RTL International Direkter Draht zum Zuschauer gesucht

Fernsehkonzerne fahnden nach neuen Erlösquellen. Darum startet RTL jetzt seinen eigenen Auslandssender RTL International – und man wundert sich über das Gewese, das deswegen gerade stattfindet. Ein Kommentar.

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RTL startet einen eigenen Auslands-Ableger. Quelle: dpa

Fast elf Jahre nach dem Start von ProSiebenSat.1 Welt ist nun auch die Mediengruppe RTL Deutschland auf den Trichter gekommen: Sie startet einen eigenen Sender, der sich vorwiegend an im Ausland lebende Deutsche richtet. Der Kanal startet am Montag in einer zunächst überschaubaren Zahl von Ländern, heißt schlicht „RTL International“ – und man wundert sich über das Gewese, das deswegen gerade stattfindet.

Denn tatsächlich ist RTL vor allem eins: spät dran. Die Konkurrenz aus München schickte ihr Angebot mit dem reichlich sperrigen Namen ProSieben Sat.1 Welt schließlich schon seit einer ganzen Weile um dieselbe. Allerdings strichen die Bayern ihr Angebot auch schon wieder zusammen: Die bezahlte App-Version, die der TV-Konzern seit anderthalb Jahren außerhalb der USA in 17 Ländern verbreitete, ist seit einigen Wochen schon wieder Geschichte.

Die Quotenhits des Stefan Raab
Am Sonntag wollte es Stefan Raab mal wieder wissen. Und diesmal ging es nicht um ein Unterhaltungsformat. Der Wok-Fahrer und Autozerschrotter stieg ins seriöse Polit-Talk-Geschäft ein. In seinem neuen Format „Absolute Mehrheit - Meinung muss sich wieder lohnen“ konfrontierte der ProSieben-Moderator fünf Talkgäste mit dem Votum der Zuschauer. Und damit lockte Raab viele junge Zuschauer an. Bei den 14- bis 29-Jährigen erreichte der 46-Jährige einen Marktanteil von 24,7 Prozent, das sind eine halbe Millionen Zuschauer. Insgesamt sahen den Polit-Talk zu später Stunde durchschnittlich 1,79 Millionen Menschen. Das entspricht einem Marktanteil von 11,6 Prozent. Der Marktanteil der 14-49-Jährigen lag bei 18,3 Prozent (1,28 Millionen). Um an die Quotenerfolge von Raabs bisherigen Shows anzuknüpfen, fehlt allerdings noch etwas. Seine populärsten Formate.... Quelle: dpa
So präsentierte sich der neue Polit-Talker Raab früher: Mit Sixties-Brille und in Glitterjacke versuchte er sein Glück beim Eurovision Songcontest im Jahr 2000 in Stockholm. Der Song: „Wadde hadde dudde da“. Irgendwie konnte es niemand so richtig fassen, aber Raab holte tatsächlich den fünften Platz bei der europäischen Auswahl. Aber irgendwie schaffte er es immer wieder, das Publikum mit bizzaren Ideen zu überzeugen. Quelle: rtr
Da wäre zunächst Raabs Kernmarke, mit der er sich ein Massenpublikum erschlossen hat: Mit „TV Total“ ging er erstmals im März 1999 bei Pro Sieben auf Sendung - und lockte mit seinem Mix aus Klamauk, TV-Schmankerln und Promis jeden Montagabend regelmäßig ca. vier Millionen Zuschauer vor die Bildschirme. Quelle: dpa
Es folgten Ausflüge in skurrile Sportevents: Das Eisbahnrennen mit Wok fand bereits in mehrfacher Auflage statt. Quelle: AP
Und es blieb nicht beim Ritt auf der Bratwanne: In der Arena auf Schalke - dort, wo normalerweise Fußballspieler ihre Stollen in den Rasen hauen, gab sich Raab mehrfach die Ehre bei der „TV Total Stock Car Crash Challenge“. Dabei geben sich verschiedene Teams viel Mühe beim Verschrotten von Autos. Aber Raab will nicht nur als Schrottkönig in die TV-Analen eingehen, er hat noch ganz andere Pläne.... Quelle: dpa/dpaweb
...Boxweltmeisterin werden. Und da Raab hart im Nehmen ist, war es vielleicht auch gar nicht so schlimm, dass nichts wurde aus der Idee. Profiboxerin Regina Halmich hat Raab im Jahr 2001 fernsehtauglich auf die Bretter geschickt und neben seinem Gesicht auch seine Quote gepusht. Da schmerzten die Schläge wohl nicht wirklich. Zudem hatte Raab längst auch andere Pläne, die diesmal voll aufgingen... Quelle: dpa-dpaweb
Aus dem Boxring auf die Bühne: Im Jahr 2006 organisierte er die zweite Ausgabe des Musikwettbewerbs Bundesvision Songcontest. Quelle: AP

Stattdessen wolle man sich wieder auf die USA und Kanada konzentrieren, heißt es in Unterföhring bei München. Über die Jahre habe sich gezeigt, dass diese beiden Märkte noch die erfolgversprechendsten seien für die deutschsprachigen Sender: „Hier sind wir mit dem Erfolg unseres Pay-TV-Angebots weiterhin sehr zufrieden“, sagt Geschäftsführer Zeljko Karajica. Immerhin.

Die Kölner dagegen probieren es zum Start erst einmal anderswo, nämlich in Kanada, dem südlichen Afrika, Australien, Israel und Georgien. Weitere Märkte wie USA und Brasilien sollen folgen.

Wie der Fernseher smart wird
In dieser Box steckt das Gerät, mit dem Google die Wohnzimmer erobern will: der Chromecast. Es ist nicht Googles erster Vorstoß in das Fernsehgeschäft. 2012 kam Google-TV als Software-Plattform für diverse Settop-Boxen auf den Markt, konnte sich aber nicht durchsetzen. Jetzt versucht es Google mit einer eigenen Hardware – und einem leicht anderen Konzept. Quelle: Sebastian Schaal
Der Chromecast (rechts im Bild) dient lediglich als Streaming-Verbindung zwischen der Videoquelle und dem TV-Gerät. Die Video-Daten selbst werden von einem Smartphone, Tablet oder Laptop per Wlan über den Stick auf den Fernseher übertragen. Das hat zwei Vorteile: Die Bedienung erfolgt über die gewohnten Apps auf dem eigenen Endgerät. Und wegen der schlanken Hardware liegt der Preis bei gerade einmal 35 Euro. Auf eine gedruckte Anleitung verzichtet Google übrigens, aber auf der Innenseite der Verpackung (links) sind drei Schritte zur Einrichtung abgedruckt. Quelle: Sebastian Schaal
Mit dem Chromecast-Stick sind noch ein USB-Kabel, ein kurzes HDMI-Verländerungskabel sowie ein Netzteil in der Verpackung. Quelle: Sebastian Schaal
Das Netzteil wird nicht jeder Chromecast-Nutzer brauchen: Da der Stick über den HDMI-Anschluss nicht mit Strom versorgt werden kann, muss dies über ein USB-Kabel geschehen. Wenn am Fernseher noch eine USB-Buchse frei ist, reicht das zur Stromversorgung aus. Quelle: Sebastian Schaal
Wenn am Fernseher die hinteren HDMI-Eingänge belegt sind, muss der Chromecast an die Seite weichen – und dort ragt er allen Mühen zum Trotz etwas hinter dem Bildschirmrand hervor. Quelle: Sebastian Schaal
Sobald der Chromecast eingesteckt und mit Strom versorgt ist, kann die Einrichtung beginnen. Der angegebene Link führt beim iPhone direkt... Quelle: Screenshot
... in den App Store, wo die kostenlose Chromecast-App geladen werden muss. Über diese erfolgt dann die restliche Einrichtung: Den Chromecast auswählen, ihm einen Namen geben (falls es einmal mehrere Sticks im Haushalt geben wird), das Wlan-Passwort eingeben. Den Rest macht der Stick von alleine. Quelle: Screenshot

Dazu basteln sie aus dem laufenden Programm der Senderfamilie mit den quasi live ausgestrahlten RTL-Nachrichten, Serien wie „Alarm für Cobra 11“ und Vox-Auswanderer-Dokus eine Art „Best of“ zusammen. Gar so unterversorgt, wie RTL es in seiner Ankündigung („Willkommen zu Hause“) allerdings darstellt, ist die deutsche Diaspora zumindest in Südafrika nicht: Dort hat der Anbieter Deukom, bei dem auch RTL International an den Start gehen wird, das normale RTL-Programm schon länger im Angebot.

Flimmert dort also ab Montag RTL International über die Mattscheibe, ersetzt der Neuling schlicht das herkömmliche, den Zuschauern vertraute RTL-Programm mit all seinen Höhen und Tiefen. Wer sich dort bislang ein Format wie „Deutschland sucht den Superstar“ angeschaut hat, wird sich allerdings wundern: Das Dieter-Bohlen-Genöhle läuft nicht bei RTL International. Erspart bleibt den Zuschauern aber auch die Werbung: Die ist für RTL International-Zuschauer in Kapstadt oder Johannesburg im Programm des Privatsenders mit der Umstellung Geschichte: Die Kölner verstehen RTL International als klassischen Pay-TV-Kanal, bei dem löhnt, wer zuschaut.

Zuschauergebühren als Erlösquelle

Nicht ausgeschlossen, dass darin denn auch der tiefere Sinn der für die TV-Gruppe vergleichsweise preiswerten Übung steckt, die sich mit einer Investition im einstelligen Millionenbereich wohl nach spätestens drei Jahren rechnen soll: Zum einen kann RTL so seine Inhalte eine weiteres Mal verwerten. Zum anderen versucht der TV-Konzern damit – ähnlich wie er es mit seinen digitalen Spartenablegern RTL Crime und RTL Passion bereits macht – neben den nach wie vor dominanten Werbeerlösen Zuschauergebühren als weitere Erlösquelle anzuzapfen.

Denn auch für TV-Sender gilt es, angesichts sinkender Zuschauerzahlen tunlichst nach neuen Einnahmemöglichkeiten zu fahnden. Tatsächlich sackte RTL im vergangenen Jahr zum ersten Mal seit Menschengedenken wieder unter einen Marktanteil von zehn Prozent bei allen Zuschauern. Noch spielt die werbungtreibende Wirtschaft weiter tapfer mit und steckt Milliarden in die TV-Werbung. Doch wie lange noch? Längst sind es nicht mehr nur die viel beschworenen Early Adopter, die sich ihr TV-Programm aus dem Angebot von Netflix oder ähnlichen Anbietern selber zusammenstellen.

RTL reagiert auf diesen sich abzeichnenden Wandel der Nutzungsgewohnheiten und investiert etwa in YouTube-Aggregatoren. Kennen in dem Fall jedoch nur YouTube und sein Mutterkonzern Alphabet die Nutzerdaten, dürfte es auch für die etablierten Sender ein Ziel sein, einen möglichst direkten Draht zum Endverbraucher herzustellen – einen wie den, über den der Konkurrent Netflix längst schon verfügt, bis hin zur Kontoverbindung. Empfängt der künftige RTL International-Kunde das Programm via App oder über die Webseite, beschert das RTL nun ebenfalls einen direkten Kontakt zum Verbraucher. Ansonsten kassiert RTL abhängig von der Nutzung des Angebots oder dem Vertrag mit dem Verbreiter einen Anteil an den Pay-TV-Gebühren des Anbieters.

Ob dabei mehr reinkommt als Kleingeld, wird sich indes noch zeigen müssen. Zum Vergleich: Wer heute in Deutschland bei RTL via Satellit die Programme in HD-Qualität empfangen will, wird mit 60 Euro im Jahr zur Kasse gebeten. Und geht es nach RTL, soll die sich verändernde Technik dem Konzern weitere neue Einnahmequellen erschließen: Schon bald soll schließlich hierzulande der neue Standard DVB-T2 das bisherige digitale Antennenfernsehen DVB-T ersetzen. Im Mai 2016 startet die Pilotphase; Ende März 2017 soll es in den Ballungsräumen losgehen. Für Zuschauer von RTL und ProSieben, die nach der Umstellung weiter die Privatsender via Antenne verfolgen wollen, kommt dann eine Gebühr zu. Wie hoch die ausfallen soll, ist noch offen. Klar ist aber bereits: Wer nicht zahlen will, schaut bei den Privaten dann in die Röhre.

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