Rennstreckendesaster Nächste Runde im Nürburgring-Skandal

Wegen Ungereimtheiten beim Nürburgring-Verkauf prüft die Staatsanwaltschaft Koblenz Ermittlungen gegen die Insolvenzverwalter Jens Lieser und Thomas Schmidt. Die weisen alle Vorwürfe zurück. Unangenehmen Fragen müssen sich aber auch ihre Berater von KPMG stellen

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Problembauten am Nürburgring
Freizeit-, Gastronomie- und Hotelkomplex
Ring-Racer
Ring-Werk
Ring-Boulevard
Ring-Arena
Grüne Hölle
Hotels

Wenn bei einem Formel-1-Rennen die Startampel auf Grün schaltet und die Boliden losrasen, steht von vornherein fest, wie viele Runden zu fahren sind. Am Ende gibt es einen Sieger, zwei weitere Podiumsplatzierte und jeder Fahrer weiß, auf welcher Position er ins Ziel gekommen ist. Einer ist immer Letzter.

Der Nürburgring, einer der traditionsreichsten F1-Kurse der Welt, entwickelt sich allerdings selbst gerade zum Endlos-Desaster. Wie viele Runden noch gefahren werden ist dabei genauso offen wie die Frage, ob es überhaupt einen Sieger geben wird – und wie viele Verlierer.

Klar ist nur, welches Thema die nächste Runde bestimmt: Die Staatsanwaltschaft Koblenz prüft Ermittlungen gegen Insolvenz-Sachwalter Jens Lieser aus Koblenz und Sanierungsgeschäftsführer Prof. Dr. Dr. Thomas B. Schmidt aus Trier, die den Verkauf des Nürburgrings im vergangenen Jahr mit Unterstützung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG organisiert haben. Das bestätigt der Leitende Oberstaatsanwalt Harald Kruse auf Anfrage der WirtschaftsWoche: Eine Anzeige sei eingegangen, es werde aber noch geprüft, ob gegen das Duo ermittelt wird.

Die größten Investitionsruinen Deutschlands
Flughafen ZweibrückenNach dem insolventen Nürburgring steht ein weiteres Projekt mit Steuergeld in Rheinland-Pfalz vor dem finanziellen Crash: Der Flughafen Zweibrücken in der Pfalz wird nach Ansicht von Verkehrsminister Roger Lewentz (SPD) Insolvenz anmelden müssen. Er rechne damit, dass die EU-Kommission die Rückzahlung von bis zu 56 Millionen Euro staatlicher Beihilfen fordern werde, sagte Lewentz. Der Flughafen Zweibrücken - wie der verschuldete Airport Frankfurt-Hahn ein früheres Militärgelände - hatte 2012 ein Minus von 4,6 Millionen Euro eingefahren, das er im vergangenen Jahr nach Ministeriumsangaben auf knapp 3 Millionen Euro drückte. Der Flughafen befindet sich zur Hälfte in Hand des Landes und zur Hälfte in kommunaler Hand. Er liegt nur rund 30 Kilometer vom Flughafen Saarbrücken entfernt. Die neuen Flugleitlinien der EU-Kommission verbieten Subventionen für zwei Airports, die weniger als 100 Kilometer auseinanderliegen. Quelle: dpa/dpaweb
Eine Maschine der Lufthansa überquert die Landebahn des Flughafens Leipzig/Halle Quelle: Uwe Schoßig
Freizeitpark am Nürburgring Quelle: dpa
Ein Transrapid TR 09 steht auf der Teststrecke im Emsland Quelle: dpa
Menschen verspeisen Kaffee und Kuchen im Reaktorhauptgebaeude des Kernkraftwerkes Kalkar Quelle: AP
Aussenansicht der Halle des Tropical Islands Resorts Quelle: dpa/dpaweb
Passanten vor dem Dortmunder U-Turm Quelle: PR

Das US-Technologieunternehmen Nexovation – einer der unterlegenen Bieter – hatte im Februar Anzeige wegen des Verdachts auf Betrug und Untreue gegen Lieser und Schmidt erstattet. Die beiden weisen die Vorwürfe zurück. Sieger im Verkaufsprozess war ein Bietergespann aus dem Düsseldorfer Automobilzulieferer Capricorn und der Motorsportfirma Getspeed aus Meuspath am Nürburgring. Doch die vor dem Gläubigerausschuss der insolventen Nürburgring GmbH behauptete Transaktionssicherheit des Angebots ist mehr als fraglich.

Zahlungsausfall nach vier Monaten

Capricorn konnte nur vier Monate nach dem Zuschlag bereits die zweite Kaufpreisrate nicht zahlen. Schlimmer noch: Die Pleite-Profis Lieser und Schmidt sollen das Gremium vor der Abstimmung über die Belastbarkeit einer Finanzierungszusage der Deutschen Bank getäuscht haben, so der Vorwurf von Nexovation in der Anzeige. Die Insolvenzverwalter lassen dazu auf Anfrage mitteilen: „Einen angeblichen Täuschungsvorwurf können wir nicht erkennen.“

Doch nicht nur wegen der drohenden Ermittlungen gegen die selbst ernannten „Ring-Sanierer“ wird die Lage am Nürburgring immer brenzliger. Ob das für Juli geplante Formel-1-Rennen auf dem Nürburgring stattfinden wird, steht nach monatelanger Hängepartie mit F1-Chefvermarkter Bernie Ecclestone in den Sternen. Auch das nach dem Abzug von Marek Lieberbergs „Rock am Ring“ gemeinsam mit dem Berliner Konzertveranstalter Deag AG neu initiierte Festival „Der Ring – Grüne Hölle Rock“ droht als Millionenflop zu enden.

Formel 1 und Rockfestival sind in erster Linie Probleme des neuen Haupteigentümers – nach dem Zahlungsausfall von Capricorn hat im Herbst ein Konsortium um den russischen Pharmamagnaten Viktor Charitonin die Anteile übernommen. Der fängt dem Vernehmen nach schon an, sich über den Deal zu wundern. Und auch im Gläubigerausschuss sind Unmut und Verwunderung groß.

Lieser und Schmidt haben viel zu erklären zum Capricorn-Deal. Für offiziell ausgewiesene 77 Millionen Euro Kaufpreis ging der Zuschlag an Capricorn und Getspeed. 15 Millionen davon waren in drei Raten zu je fünf Millionen Euro als Eigenkapitalanteil zu zahlen, weitere 45 Millionen sollen als Closing-Rate fließen, sobald die EU-Kommission den Deal rechtskräftig abgesegnet hat. Sie hatte wegen Investitionen des Hauptgesellschafters Rheinland-Pfalz in Höhe von einer halben Milliarde Euro ein Beihilfeverfahren eingeleitet. Sechs Millionen wurden als pauschales Jahresergebnis 2014 verrechnet, weitere elf Millionen Euro sind gestundet und sollen in Raten abgestottert werden.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%