Rennstreckendesaster Nächste Runde im Nürburgring-Skandal

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Kontrollinstanzen versagen

An den Tricksereien gegenüber dem Gläubigerausschuss lässt sich erkennen, wie Lieser und Schmidt arbeiten, wie die Insolvenzverwalter ticken, mit welchen Methoden sie vorgehen. Und wie die Kontrollinstanzen kollektiv versagen.

Die erste Instanz ist der Gläubigerausschuss, der laut Insolvenzordnung dafür zuständig ist, „zu unterstützen und zu überwachen“. Der Gläubigerausschuss wurde allerdings hohem Zeitdruck ausgesetzt und mit fragwürdigen Informationen versorgt. Darüber hinaus stehen Insolvenzverwalter und Sachwalter bei Insolvenzen in Eigenverwaltung (wie im Nürburgring-Fall) laut Insolvenzordnung „unter der Aufsicht des Insolvenzgerichts. Das Gericht kann jederzeit einzelne Auskünfte oder einen Bericht über den Sachstand und die Geschäftsführung von ihm verlangen.“

Doch Jürgen Powolny, Direktor des Amtsgerichts Ahrweiler als zuständigem Insolvenzgericht, will über die Capricorn-Finanzierung offensichtlich den Mantel des Schweigens decken. Nach ersten Anfragen der WirtschaftsWoche zur Finanzierungssicherheit antwortete er im vergangenen Herbst: „Die Details der Finanzierung des Kaufpreises durch die Erwerberin sind nicht Gegenstand der gerichtlichen Prüfung. Dies gilt auch für Abwägungsprozesse bei Verkaufsentscheidungen unter Beteiligung des Gläubigerausschusses. Das Gericht übt seine Aufsicht gemäß § 58 InsO aus und informiert sich in dem gebotenen Umfang über den Verfahrensstand im Veräußerungsprozess. Einzelheiten unterliegen nicht der Veröffentlichung.“

Als die WirtschaftsWoche nun konkrete Fragen zur mittlerweile vorliegenden Finanzierungsbestätigung der Deutschen Bank stellte, blockt Powolny direkt ab: Die erneute Anfrage entspreche inhaltlich weitgehend der vom vergangenen Herbst, die seinerzeit schon „abschließend beantwortet“ worden sei. „Eine weitergehende Auskunft wird nicht erteilt.“ Ob er geprüft hat, was er geprüft hat, wie er seiner Aufsichtspflicht im Falle der Finanzierungsbestätigung nachgekommen ist: Zu alledem will Powolny sich nicht äußern.

Die fatale Langfristwirkung der Ära Beck

Hinter Gläubigerausschuss und Insolvenzgericht steht allerdings in diesem Fall noch eine besonders lange Kette vom Land über die Bundesregierung bis zur EU-Kommission, die 2012 ein Beihilfeverfahren eingeleitet hatte. Grund waren irrsinnige Investitionen von rund einer halben Milliarde Euro des Landes Rheinland-Pfalz als damaligem Hauptgesellschafter der Nürburgring GmbH in der Ära von Kurt Beck (SPD). Er ließ monströse Betonruinen in die Eifel setzen, eine Achterbahn, einen Shopping-Boulevard, Business- und Kongresszentren und manches andere, deren Gewinne eigentlich die Formel-1-Defizite ausgleichen sollten, deren Verluste aber letztlich den Nürburgring in die Insolvenz trieben.

Am 1. Oktober vergangenen Jahres fällte die Kommission eine Entscheidung. Tenor: Fast alle Beihilfen des Landes für den Nürburgring waren illegal, aber der Verkaufsprozess genügte europarechtlichen Anforderungen. Das Verfahren sei offen, transparent, bedingungs- und diskriminierungsfrei gewesen, der Käufer müsse damit nicht für die Beihilfen haften.

Hat die Kommission sorgfältig geprüft? Ja, sagt eine Sprecherin von Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, und zwar „auf Basis der von der deutschen Regierung vollständig gelieferten Informationen“. Ja, sagen auch die Insolvenzverwalter – was zudem ihre Einschätzung der Finanzierungsbestätigung stütze und die Vorwürfe von Nexovation widerlege. Der Sprecher der Pleite-Profis schreibt, die Beurteilung der Finanzierungsbestätigung „wurde nach intensiver Prüfung über mehrere Monate bekanntlich durch die Europäische Kommission bestätigt. Der Kommission lagen dazu auch die Unterlagen vor.“

Doch es gibt Zweifel, einiges deutet darauf hin, dass die Insolvenzverwalter die Kommission mindestens grenzwertig informiert haben. Nach Angaben der Insolvenzverwalter, heißt es da an einer Stelle, sei die Fremdfinanzierung von Capricorn durch eine „geschäftsübliche Finanzierungsbestätigung“ der Deutschen Bank unterlegt worden. An anderer Stelle wird die Stellungnahme zu einer Beschwerde unterlegener Bieter wiedergegeben, dort heißt es, Deutschland mache geltend, dass „die Deutsche Bank ihr Finanzierungsangebot nach einer umfassenden rechtlichen und finanziellen Due Diligence bestätigt und ihre Finanzierungsbestätigung nie aufgehoben habe.“

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