Projekt „Eagle“ nannte Bertram Rickmers den Zukunftsplan für seine Reederei.
So hoch wie ein Adler wollte er fliegen, statt wie so viele andere abzustürzen. Mitten in der Schiffskrise wollte er das Unternehmen an die Börse bringen. Der Börsengang hätte Rickmers frisches Kapital bringen können.
Doch so weit kam es bisher nicht. Statt zu fliegen, steuert Rickmers nun auf den Abgrund zu. Die Verluste häufen sich, das Eigenkapital schrumpfte zuletzt um 26 Prozent. Das Schicksal des 180 Jahre alten Imperiums liegt nun in den Händen von Banken und Anlegern. Auf den Weltmeeren gibt es zu viele Schiffe für zu wenig Waren, und das schon seit acht Jahren. Selbst der Riese Hanjin, die größte Reederei Südkoreas, ist daran zugrunde gegangen. Rickmers dürfte die Krise besonders hart treffen. Die Hamburger vermieten an andere Reeder. Die wollen zuerst ihre eigenen Schiffe füllen und möglichst schnell raus aus ihren Charterverträgen. Wenn sie noch Schiffe mieten, dann nur zu Tiefstpreisen.
Marktanteile der größten 10 Container-Reedereien
Die United Arab Shipping Company (UASC) zählt mit einem Marktanteil von 2,5 Prozent zu den zehn größten Reedereien der Welt.
Quelle: Statista, Stand: 14. März 2017
Die Hongkonger Reederei Orient Overseas Container Line (OOCL) kommt auf einen Marktanteil von 2,8 Prozent.
Auf Platz acht landet die Hamburg Süd Group, die ebenfalls auf einen Marktanteil von (gerundet) 2,8 Prozent kommt.
Auch das chinesische Transportunternehmen - Yang Ming Marine Transport Corporation - gehört zu den größten Container-Reedereien der Welt. Aufgerundet liegt der Marktanteil ebenfalls bei gerundet 2,8 Prozent.
Ein weiteres deutsches Transport- und Logistikunternehmen ist durch die Hapag-Lloyd AG mit Sitz in Hamburg in den Top 10 vertreten. Mit einem Marktanteil von 4,8 Prozent ist Hapag-Lloyd die sechstgrößte Container-Reederei der Welt.
Die Liniendienste der Reederei Evergreen Marine landen mit einem Marktanteil von (gerundet) 4,8 Prozent auf Rang fünf.
Bei einem Marktanteil von rund 8 Prozent ist die chinesische Reederei COSCO die viertgrößte der Welt.
Der Marktanteil des französischen Schifffahrts- und Logistikunternehmens CMA CGM Group liegt bei stolzen 10,3 Prozent.
Noch etwas besser ist es um die Mediterranean Shipping Company (MSC) bestellt, die in Genf sitzt. Bei einem Marktanteil von 14,3 Prozent ist sie zurzeit die zweitgrößte Reederei der Welt.
Die dänischen Containerschiffsreederei A. P. Moller-Maersk landet auf der Spitzenposition. Ihr Marktanteil ist bei 15,9 Prozent unübertroffen.
Hinzu kommt, dass Rickmers vor allem kleine Schiffe mit einer Kapazität von bis zu 4500 Containern zu seiner Flotte zählt. Diese Frachter bringen häufig nur noch 5000 US-Dollar Miete am Tag ein, das deckt kaum die Betriebskosten.
Rickmers Maritime kann Anleihe nicht zurückzahlen
Was das bedeuten könnte, können Anleger nun in Singapur beobachten. Die Rickmers-Tochter Rickmers Maritime hatte sich über eine Anleihe umgerechnet rund 65 Millionen Euro bei Anlegern geliehen, kann die Schulden aber nicht zurückzahlen. Bis zum 31. Oktober müssen Anleger entscheiden, ob sie auf einen Großteil ihrer Forderungen verzichten und ihre Papiere in eine Wandelanleihe tauschen wollen.
Anlegerschützer warnen bereits, dass den Zeichnern der deutschen Anleihe dasselbe Schicksal drohen könnte. 275 Millionen Euro muss die Reederei 2018 zurückzahlen. Die nächste Zinszahlung von 24 Millionen steht im Juni 2017 an.
Viele Anleger glauben offenbar nicht mehr daran, dass Rickmers das stemmen kann: Die Anleihe war an der Börse zuletzt für rund 16 Prozent ihres Nominalwerts zu haben. Von Rickmers heißt es dazu auf Anfrage nur: „Keine Stellungnahme.“ Kommt es zum Ernstfall, könnte Bertram Rickmers die Anleger bitten, ihm einen Teil der Schulden zu erlassen.
Die Allianzen der Reedereien
Der Name der Allianz "CKYHE" setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der Namen der Mitglieder zusammen: Das ist die Cosco Shipping Line aus China, die japanische K-Line, Yang Ming aus Taiwan, die koreanische Hanjin und die taiwanische Reederei Evergreen, fünftgrößte Reederei der Welt.
In der Allianz "2M" haben sich die beiden größten Reedereien der Welt zusammengeschlossen, die dänische Maersk Line und die Schweizer MSC. Damit hat 2M nicht nur die meisten Marktanteile, sondern auch die größten Schiffe. Die Allianz verfügt alleine über 25 Mega-Containerschiffe mit einer Kapazität von mehr als 18.000 Standardcontainern.
Eigentlich wollten die beiden Reedereien gemeinsam mit der drittgrößten Reederei, der französischen CMA CGM, die Mega-Allianz "P3" gründen. Doch die chinesischen Kartellbehörden legten ihr Veto gegen dieses Bündnis ein.
Einer der Partner der Allianz G6 ist Hapag-Lloyd, die größte deutsche Reederei. Sie kooperiert mit den japanischen Reedereien MOL und NYK, der Orient Overseas Container Line (OOCL) aus HongKong, der Hyundai Merchant Marine (HMM) mit Sitz in Südkorea und der singapurischen NOL. Ein Mitglied wird das Netzwerk aber wahrscheinlich bald verlieren: NOL soll vom französischen Konkurrenten CMA CGM übernommen werden. Aus G6 wird dann vielleicht G5.
Nach dem die geplante Mega-Allianz P3 am Widerstand der Chinesen platzte, schuf sich CMA CGM ein neues Netzwerk: Die Franzosen, drittgrößte Reederei der Welt, kooperiert mit China Shipping (CSCL) und der arabischen Reederei United Arab Shipping Agency Company (UASC). Gemeinsam besitzen die Reedereien aktuell sieben Mega-Schiffe, sieben weitere sind geordert. Auch die Schiffe der singapurischen NOL will CMA CGM nach der Übernahme in die Allianz integrieren.
Das Ansehen des stolzen Reeders hat in der Krise gelitten, die Stimmung unter den Mitarbeitern ist schlecht. Der Eigentümer selbst allerdings genehmigt sich eine Pension auf Firmenkosten und streicht zusätzlich 0,6 Prozent vom Umsatz als Lizenzgebühren für Unternehmenslogo und Namensrechte ein. Im vergangenen Jahr dürften es mehr als 3,5 Millionen Euro gewesen sein. Die Ratingagentur Creditreform wertet das als „indirekte Ausschüttung“.
Fusion mit Firma des Bruders platzte
Auf familiäre Unterstützung kann Bertram Rickmers aktuell nicht mehr zählen. Die angedachte Fusion mit der Firma seines jüngeren Bruders Erck platzte. Die beiden Brüder gelten als ungleiches Paar. 1992 gründeten sie zusammen das Fondshaus Nordcapital, doch das ging nicht lange gut. „Damals“, erzählte Erck später in einem Interview, „wollte es jeder dem anderen zeigen.“ Auch zuletzt konnten die Brüder ihre Konflikte nicht überwinden, sagen Hamburger, die beide kennen.
Die beliebtesten Flaggen der deutschen Reeder
Etwa 3200 Schiffe umfasst die deutsche Handelsflotte. Davon fahren rund 1025 Schiffe mit der Flagge Liberias. Das Land an der Elfenbeinküste fordert mindestens eine 16-köpfige Besetzung. An einem Schiff mit deutscher Flagge müssen mindestens 19 Seeleute an Bord sein.
950 der in Deutschland registrierten Handelsschiffe fahren unter der Flagge des karibischen Inselstaats Antigua und Barbuda.
Mit 370 Schiffen nimmt die deutsche Flagge nach den Daten des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie immerhin den dritten Platz der beliebtesten Flaggen ein. Doch nur 200 der Schiffe fahren nach Angaben des Verbands deutscher Reeder auch in internationalen Gewässern.
Der Inselstaat Malta ist die beliebteste europäische Flagge bei deutschen Reedern. 184 Schiffe fahren mit dem weiß-roten Banner.
171 Schiffe fahren unter der Flagge der Marshallinseln, die im pazifischen Ozean liegen.
Auch Zyperns Flagge ist bei den Reedereien beliebt: 134 Schiffe fahren unter der Flagge, die die Konturen des Staates zeigt.
Die restlichen 410 der in Deutschland registrierten Handelsschiffe fahren unter anderen Flaggen.
Nun liegt das Schicksal von Rickmers in den Händen der Banken, die der Reederei über 1,4 Milliarden Euro geliehen haben. 545 Millionen Euro davon müsste Rickmers binnen eines Jahres zurückzahlen, falls die Kreditinstitute der Reederei keinen Aufschub gewähren. Doch viele Schiffsbanken haben wegen der Schiffskrise selbst große Probleme. Auch ihre Unterstützung ist dem Reeder nicht sicher. „Da würde ich freiwillig keinen Euro investieren“, sagt ein hochrangiger Landesbanker.
Der Adler fliegt vielleicht nie wieder.