Rickmers Die schlimmste Krise

Die nächste Reederei braucht einen Notfallplan: Bertram Rickmers gibt seine Reederei in die Hände der Banken, Anleger müssen um ihr Geld fürchten. Wie konnte es dazu kommen? Eine Geschichte über Größenwahn, falsche Hoffnungen und den Panama-Kanal.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Quelle: dpa Picture-Alliance

So schlimm war es noch nie zuvor, sagte Bertram Rickmers im Januar. Weder nach dem ersten Weltkrieg, noch nach dem zweiten Weltkrieg, nie habe die Branche so gelitten. Seit beinahe einem Jahrzehnt hält der Notstand in der Schifffahrt nun schon an. Es gibt zu viele Schiffe, zu wenig Ware, zu niedrige Preise. "Eine Krise wie diese", sagt Rickmers, "gab es in der Schifffahrt zuletzt nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71."

Bertram Rickmers muss es wissen, seine Familie ist eine der ältesten Schifffahrtsdynastien Deutschlands. Und nie stand es um ihr Imperium so schlecht. Das ist wohl das Merkmal, dass diese Krise wirklich von früheren unterscheidet: Rickmers selbst steckt mitten drin. Seine Reederei schreibt seit Jahren Verluste, die Situation spitzt sich immer weiter zu. So sehr, dass Bertram Rickmers nun offenbar die Mehrheit seiner Reederei abtreten muss, um den Untergang abzuwenden.

Rickmers hat einen Sanierungsplan vorgelegt. Demnach will der Unternehmenschef seine Reederei in die Hände der Banken geben. 75,1 Prozent seiner Anteile sollen an seine Gläubiger gehen. Außerdem schießt Bertram Rickmers mehrere Millionen Euro aus seinem Privatvermögen zu, um die Reederei zu retten.

Marktanteile der größten 10 Container-Reedereien

Ob die Maßnahmen ausreichen, ist noch unklar. So müssen die Anleger, die Rickmers im Rahmen einer Mittelstandsanleihe 275 Millionen Euro geliehen haben, dem Plan erst noch zustimmen. Das gilt auch für die Banken, allen voran die HSH Nordbank als größtem Gläubiger. "Die Grundsatzfragen sind geklärt", versicherte ein Rickmers-Sprecher.

Doch die Gläubiger machen Druck. Um zu retten, was zu retten ist, müssen die stolzen Hanseaten einen Teil ihrer Macht abgeben. Die Gründe dafür muss die Branche bei sich selbst suchen: Größenwahn, falsche Hoffnungen und die falschen Schiffe haben sie in die Misere getrieben.

Wer verstehen will, wie Rickmers und so viele andere in diese Zwangslage geriet, muss beinahe ein Jahrzehnt zurückgehen, noch vor die Zeit der Wirtschaftskrise. Die Weltwirtschaft wuchs, und mit ihr die Reeder. Für die vielen Waren orderten die Unternehmen immer mehr Schiffe - vor allem in Deutschland.

Die Regierung machte es den Schifffahrtsunternehmen besonders einfach, die Reeder konnten ihren Expansionsdrang mit Hilfe von Privatanlegern finanzieren, die sich an den Schiffen beteiligten. Doch der Plan ging nie auf, die Wirtschaft brach ein. Heute gibt es zu viele Schiffe auf den Meeren. Und die Frachtraten, die Preise für den Transport, sind seit Jahren auf Tiefststand.

Vor allem Schiffsvermieter wie Rickmers leiden darunter. Das Geschäftsmodell der Reederei besteht schließlich daraus, Schiffe zu kaufen und diese dann samt Mannschaft an Linien-Reedereien zu vermieten. Doch wenn die Linien-Reeder ihre eigenen Schiffe kaum mit Ladung füllen können, wieso sollten sie Schiffe anmieten?

Die angeschlagene Großreederei Rickmers will ihre 275 Millionen Euro schwere Anleihe restrukturieren, berichtet die WirtschaftsWoche. Die Anleihegläubiger müssen mit Einschnitten rechnen.
von Jacqueline Goebel, Saskia Littmann, Henryk Hielscher

Bertram Rickmers wollte einen anderen Weg gehen als seine Konkurrenten, um aus dieser Krise herauszufinden. Während die sich bei den Banken und hinter verschlossenen Türen in noblen Clubs über ihre Misslage beklagten, suchte Rickmers die Öffentlichkeit. Er wollte mit Hilfe von Privatanlegern nicht nur seine Schiffe, sondern gleich auch sein Unternehmen finanzieren. Projekt Adler hieß der Plan, Rickmers sprach sogar von einem Börsengang. Doch erst gab das Unternehmen eine Anleihe heraus. Mit dem Versprechen von 8,875 Prozent Zinsen köderte die Reederei die Anleger, insgesamt lieh sich Rickmers 275 Millionen Euro.

Nun muss das Unternehmen jedes Jahr 25 Millionen Euro ausschütten, das nächste mal am 11. Juni. Das Geld soll fließen - aber nur, wenn die Anleihen-Eigner Rickmers Sanierungsplan zustimmen. Demnach müssen sie bis zum Zeitpunkt der Zinszahlung der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters zustimmen. Selbst wenn das passiert, ist unklar, wie viel Geld die Anleger am Ende der Laufzeit der Anleihe im Juni 2018 zurückbekommen können.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%