Roland Berger Der riskante Neustart der Beratungs-Ikone

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Gemeinsam geht es besser

Bei so viel Zukunftsbegeisterung ist es kein Wunder, dass der Chefberater voll auf Digitalisierung setzt, bei Kunden und beim eigenen Angebot. Dazu will er Allianzen knüpfen. Das soll modern wirken, hat allerdings auch den Vorteil, dass Roland Berger das Geld spart, das notwendig wäre, um die notwendigen Kompetenzen selbst aufzubauen. Beispielhaft dafür soll die von Bouée ins Leben gerufene Plattform Terra Numerata stehen. Auf der sollen sich Investoren, Technologieanbieter und andere Akteure der digitalen Welt für gemeinsame Innovationsprojekte zusammenschließen. „Dabei lernt man, Kontrolle abzugeben und auch zu akzeptieren, dass ein Projekt nicht genauso funktioniert, wie man es sich vorgestellt hat“, sagt Bouée.

Tatsächlich blieb eine angekündigte Allianz mit der deutschen Start-up-Fabrik Rocket Internet in der Planungsphase stecken. Stattdessen hat Roland Berger sich kürzlich mit dem französischen Inkubator Numa zusammengetan. Mit dem gemeinsamen Angebot können große Unternehmen selbst Start-ups auf den Weg bringen, finanzieren und bei Erfolg ganz übernehmen. Das Projekt soll ganz erfolgreich angelaufen sein. Auch mit dem Kreditkartenanbieter Visa gibt es eine Zusammenarbeit.

Gleichzeitig soll sich die Beratung verstärkt auf ihre Ursprünge konzentrieren, die Sanierung bekommt wieder mehr Gewicht. Dass es bei deutschen Unternehmen derzeit gut läuft, soll die Sparte nicht bremsen. „Es geht längst nicht mehr nur um die reine Kostensenkung, es wird immer wichtiger, die Gesamtleistung eines Unternehmens zu verbessern“, sagt Deutschlandchef Schaible.

Dass Roland Berger im Auftrag der Bundesregierung die Zusammenarbeit zwischen Gerichten und Behörden in der Flüchtlingskrise verbessern soll, gilt als Erfolg, auch wenn Konkurrent McKinsey das größere Projekt gewonnen hat. „Unser Kerngeschäft bleibt die klassische Beratung. Allianzen und die digitale Technik helfen uns, die Expertise besser zu nutzen“, sagt Bouée.

2015 ist die Beratung erstmals seit Beginn der internen Unruhen wieder gewachsen, einige Partner, die sie in der Krise verlassen hatten, sind zurückgekehrt. „In diesem Jahr werden wir weltweit rund 500 neue Mitarbeiter einstellen und fünf bis zehn Prozent zulegen“, sagt Deutschlandchef Schaible. Das wäre in etwa so viel wie der Gesamtmarkt. Roland Berger fällt also nicht noch weiter zurück, gewinnt aber auch kein verlorenes Terrain wieder.

So steht der Beweis noch aus, dass die Beratung auf Dauer allein lebensfähig ist. Harvard-Professor Clayton Christensen hält eine Konsolidierung für unausweichlich. Während kleinere Spezialisten mit Nischenangeboten punkten könnten, profilierten sich die Großen mit globaler Präsenz und Expertise bei Großprojekten. Die Mitte, in der sich auch Roland Berger bewegt, hat es in diesem Modell schwer. Wettbewerb und Kostendruck könnten sie mittelfristig doch dazu zwingen, sich in die Arme eines größeren Partners zu flüchten.

Bouée hält dagegen. „Jeder redet davon, wie wichtig es ist, agil und flexibel zu sein. Tatsächlich scheinen die meisten Unternehmen aber weiter nach Größe zu streben, wollen Godzilla werden.“ Er will beweisen, dass es anders geht. Mit Büros in 36 Ländern sei die Beratung global ausreichend vertreten. „Wir nehmen nicht die befahrenste Straße, sondern haben einen eigenen Weg für uns gesucht. Und gefunden.“ Dann verabschiedet er sich mit kräftigem Händedruck.

Wenige Minuten später steht er draußen auf der Straße, er schaut nach rechts, nach links, geht einen Schritt vor und wieder zurück, zückt sein Smartphone, er weiß nicht so genau, wo er hin soll, aber dabei sieht er nicht ratlos, sondern sehr entschlossen aus.

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