Rennstrecke Robertino Wild will mit dem Nürburgring durchstarten

Der Sohn italienischer Eisverkäufer und Chef des unbekannten Düsseldorfer Mittelständlers Capricorn kauft Deutschlands berühmteste Rennstrecke. Kann der 51-jährige Robertino Wild den bankrotten Nürburgring retten?

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Der Herr der Kurven: Unternehmer Wild – vom Autozulieferer und Immobilienentwickler zum Eigentümer des Nürburgrings. Quelle: Robert Poorten für WirtschaftsWoche

Die letzten Minuten seines alten Lebens verbringt Robertino Wild dort, wo er am liebsten ist: am Steuer eines Sportwagens. Er parkt sein grafitgraues Coupé, ein 400 PS starkes Sondermodell des Porsche 911 mit großen Lufteinlässen an der Front und vier Auspuffrohren am Heck, vor dem Hotel Contel in Koblenz. Dann geht er mit eiligen Schritten hinein in die Herberge an der Mosel – und betritt eine völlig neue Welt.

Mit Wucht bricht die geballte öffentliche Aufmerksamkeit über den 51-Jährigen herein, mehr als 50 Journalisten und Kameraleute warten auf ihn – den neuen Herrn des Nürburgrings. Erschöpft von den harten Verhandlungen blickt der Unternehmer aus Düsseldorf ins grelle Scheinwerferlicht. „Es ist alles wie ein Traum“, sagt Wild, ein schlank-sportlicher Typ in Jeans, Sakko und offenem Hemd.

Problembauten am Nürburgring
Freizeit-, Gastronomie- und Hotelkomplex
Ring-Racer
Ring-Werk
Ring-Boulevard
Ring-Arena
Grüne Hölle
Hotels

Robertino wer? Unternehmer was? Wer ist der Mann, der Deutschlands traditionsreichste Autorennstrecke, den seit 2012 bankrotten Nürburgring, zurück in die Erfolgsspur bringen soll? Und: Kann er das überhaupt?

Autos statt Patienten

Einwandererkind, promovierter Mediziner, Gründer, Kunstsammler, Motorsportler, Gastronom: Wilds Lebenslauf hat fast so viele Kurven wie die legendäre Nordschleife, die jetzt seine ist. Für 77 Millionen Euro übernimmt Wild zum 1. Januar 2015 die zwei Rennstrecken Nordschleife und Grand-Prix-Kurs samt angeschlossenem Freizeitpark. Vorausgesetzt, die EU-Kommission stimmt dem Verkauf zu.

Wer den neuen Nürburgring-Eigentümer trifft, spürt im Gespräch immer noch den kleinen Jungen mit italienischen Wurzeln, der kurz nach Weihnachten 1962 in Düsseldorf in eine Familie von Gelatai, also Speiseeisherstellern, aus den Dolomiten hineingeboren wurde. „Ich kaufe mir den Nürburgring. Das klingt für mich wie der Titel eines Kinderbuchs“, erzählt er beim Treffen in Düsseldorf, wo er im Nobelviertel Kaiserswerth aufwuchs. Dort hatte die Mutter 1960 das Eiscafé Lido eröffnet.

Den Deutsch-Italiener schreckt es nicht, dass er nun für die Verwirklichung seines Kindheitstraums sein eigenes Leben auf den Kopf stellen muss. So locker, lässig und ungestört wie bisher wird es nicht mehr zugehen, doch Wild hat schon manche spektakuläre Kurve genommen. Ob als Motorsportler oder als Chef seiner Firma Capricorn, die nur eingefleischte Autospezialisten kennen und in der sich alle Mitarbeiter auf Geheiß des Chefs duzen.

Wie ein millionenschwerer Geschäftsmann sieht Wild nicht aus, als er in sein Hauptquartier im Düsseldorfer Medienhafen bittet, ein stylisches Bürogebäude mit direktem Blick auf Rhein und Landtag. Besucher bittet er, doch unbedingt den naturtrüben Streuobst-Apfelsaft auf dem Konferenztisch zu probieren: „Der ist grandios, schmeckt wie früher.“

Wild wollte mal Humanmediziner werden, Mitte der Achtzigerjahre. Er finanzierte das Studium durch die Restauration und den Handel mit historischen Sportwagen. „Rennmotorräder und Rennautos haben mich schon immer fasziniert. Ich bin autobegeistert seit meinem ersten Bobbycar“, sagt Wild in seiner schwärmerischen Art.

Capricorn genießt einen guten Ruf

Deutschlands sündhaft teure Prestigebauten
Die Elbphilharmonie ist das teuerste Kulturprojekt in Deutschland. Die Kostenexplosion und Bauverzögerung wird ein Fall für die Justiz. Die Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelt, ob Straftaten vorliegen. Laut Abschlussbericht sind eine unfertige Planung, mangelnde Kontrolle vonseiten der Politik und ein Chaos auf der Baustelle schuld am Desaster beim Bau. Die Kosten für den Steuerzahler bei dem Projekt sind von ursprünglich 77 Millionen auf 789 Millionen Euro gestiegen, die Eröffnung wurde von 2010 auf 2017 verschoben. Erstmals nennt der Abschlussbericht, der die Ereignisse bis Ende 2008 untersucht, auch die Namen der Verantwortlichen. Demnach ist die städtische Realisierungsgesellschaft (Rege) mit ihrem Chef Hartmut Wegener für wichtige Fehlentscheidungen verantwortlich. Die politisch Verantwortlichen, allen voran Hamburgs damaliger Bürgermeister Ole von Beust (CDU) und sein Chef der Senatskanzlei Volkmar Schön (CDU), seien dagegen ihrer Aufsichtspflicht nicht gerecht geworden. Aber auch die Architekten Herzog & de Meuron und der Baukonzern Hochtief kommen in dem Bericht nicht gut weg. „Wenn wir konkrete Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat finden würden, würden wir entweder einen Ermittlungsvorgang gegen einen bestimmten namentlich bekannten Beschuldigten oder mehrere einleiten oder wir würden ein Unbekannt-Verfahren einleiten, wenn wir noch nicht wüssten, wer der Beschuldigte ist“, erklärt die Sprecherin Nana Frombach. Quelle: dpa
Deutschlands teuerstes Kulturprojekt, die Hamburger Elbphilharmonie, wird die Steuerzahler laut Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) stolze 789 Millionen Euro kosten - und soll 2017 eröffnet werden. Das Prestigeprojekt würde damit gut zehnmal teurer als 2005 vom damaligen Bürgermeister Ole von Beust (CDU) veranschlagt. Damals war von rund 77 Millionen Euro die Rede. Auf der Baustelle im Hafen herrscht mittlerweile seit rund anderthalb Jahren Stillstand, weil sich die Vertragspartner lange nicht einigen konnten. Erst im März hatte Scholz mit Hochtief einen Vertrag geschlossen, wonach der Essener Baukonzern künftig sämtliche Risiken übernimmt und das Konzerthaus bis Ende Oktober 2016 zum „Globalpauschalfestpreis“ von 575 Millionen Euro zu Ende baut. Nicht berücksichtigt waren dabei jedoch unter anderem die Finanzierungs- und Baukosten für den kommerziellen Teil und die Vorplanungskosten. Nun geht aus dem vertraulichen zweiten Entwurfs des Abschlussberichts des Untersuchungsausschusses hervor, der Spiegel Online vorliegt. Die Schuldigen sollen die Projektkoordination, Bauunternehmer und Architekt, sowie auch der damalige Erster Oberbürgermeister, Ole von Beust, sein. Quelle: REUTERS
Die sogenannte 'Kanzlerbahn', die derzeit zwischen dem Hauptbahnhof, Kanzleramt und dem Brandenburger Tor verkehrt, soll um 92 Millionen Euro teurer werden. Laut Berliner Morgenpost beläuft sich das Gesamtvolumen künftig auf 525 Euro, die das Land und der Bund zahlen müssen. Quelle: dpa
In Schlangen winden sich Hunderte Besucher durch den Saal, bestaunen historische Exponate, erhaschen per Kurzfilm einen Einblick in die Arbeit der Bundestagsabgeordneten. In einem Miniplenarsaal mit originalgetreuen blauen Sesseln lauschen sie einer gespielten Debatte und ergreifen selbst das Wort. Dann geht es durch den unterirdischen Gang ins Reichstagsgebäude, hinauf in die gläserne Kuppel. Zum Abschluss noch ein Imbiss an einem der 16 Bistro-Tische, die die 16 Bundesländer repräsentieren. So soll es aussehen, das Besucher- und Informationszentrum des Bundestages (BIZ). Ursprünglich sollte es 200 Millionen Euro kosten. Im Januar dann lag der anvisierte Preis schon bei 330 Millionen Euro. "Ein Bau für 330 Millionen Euro, das wird nicht kommen", sagte damals Eduard Oswald, CSU-Bundestagsvizepräsident und Vorsitzender der inneren Kommission, gegenüber WirtschaftsWoche. Nun heißt es in einem Bericht der Welt, dass der Bau mit bis zu 500 Millionen Euro zu Buche schlagen werde. das gehe aus einem Bericht der 36-köpfigen "Reformkommission Bau von Großprojekten" der Bundesregierung hervor. Quelle: dpa
Die Stuttgarter waren nicht ohnmächtig: Stuttgart 21 steht für einen politischen Umbruch in Baden-Württemberg und den Einzug neuer Formulierungen in die deutsche Sprache, wie zum Beispiel das Wort „Wutbürger”. Der alte Kopfbahnhof soll zu einem Tunnelbahnhof umgebaut werden. Eine riesige Protestwelle überrollte die baden-württembergische Landeshauptstadt, seit der Abriss des alten Bahnhofs startete. In einer Abstimmung Ende 2011 sprach sich eine Mehrheit der Bevölkerung jedoch für das Projekt aus. Gestritten wird vor allem über die Kosten des Umbaus... Quelle: dpa
Immer wieder wurden die prognostizierten Baukosten nach oben korrigiert. Zwischenzeitlich sprach die Deutsche Bahn von 4,5 Milliarden Euro, mittlerweile hat sie die Zahlen um ganze zwei Milliarden erhöht.. Andere Experten veranschlagen Kosten von bis zu elf Milliarden Euro. Auch der Bundesrechnungshof hat diese Summe bereits vor drei Jahren als viel zu gering bezeichnet. Die DB hatte damals die Einschätzung zurückgewiesen. Inzwischen sind viele Dokumente ans Tageslicht gekommen, die beweisen, dass die Bahn hohe Mehrkosten vorsätzlich verschwiegen hat. Nicht zuletzt die mangelnde Transparenz bezüglich der Gesamtkosten des Projekts hat viele Bürger auf die Straße getrieben. Die ersten Züge werden wohl nicht vor 2022 im unterirdischen Bahnhof einfahren. Quelle: dpa
Eigentlich sollte die Erweiterung des Saarland-Museums und der Modernen Galerie in Saarbrücken ein Prestigeprojekt werden. Allerdings haben sich die veranschlagten Kosten mehr als verdreifacht. Ursprünglich sollte der Bau neun Millionen Euro kosten. Wie tief der Steuerzahler dafür in die Tasche greifen muss, ist noch offen. Bisher steht in bester Lage in Saarbrücken unweit des Staatstheaters ein hässlicher Betonklotz im Rohbau, dem ein Gutachten jetzt zahlreiche Mängel bescheinigt hat. Die Landesregierung will aber auf jeden Fall an dem schon weit vorangeschrittenen Projekt festhalten, obwohl viele vor einer „zweiten Elbphilharmonie“, wenn auch in sehr viel kleinerer Größenordnung, warnen. Quelle: dpa

Also konzentrierte er sich auf historische Autos: edle Liebhaberstücke der Marken Maserati, Ferrari und Porsche. Das Geschäft mit Ersatzteilen und restaurierten Autos lief so gut, dass er nach dem Abschluss des Studiums – die Aussicht auf einen Job als angestellter Arzt in einer Großklinik hatte ihn erschreckt – umsattelte und lieber sein eigenes Unternehmen gründete. Er nannte es Capricorn, vom italienischen capricorno, zu Deutsch: Steinbock. Das ist sein Sternzeichen.

Hochwertige Ersatzteile für alte Sportwagen wie den Porsche Spyder aus den Sechzigerjahren oder komplette Motoren für den raren Porsche 356 Carrera zum Stückpreis von knapp 120.000 Euro liefert Capricorn heute immer noch. Zudem betreibt Wild Werke in Mönchengladbach und im englischen Basingstoke. Doch die Oldtimerei macht inzwischen nur noch einen kleinen Teil des Geschäfts aus.

Capricorn ist inzwischen durch allerlei Übernahmen in Frankreich, Großbritannien und den USA ein Konglomerat aus mehr als zwei Dutzend Einzelgesellschaften mit einem Umsatz von insgesamt rund 40 Millionen Euro, allesamt geführt von Wild. Die Unternehmensgruppe liefert Spezialteile für Formel-1-Rennställe und die Autoindustrie: Kurbelwellen, Kolben, Motorblöcke oder besonders leichte und hochstabile Bauteile aus Verbundwerkstoffen wie Carbon oder Glasfaser, die in einer Fabrik in Meuspath in unmittelbarer Nähe des Nürburgrings gefertigt werden.

Capricorn genießt in der Autoindustrie einen guten Ruf: „Die arbeiten sauber und schnell“, lobt ein Renault-Manager. 19 Formel-1-Weltmeister, darunter Sebastian Vettel und das Red-Bull-Renault-Team, fuhren in Boliden zum Titel, in denen Teile von Capricorn steckten. Zu den größten Kunden der Düsseldorfer zählen die Rennsportabteilungen der VW-Gruppe, insbesondere Audi, Lamborghini und Porsche.

Das Nürburgring-Desaster

Mittlerweile kommen Teile von Capricorn auch in der Medizintechnik zum Einsatz, der Luft- und Raumfahrt sowie im Maschinenbau. 2012 erwirtschaftete Capricorn Composite mit Leichtbauteilen einen Umsatz von rund zehn Millionen Euro sowie einen Überschuss von knapp 40.000 Euro. Capricorn Automotive kam auf einen Gewinn von 203.000 Euro bei einem Umsatz von 2,8 Millionen Euro.

Abgehobene Idee

Wilds zweites Standbein sind Immobilienprojekte, die von Capricorn Development – Bilanzsumme 2011: 25,7 Millionen Euro – betrieben werden. Mit Star-Architekt Renzo Piano baut Capricorn in Düsseldorf ein Plus-Energie-Bürohaus, das mehr Energie gewinnt, als es zum Heizen benötigt. Für E.On Trading baute er in Düsseldorf einen Verwaltungssitz, für den Autozulieferer Pierburg eine Gießerei.

Rund 400 Mitarbeiter, sagt Wild, seien mittlerweile weltweit für ihn tätig – kaum mehr als bei der Nürburgring GmbH mit ihren fast 300 Angestellten. Und an diesen Brocken traut sich einer wie Wild ran?

Es war eine abgehobene Idee, im besten Sinne des Wortes. Im Firmenflieger sprach ihn ein Mitarbeiter auf einen Zeitungsbericht an, wonach der Nürburgring zum Verkauf stehe. Wilds Werk liegt im benachbarten Meuspath, und er wurde hellhörig: „Wenn dein Nachbar verkauft, musst du dich immer drum kümmern.“

Die Finanzierung wird schwierig

Die größten Steuerverschwendungen der Regierung
Deutschland ist Weltmeister im Hopfenexport. Da könnte man meinen, diese Sparte der Landwirtschaft kann auch ohne Subventionen auskommen. Das sieht die Bundesregierung anders: Rund 260.000 Euro zahlt das Landwirtschaftsministerium für die Entwicklung einer automatischen Hopfenernte. Damit kann die Branche in Zukunft ihr Margen erhöhen – zu Lasten der Saisonarbeiter und des Steuerzahlers. Quelle: dpa
Auch der Sportwagenhersteller Porsche springt auf den Trend E-Auto an und arbeitet an einer elektrischen Version des Panamera. Da freut die Bundesregierung sehr – und zahlt Porsche dafür rund 850.000 Euro. Bei einem Gewinn in 2012 von 1,8 Milliarden Euro wohl Peanuts für die Stuttgarter – und umso ärgerlicher für das Gemeinwesen. Und das ist erst der Anfang: Mehr als 22 Millionen Euro Steuergelder fließen in ein E-Auto-Gemeinschaftsprojekt von führenden Industrieunternehmen und Universitäten – auch das ist Porsche mittendrin. Quelle: dpa
Die Deutschen mögen ihren Wein – so sehr, dass sie auch den Winzern unter die Armen greifen. Da Weinberge an manchen Stellen schwer zugänglich sind, geben die Bürger 800.000 Euro für die Entwicklung Roboter-Hubschraubers aus, der eigenständig Pflanzenschutzmittel auf den Reben verteilen soll. Quelle: dpa
Die großen Energieriesen in Deutschland wollen grüner werden – und das nicht nur aus Imagegründen.. Schon allein aus finanziellen Gründen haben die Unternehmen ein Interesse daran, ihre Emissionen zu verringern. Da helfen groß angelegte Forschungsprojekte, etwa an CO2-Filteranlagen für Braunkohlekraftwerke. Ein Glück, das trotz der Milliardenumsätze der Konzerne auch die Bundesregierung ihren finanziellen Beitrag – oder besser, den der Bürger – dazu leisten will: bis 2013 noch gut 4,2 Millionen Euro aus der Staatskasse. Und das für eine etwas saubere Verbrennung eines fossilen Energieträgers. Quelle: dpa
Die Fußball-Fans freuen sich über die Erfolge der deutschen Teams in der Champions League. Gerade Bayern München und Borussia Dortmund begeistern – und das soll auch mit Hilfe von Steuergeldern in Zukunft so bleiben. Denn gerade der BVB ist für die Zukunft gut aufgestellt – mit dem automatisierten Hightech-Trainingsraum Footbonaut. Damit der bald noch besser funktioniert, gibt der Bund rund 572.000 Euro für die Weiterentwicklung des Trainingsroboters aus. Quelle: dpa
Auch der Bau eines neuen Verwaltungsgebäudes für das Bauunternehmen Züblin liegt der Politik an Herzen. Da es als Demonstrationsobjekt für Niedrigstenergie-Gebäude dienen soll, gibt Vater Staat rund 560.000 Euro dazu. Und bevor sich das Säckel wieder schließt, hat sich Züblin – ein Konzern mit Milliardenumsatz – nach den Informationen des Steuerzahlerbundes weitere 600.000 Euro Forschungszuschüsse gesichert. Quelle: dpa
Firmen, die an Energiewende-Projekten arbeiten, profitieren momentan besonders von Subventionen. So gehen etwa 6,4 Millionen Euro an Bxi Innotech, die Brennstoffzellen für Eigenheime entwickelt – und das unternehmerische Risiko federt der Steuerzahler deutlich ab. Quelle: dpa

Gleich nach der Landung trug er seinen Einfall Beat Tschudi vor, dem operativen Chef seiner Immobiliensparte. Die erste Reaktion des Schweizers: „Um Gottes willen!“ Doch nach einem längeren Gespräch kamen beide zu dem Schluss, dass die Verbindung der Erfahrungen im Autogeschäft mit der Projektentwicklung „spannend“ sein könnte. „Also habe ich weitergemacht.“

Alleine konnte Wild das nicht schaffen. Also holte er sich Verstärkung aus der Nachbarschaft: Axel Heinemann, 51, Düsseldorfer und mit seinem Unternehmen GetSpeed ebenfalls im Meuspather Gewerbegebiet ansässig. Heinemann war Partner bei der Beratung Boston Consulting und arbeitete für Pharmaunternehmen. Seit knapp zwei Jahren bietet er mit GetSpeed einen Werkstattservice für Sportwagen am Nürburgring.

Schwierige Mission

Doch Erfahrung, Ideen und Mut reichten nicht aus, um einen mittleren bis hohen zweistelligen Millionenbetrag zusammenzubekommen, der für den Erwerb des Nürburgrings notwendig war. Auch gemeinsam hatten Wild und Heinemann zunächst Schwierigkeiten, an Geld zu kommen. Sogar beim ADAC und dem Finanzinvestor HIG Capital, die ebenfalls am Nürburgring interessiert waren, fragten sie nach, allerdings vergeblich. Nach Informationen der WirtschaftsWoche half am Ende die Deutsche Bank Wild, die Finanzierung zu sichern und HIG auf den letzten Metern des Bieterprozesses zu überholen.

Nun steht Wild vor der größten Herausforderung seines Lebens: den Nürburgring zu einer wirtschaftlichen Veranstaltung zu machen. Eine schwierige Mission, denn die Rennstrecke gleicht einem Minenfeld. Die rheinland-pfälzische Landesregierung versenkte dort unter ihrem früheren Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD) eine halbe Milliarde Euro an Steuergeldern, alleine 330 Millionen Euro davon für ein Business- und Freizeitzentrum. Bei der EU-Kommission läuft ein Beihilfeverfahren, sie muss den Verkauf erst absegnen. Ist der Verkaufsprozess nicht europarechtskonform abgelaufen, könnte die Kommission Beihilfen von Wild zurückfordern. Dann dürfte er vom Kaufvertrag zurücktreten.

Schon wird am Nürburgring diskutiert, ob Capricorn überhaupt wirtschaftlich stabil genug ist, den Ring dauerhaft erfolgreich zu betreiben. Denn die Creditreform-Auskunft zumindest ist verheerend. Capricorn wird von der Auskunftei mit „sehr schwacher Bonität“ bewertet. Zahlungsziele seien nicht eingehalten worden, heißt es dort. Wild führt die schlechte Beurteilung auf eine Umstrukturierung vor drei Jahren zurück. Aktuell habe er keine Probleme. Das Immobiliengeschäft sei allerdings schwankend.

Wunschkandidat der Landesregierung

Die größten Investitionsruinen Deutschlands
Flughafen ZweibrückenNach dem insolventen Nürburgring steht ein weiteres Projekt mit Steuergeld in Rheinland-Pfalz vor dem finanziellen Crash: Der Flughafen Zweibrücken in der Pfalz wird nach Ansicht von Verkehrsminister Roger Lewentz (SPD) Insolvenz anmelden müssen. Er rechne damit, dass die EU-Kommission die Rückzahlung von bis zu 56 Millionen Euro staatlicher Beihilfen fordern werde, sagte Lewentz. Der Flughafen Zweibrücken - wie der verschuldete Airport Frankfurt-Hahn ein früheres Militärgelände - hatte 2012 ein Minus von 4,6 Millionen Euro eingefahren, das er im vergangenen Jahr nach Ministeriumsangaben auf knapp 3 Millionen Euro drückte. Der Flughafen befindet sich zur Hälfte in Hand des Landes und zur Hälfte in kommunaler Hand. Er liegt nur rund 30 Kilometer vom Flughafen Saarbrücken entfernt. Die neuen Flugleitlinien der EU-Kommission verbieten Subventionen für zwei Airports, die weniger als 100 Kilometer auseinanderliegen. Quelle: dpa/dpaweb
Eine Maschine der Lufthansa überquert die Landebahn des Flughafens Leipzig/Halle Quelle: Uwe Schoßig
Freizeitpark am Nürburgring Quelle: dpa
Ein Transrapid TR 09 steht auf der Teststrecke im Emsland Quelle: dpa
Menschen verspeisen Kaffee und Kuchen im Reaktorhauptgebaeude des Kernkraftwerkes Kalkar Quelle: AP
Aussenansicht der Halle des Tropical Islands Resorts Quelle: dpa/dpaweb
Passanten vor dem Dortmunder U-Turm Quelle: PR

Derweil versucht Wild, die Sympathie der Bewohner rund um den Nürburgring zu gewinnen. „Die Menschen in der Eifel haben mich noch nie enttäuscht. Ich habe nicht nur Verantwortung für die unmittelbaren Mitarbeiter der Nürburgring GmbH, sondern auch für die Menschen, die am und vom Nürburgring leben“, sagt der Unternehmer. Er will einen Beirat einrichten, in dem sich Vertreter der Kommunen und der regionalen Wirtschaft einbringen. Außerdem will er auf einer Betriebsversammlung am Montag am Ring ankündigen, nur ganz wenige Mitarbeiter freizustellen: „Wenn wir wachsen wollen, brauchen wir auch die Leute dafür.“

Wohl auch wegen solcher Sätze ist Wild zum Wunschkandidaten der Landesregierung für den Nürburgring geworden – auch wenn das niemand in Mainz offen ausspricht. Offiziell betont die Staatskanzlei stets, sich aus dem Verkaufsverfahren herausgehalten zu haben. Allerdings hatte sie kein Problem damit, dass ihre Beihilferechtsanwältin Martina Maier von der Kanzlei McDermott, Will & Emery die Seiten wechselte und Capricorn bei seinem Angebot beihilferechtlich beriet.

Wenn der Zuschlag vor der EU-Kommission hält, hat Wild hochfliegende Pläne. Die Achterbahn „Ring Racer“ will er an einen Freizeitpark an der Mosel verschenken, das Partydorf „Grüne Hölle“ mit einem Hotel, Restaurants und Disco abreißen. An dieser Stelle soll ein neues Gewerbegebiet ähnlich wie in Meuspath entstehen, wo die Rennteams großer Autohersteller wie Audi und Aston Martin Stützpunkte haben und der Platz allmählich knapp wird. „Rennstrecken ziehen Autos an, und sie ziehen diejenigen an, die Autos bauen“, sagt Wild, der auf die Ansiedlung weiterer Autohersteller und -zulieferer hofft.

Der Junge schafft das

Auch wissenschaftliche Einrichtungen will er an den Ring holen, im Gespräch ist er unter anderem mit der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen und dem Fraunhofer-Institut. Die Formel 1 will Wild am liebsten behalten, aber nicht um jeden Preis: „Das machen wir nur, wenn es sich auch rechnet.“ Dazu will er, so sein Versprechen, in den nächsten fünf Jahren andere Unternehmen motivieren, wenigstens 25 Millionen Euro in den Technologiecluster am Ring zu investieren.

Und wenn er scheitert? Seine Mamma zumindest macht sich keine großen Sorgen. Obwohl 72 Jahre alt, steht Graziella Wild immer noch sieben Tage die Woche im Lido am Kaiserswerther Marktplatz und verkauft Eis für einen Euro die Kugel. „Ja, ja“, sagt sie, dass ihr Robertino eine Rennstrecke gekauft habe, sei schon eine verrückte Sache. „Aber der Junge schafft das schon. Wenn er es sich nicht zutrauen würde, hätte er es nicht gemacht.“

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