkauf stehe. Wilds Werk liegt im benachbarten Meuspath, und er wurde hellhörig: „Wenn dein Nachbar verkauft, musst du dich immer drum kümmern.“