




Wenn bei einem Formel-1-Rennen die Startampel auf Grün schaltet und die Boliden losrasen, steht von vornherein fest, wie viele Runden zu fahren sind. Am Ende gibt es einen Sieger, zwei weitere Podiumsplatzierte und jeder Fahrer weiß, auf welcher Position er ins Ziel gekommen ist. Einer ist immer Letzter.
Der Nürburgring, einer der traditionsreichsten F1-Kurse der Welt, entwickelt sich allerdings selbst gerade zum Endlos-Desaster. Wie viele Runden noch gefahren werden ist dabei genauso offen wie die Frage, ob es überhaupt einen Sieger geben wird – und wie viele Verlierer.
Klar ist nur, welches Thema die nächste Runde bestimmt: Die Staatsanwaltschaft Koblenz prüft Ermittlungen gegen Insolvenz-Sachwalter Jens Lieser aus Koblenz und Sanierungsgeschäftsführer Prof. Dr. Dr. Thomas B. Schmidt aus Trier, die den Verkauf des Nürburgrings im vergangenen Jahr mit Unterstützung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG organisiert haben. Das bestätigt der Leitende Oberstaatsanwalt Harald Kruse auf Anfrage der WirtschaftsWoche: Eine Anzeige sei eingegangen, es werde aber noch geprüft, ob gegen das Duo ermittelt wird.





Das US-Technologieunternehmen Nexovation – einer der unterlegenen Bieter – hatte im Februar Anzeige wegen des Verdachts auf Betrug und Untreue gegen Lieser und Schmidt erstattet. Die beiden weisen die Vorwürfe zurück. Sieger im Verkaufsprozess war ein Bietergespann aus dem Düsseldorfer Automobilzulieferer Capricorn und der Motorsportfirma Getspeed aus Meuspath am Nürburgring. Doch die vor dem Gläubigerausschuss der insolventen Nürburgring GmbH behauptete Transaktionssicherheit des Angebots ist mehr als fraglich.
Zahlungsausfall nach vier Monaten
Capricorn konnte nur vier Monate nach dem Zuschlag bereits die zweite Kaufpreisrate nicht zahlen. Schlimmer noch: Die Pleite-Profis Lieser und Schmidt sollen das Gremium vor der Abstimmung über die Belastbarkeit einer Finanzierungszusage der Deutschen Bank getäuscht haben, so der Vorwurf von Nexovation in der Anzeige. Die Insolvenzverwalter lassen dazu auf Anfrage mitteilen: „Einen angeblichen Täuschungsvorwurf können wir nicht erkennen.“
Doch nicht nur wegen der drohenden Ermittlungen gegen die selbst ernannten „Ring-Sanierer“ wird die Lage am Nürburgring immer brenzliger. Ob das für Juli geplante Formel-1-Rennen auf dem Nürburgring stattfinden wird, steht nach monatelanger Hängepartie mit F1-Chefvermarkter Bernie Ecclestone in den Sternen. Auch das nach dem Abzug von Marek Lieberbergs „Rock am Ring“ gemeinsam mit dem Berliner Konzertveranstalter Deag AG neu initiierte Festival „Der Ring – Grüne Hölle Rock“ droht als Millionenflop zu enden.
Formel 1 und Rockfestival sind in erster Linie Probleme des neuen Haupteigentümers – nach dem Zahlungsausfall von Capricorn hat im Herbst ein Konsortium um den russischen Pharmamagnaten Viktor Charitonin die Anteile übernommen. Der fängt dem Vernehmen nach schon an, sich über den Deal zu wundern. Und auch im Gläubigerausschuss sind Unmut und Verwunderung groß.
Lieser und Schmidt haben viel zu erklären zum Capricorn-Deal. Für offiziell ausgewiesene 77 Millionen Euro Kaufpreis ging der Zuschlag an Capricorn und Getspeed. 15 Millionen davon waren in drei Raten zu je fünf Millionen Euro als Eigenkapitalanteil zu zahlen, weitere 45 Millionen sollen als Closing-Rate fließen, sobald die EU-Kommission den Deal rechtskräftig abgesegnet hat. Sie hatte wegen Investitionen des Hauptgesellschafters Rheinland-Pfalz in Höhe von einer halben Milliarde Euro ein Beihilfeverfahren eingeleitet. Sechs Millionen wurden als pauschales Jahresergebnis 2014 verrechnet, weitere elf Millionen Euro sind gestundet und sollen in Raten abgestottert werden.