
Die letzten Minuten seines alten Lebens verbringt Robertino Wild dort, wo er am liebsten ist: am Steuer eines Sportwagens. Er parkt sein grafitgraues Coupé, ein 400 PS starkes Sondermodell des Porsche 911 mit großen Lufteinlässen an der Front und vier Auspuffrohren am Heck, vor dem Hotel Contel in Koblenz. Dann geht er mit eiligen Schritten hinein in die Herberge an der Mosel – und betritt eine völlig neue Welt.
Mit Wucht bricht die geballte öffentliche Aufmerksamkeit über den 51-Jährigen herein, mehr als 50 Journalisten und Kameraleute warten auf ihn – den neuen Herrn des Nürburgrings. Erschöpft von den harten Verhandlungen blickt der Unternehmer aus Düsseldorf ins grelle Scheinwerferlicht. „Es ist alles wie ein Traum“, sagt Wild, ein schlank-sportlicher Typ in Jeans, Sakko und offenem Hemd.





Robertino wer? Unternehmer was? Wer ist der Mann, der Deutschlands traditionsreichste Autorennstrecke, den seit 2012 bankrotten Nürburgring, zurück in die Erfolgsspur bringen soll? Und: Kann er das überhaupt?
Autos statt Patienten
Einwandererkind, promovierter Mediziner, Gründer, Kunstsammler, Motorsportler, Gastronom: Wilds Lebenslauf hat fast so viele Kurven wie die legendäre Nordschleife, die jetzt seine ist. Für 77 Millionen Euro übernimmt Wild zum 1. Januar 2015 die zwei Rennstrecken Nordschleife und Grand-Prix-Kurs samt angeschlossenem Freizeitpark. Vorausgesetzt, die EU-Kommission stimmt dem Verkauf zu.
Wer den neuen Nürburgring-Eigentümer trifft, spürt im Gespräch immer noch den kleinen Jungen mit italienischen Wurzeln, der kurz nach Weihnachten 1962 in Düsseldorf in eine Familie von Gelatai, also Speiseeisherstellern, aus den Dolomiten hineingeboren wurde. „Ich kaufe mir den Nürburgring. Das klingt für mich wie der Titel eines Kinderbuchs“, erzählt er beim Treffen in Düsseldorf, wo er im Nobelviertel Kaiserswerth aufwuchs. Dort hatte die Mutter 1960 das Eiscafé Lido eröffnet.
Den Deutsch-Italiener schreckt es nicht, dass er nun für die Verwirklichung seines Kindheitstraums sein eigenes Leben auf den Kopf stellen muss. So locker, lässig und ungestört wie bisher wird es nicht mehr zugehen, doch Wild hat schon manche spektakuläre Kurve genommen. Ob als Motorsportler oder als Chef seiner Firma Capricorn, die nur eingefleischte Autospezialisten kennen und in der sich alle Mitarbeiter auf Geheiß des Chefs duzen.
Wie ein millionenschwerer Geschäftsmann sieht Wild nicht aus, als er in sein Hauptquartier im Düsseldorfer Medienhafen bittet, ein stylisches Bürogebäude mit direktem Blick auf Rhein und Landtag. Besucher bittet er, doch unbedingt den naturtrüben Streuobst-Apfelsaft auf dem Konferenztisch zu probieren: „Der ist grandios, schmeckt wie früher.“
Wild wollte mal Humanmediziner werden, Mitte der Achtzigerjahre. Er finanzierte das Studium durch die Restauration und den Handel mit historischen Sportwagen. „Rennmotorräder und Rennautos haben mich schon immer fasziniert. Ich bin autobegeistert seit meinem ersten Bobbycar“, sagt Wild in seiner schwärmerischen Art.