RTL streicht 700 Stellen bei G+J-Zeitschriften „Gruner wird sich auf die Haupttitel konzentrieren“

Gruner + Jahr stellt unter anderem die Zeitschrift „Barbara“ um TV-Moderatorin Barbara Schöneberger ein. Quelle: dpa

Nach dem Zusammenschluss schaute sich der TV-Konzern die Zeitschriftentitel genauer an. Er will an Kernmarken festhalten, aber auch Magazine einstellen. Nicht nur am Hamburger Standort steht indes ein Stellenabbau bevor.

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Es werde „wohl nicht ganz so schlimm“ wie erwartet, hatte es am Montag aus Verlagskreisen geheißen. Zuletzt war spekuliert worden, dass Bertelsmann bis auf den „Stern“ alle Titel des Hamburger Traditionsverlags Gruner + Jahr verkaufen könnte. Nun steht fest: Neben dem „Stern“ werden auch zwölf weitere Zeitschriftenmarken dem Verlag erhalten bleiben. Dennoch: Rund 700 der 1900 Stellen bei Gruner + Jahr werden wegfallen, weitere rund 300 Stellen am RTL-Standort Köln. Das teilte RTL- und Bertelsmann-Chef Thomas Rabe am Dienstagmorgen mit. „Es ist ein Hammer, ein Schock“, hieß es in der Belegschaft.

Konkret sehen die G+J-Pläne so aus: Die 13 Marken „Stern“, „Geo“, „Capital“, „Stern Crime“, „Brigitte“, „Gala“, „Schöner Wohnen“, „Häuser“, „Couch“, „Geolino“, „Geolino mini“ sowie die digitalen Bereiche von „Eltern“ und „Chefkoch“ bleiben im Portfolio. Die anderen Magazintitel – 46 an der Zahl – werden entweder eingestellt oder verkauft. Keine Zukunft sieht RTL zum Beispiel für Ableger der Kernmarken wie „Geo Epoche“ und „Geo Wissen“, „Brigitte Woman“ und „View“ (Stern). „Viele der Titel sind Ableger“, sagte Thomas Rabe, der seit 2022 der Geschäftsführung von RTL Deutschland vorsitzt, der dpa. „Wir können uns nicht vorstellen, diese zu verkaufen, wenn wir die Kernmarken ‚Geo‘ und ‚Brigitte‘ behalten. Sonst wäre eine einheitliche Markenführung nicht möglich.“

Auch die Magazine „Guido“ um den Designer Guido Maria Kretschmer und „Barbara“ um TV-Moderatorin Barbara Schöneberger werden eingestellt. Hinzu kommen die Printausgaben von „Chefkoch“ sowie „Eltern“ und dessen Ableger „Eltern Family“. Insgesamt sollen 23 Titel vom Markt verschwinden.

Einen Verkauf prüft RTL für die fünf Marken „Business Punk“, „Art“, „P.M.“, „Beef!“ und „Salon“. Die RTL-Beteiligungen an „11 Freunde“ und an der Verlagsgruppe Deutsche Medien-Manufaktur in Münster („Landlust“, „Essen & Trinken“) stehen ebenso zum Verkauf. „11 Freunde“-Chefredakteur Philipp Köster teilte dazu auf Twitter mit, niemand müsse sich Sorgen machen: „Wir arbeiten bereits an einer guten Lösung für den Verlag und das Magazin.“

Bertelsmann-Chef Rabe sagte zum aktuellen Stand der Verkaufspläne, es habe „Interessensbekundungen gegeben – mündlich und schriftlich. Es gab aber keinerlei Sondierungs- oder Verkaufsgespräche, geschweige denn Angebote.“ Man werde „in den nächsten Wochen mit Gesprächen beginnen“, wolle zunächst jedoch mit Betriebsrat und den Mitarbeitern sprechen. „Dann werden wir in aller Ruhe in den nächsten Wochen den Markt sondieren und sehen, wer sich für welchen Titel wirklich interessiert und in welcher zeitlichen Schrittfolge wir die Titel abgeben.“

Die RTL-Pläne führen dazu, dass rund 500 Stellen abgebaut werden. Das soll „bis Ende 2025 schrittweise“ erfolgen. Der weit überwiegende Teil des Stellenabbaus betreffe Hamburg und sei nicht im redaktionellen Bereich, sondern in Verwaltungsbereichen geplant. Hinzu kommen etwa 200 Stellen, die durch den geplanten Verkauf auf neue Eigner übergehen würden. Mit dem Wegfall von rund 700 Stellen wäre das mehr als jede dritte der 1900 Vollzeitstellen im Zeitschriftensegment, die vorwiegend in Hamburg angesiedelt sind.

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Zudem sollen am RTL-Standort in Köln-Deutz bis 2025 weitere rund 300 Jobs wegfallen. Das kündigte RTL am frühen Nachmittag in einem digitalen Meeting für die gesamte Belegschaft an. Im Gegensatz zum Standort Hamburg sollen in Köln allerdings „Effizienzgewinne“ zum Abbau beitragen. Die Stellen sollen sukzessive abgebaut werden, etwa 100 pro Jahr. RTL hofft demnach einen Großteil der Stellen durch Vorruhestände und Teilzeitlösungen abzubauen.

Die bei Bertelsmann verbleibenden G+J-Titel machen nach Unternehmensangaben etwa 70 Prozent des Umsatzes aus. Bis 2025 seien dort Investitionen von rund 80 Millionen Euro geplant, teilte das Unternehmen mit. Der Verbund von TV-, Streaming- und Publishing-Geschäften sei sinnvoll und schaffe pro Jahr etwa 75 Millionen Euro Mehrwert bei „Inhalten, Vermarktung, Tech & Data sowie bei den Corporate-Funktionen“. Bei der Ankündigung der Fusion von RTL Deutschland mit Gruner+Jahr 2021 war noch von 100 Millionen Euro Synergien die Rede gewesen. Das künftig investierte Geld soll vor allem in die digitalen Geschäftsfelder der verbleibenden Kernmarken fließen. Die Investitionen in den Umbau des Publishing-Geschäfts verteilen sich demnach mit je 30 Millionen Euro auf „Stern+“ und die übrigen Kernmarken sowie mit 20 Millionen Euro auf neue Räumlichkeiten. Ein Umzug innerhalb Hamburgs ist bis Ende 2024 geplant.

RTL Deutschland mit Hauptsitz in Köln hatte zum Jahr 2022 die deutsche Magazinsparte des Hamburger Verlagshauses in sein Portfolio integriert und erhofft sich Synergien. Beide Bereiche gehören zum Bertelsmann-Konzern. In den vergangenen Monaten prüfte RTL das Zeitschriftenportfolio. Von Mitarbeitern und Gewerkschaftern hatte es Protest gegen einen möglichen Verkauf der Titel des Hamburger Verlagshauses, das jahrzehntelang zu den mächtigsten Medienhäusern in Europa zählte, gegeben.

Auch ehemalige und aktuelle Führungskräfte hatten ihren Unmut geäußert. Im Interview mit der WirtschaftsWoche rechnete etwa Peter-Matthias Gaede, 20 Jahre lang Chefredakteur bei „Geo“, hart mit der „desaströsen Managementleistung“ von Bertelsmann-Chef Thomas Rabe ab. Es sei bedauernswert, „dass Gruner + Jahr, einst ein Juwel in der Krone von Bertelsmann, aus der Sicht eines gelernten CFO, der offenbar mehr gejoggt als gelesen hat, derart als Ramschware empfunden wird“, sagte die langjährige Gruner-Führungskraft.

Rabe sagte am Dienstag der dpa: „Die Strategie von Gruner ist in der Zukunft, sich auf die Kernmarken und die Haupttitel zu konzentrieren.“ Er ergänzte: „Wir sehen in den Kernmarken einen erheblichen Wert. Und wir sehen erhebliche Verbundeffekte zwischen den Kernmarken von Gruner + Jahr und RTL, nicht nur in der redaktionellen Zusammenarbeit, sondern vor allem in der Vermarktung.“

Über die wirtschaftliche Lage des Publishing-Geschäfts sagte Rabe: „2022 lag das Ergebnis nach allen Abzügen bei 1 Million Euro. Aufgrund der Marktentwicklung bei Anzeigen und Vertrieb, aber auch durch Kostensteigerungen von Papier und Energie wäre Gruner + Jahr ohne Maßnahmen in diesem Jahr im Ebita zweistellig negativ.“ Der Umsatz in dem Bereich lag 2022 bei etwa 350 Millionen Euro.

Hamburg soll als Zeitschriften-Standort erhalten bleiben. Rabe sagte: „Wir bleiben mit den Geschäften in Hamburg – bis auf die Corporate-Funktionen, die überwiegend in Köln gebündelt werden. Die Mitarbeiter in Hamburg sollen bis Ende 2024 in neue Räumlichkeiten ziehen.“ Einen genauen Ort nannte er nicht. „Wir schauen uns im Moment mehrere Standorte an.“

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Die Anteile am „Spiegel“ und an der DDV Mediengruppe, zu der die „Sächsische Zeitung“ zählt, bleiben im Bertelsmann-Konzern, wie Rabe sagte. „Das stand nie zur Debatte.“ Die Geschäfte seien dem Bereich Bertelsmann Investments zugeordnet.

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