
Der erste Schuss Richtung Rundfunkbeitrag ging ins Leere – der Verfassungsgerichtshof von Rheinland-Pfalz hat heute Vormittag die Klage des Straßenbau-Unternehmens Volkmann und Rossbach aus Montabaur abgewiesen. VGH-Präsident Lars Becker erteilte der ARD/ZDF-Abgabe einen Persilschein und bestätigte die Neuregelung zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in ihren Grundstrukturen. Alles andere wäre eine Überraschung gewesen.
Denn nach Auffassung der Koblenzer Richter verletzt das seit dem 1. Januar 2013 geltende neue Finanzierungsmodell für ARD, ZDF und Deutschlandfunk nicht Grundrechte wie die Handlungsfreiheit oder den Gleichheitsgrundsatz. Die vorhandenen Unterschiede bei der Abgabenlast von Privatpersonen auf der einen Seite und Unternehmen auf der anderen Seite beruhten zudem auf „vernünftigen, einleuchtenden Gründen“, sagte Brocker.
Beitrag auch für Baustellenfahrzeuge
Volkmann und Rossbach sahen das freilich ganz anders: Das Unternehmen stellt vornehmlich Schutzplanken und Straßenmarkierungen her und unterhält für seine rund 200 Mitarbeiter einen Fuhrpark mit etwa 130 Fahrzeugen. In vielen der Wagen, hatte der Anwalt der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, habe die Firma nicht einmal ein Radio einbauen lassen.
Doch das ist dem Gesetzgeber ziemlich egal. Dass in den Baustellenfahrzeugen nicht mal ein Radio eingebaut sei, juckt ihn schlicht nicht mehr. Denn seit Einführung des neues Beitragsmodells gilt, dass es nicht länger darauf ankommt, ob im Auto oder im Büro auch wirklich ein Radio oder Fernseher vorhanden ist, sondern es reicht schlicht die theoretische Möglichkeit, in der Betriebsstätte, in der Filiale oder im Dienstwagen das Angebot von ARD, ZDF oder Deutschlandradio nutzen zu können.
Die wichtigsten Fragen zur neuen Rundfunkabgabe
Sie wird zunächst für jeden Haushalt und Betrieb fällig. Hartz-IV-Empfänger können einen Antrag auf Befreiung stellen. Menschen mit Behinderungen werden mit einem reduzierten Beitrag eingestuft. Bislang richtet sich der zu zahlende Betrag nach den vorhandenen Geräten.
Ab 1.1.2013 kostet die Haushaltsabgabe 17,98 Euro pro Monat. Somit wird es nicht teurer fernzusehen, Radio zu hören oder im Internet zu surfen - zumindest für diejenigen, die schon zahlen.
Ja. Die Gebühr betrifft alle. Verfassungsrechtler haben die Rechtmäßigkeit bereits mehrfach geprüft.
Wer Sozialhilfe, Arbeitslosengeld II oder eine Ausbildungsförderung wie Bafög oder Ausbildungsgeld erhält, wird davon befreit - allerdings nur auf Antrag. Blinde oder stark Sehbehinderte, Gehörlose und schwer behinderte Menschen sind künftig nicht mehr grundsätzlich befreit. Sie sollen nunmehr einen ermäßigten Beitrag von einem Drittel der regulären Gebühr zahlen.
Der neue Rundfunkgebühren-Staatsvertrag soll am 1. Januar 2013 in Kraft treten. Es ändert sich für bereits zahlende Kunden nichts.
Wer seiner Anzeigepflicht nicht nachkommt oder den fälligen Rundfunkbeitrag länger als sechs Monate nicht oder nur teilweise zahlt, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße geahndet werden kann.
Nein. Die Schnüffelei der GEZ ist nicht mehr nötig. Da jeder zahlen muss, ist es egal, ob jemand Geräte hat oder nicht.
Die Beiträge für Firmen werden künftig pro Betriebsstätte erhoben und nach der Zahl der Mitarbeiter gestaffelt.
Bis zu 5,99 Euro pro Beschäftigtem
Und das ist gut so, sagen die Koblenzer Richter, und folgen der Argumentation, die das Bundesverfassungsgericht seit Jahr und Tag praktisch vorgegeben hat: Diese versteift sich komplett auf das Angebot der öffentlich-rechtlichen Sender und blendet beispielsweise Privatradios und TV-Sender ebenso aus wie Online-Angebote von Verlagen, aus denen sich Bürger und Unternehmen informieren können. Stattdessen unterstreichen die Koblenzer Richter nun erneut, dass „die Bereitstellung öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein Vorteil nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger, sondern auch für den sogenannten nicht privaten – gewerblichen bzw. unternehmerischen – Bereich“ sei. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk diene der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung; ihm obliege die Sicherung der Meinungsvielfalt sowie Informationsfreiheit als wesentliche Grundpfeiler demokratischer Gesellschaften.
Geht es um die praktische Umsetzung, also in diesem Falle ums Zahlen, sei auch alles koscher. Denn entgegen der Klage der Firma aus Montabaur würden durch die Staffelung der Beiträge nach Größe des Unternehmens viele Betriebe durch den neuen Beitrag entlastet. Nach „statistischen Erhebungen“ müssten voraussichtlich rund 70 Prozent der Betriebsstätten lediglich den ermäßigten Beitrag von einem Drittel und weitere 20 Prozent nur einen vollen Rundfunkbeitrag zahlen. Pro Beschäftigtem belaufe sich der Beitrag auf zwischen 5,99 € und weniger als 0,11 € im Monat und damit auf Bruchteile der Personalkosten; auch der für betrieblich genutzte Kraftfahrzeuge zu zahlende Beitrag von 5,99 € monatlich wirke sich gegenüber den sonstigen Betriebskosten nicht aus, schreiben die Juristen in der Begründung ihres heutigen Spruches.
Das Recht aufs Pauschalisieren





Warum nun Betriebe mit gleicher Beschäftigtenzahl mehr zahlen müssen als ein gleich großes Unternehmen, wenn sie im Unterschied zu diesem jedoch über eine höhere Zahl an Filialen verfügen, auch dazu äußerten sich die Koblenzer Richter. Der Grund dafür bestehe darin, dass „damit eine Besserstellung von Filialbetrieben gegenüber den mit ihnen vor Ort im Wettbewerb stehenden Einzelbetrieben verhindert werden solle.“ Heißt: Wenn vor Ort alle zahlen, kann keiner meckern. Dass Filialbetriebe allerdings allein schon wegen ihrer höheren Gesamtmitarbeiterzahl einen höheren Beitrag zahlen müssen als der lokale Wettbewerber, fällt bei der Betrachtung unter den Tisch. Und hatten die Richter nicht einen Absatz zuvor noch selbst geschrieben, die Belastung „wirke sich gegenüber den sonstigen Betriebskosten nicht aus“? Das dürfte dann doch ebenfalls in gleichem Maße für den lokalen Konkurrenten des Filialisten gelten.
Tatsächlich nehmen sich die Richter das Recht aufs pauschalisieren: „Eine weitere Unterscheidung der Beitragspflicht danach, ob Betriebsstätten tatsächlich in einem solchen Konkurrenzverhältnis stehen, scheide angesichts des damit verbundenen Vollzugsaufwands sowie des Fehlens trennscharfer Abgrenzungskriterien aus.“ Das ist sicher in Sachen Aufwand nachvollziehbar. Nur wenn die Juristen zunächst selbst mit dem angenommenen Konkurrenzverhältnis argumentieren um es dann im nächsten Satz selbst wieder in Frage zu stellen, dann sorgt das bei Unternehmen und ihren Anwälten sicher für reichlich Irritationen.
Donnerstag erneut Verhandlungen
Spannend dürfte es nun Donnerstag werden, dann nimmt sich auch der bayerische Verfassungsgerichtshof die Beiträge zur Brust. Hier hatte unter anderem die Drogeriekette Rossmann geklagt. Anders als in Koblenz geht es hier nicht um den Beitrag für Firmenautos, sondern um Filialen. Seit der Neuregelung des Beitrags fallen je nach Anzahl der Beschäftigten gestaffelte Beiträge an: In der günstigsten Kategorie neben dem Inhaber sind bis zu acht Personen beschäftigt , ist ein Drittel des Monatsbeitrags von 17,98 Euro fällig. Happiger wird es nach oben raus: Für Betriebsstätten mit mehr als 20000 Beschäftigten werden 180 Beiträge berappt. Das sorgt dafür, dass Rossmann nach eigenen Angaben für seine gut 1750 Märkte im Jahr etwa 280000 Euro an Gebühren zahlt. Ginge es nur nach der Mitarbeiterzahl, so Rossmann, wären nur 39000 Euro fällig.
Dienstleister
In einem Abwasch wollen Bayerns Landesverfassungsrichter auch über die Klage des Ingolstädter Juristen Ermano Geuer entscheiden. Der argumentiert, der Rundfunkbeitrag sei eine versteckte Steuer, da er nicht für eine konkrete Nutzung erhoben werde. Außerdem dürften Bundesländer keine solche Steuer erheben, dazu fehlen ihnen die Kompetenz. Die Bayern könnten es sich nun leicht machen, denn just zu dieser Frage äußerten sich heute auch ihre Koblenzer Kollegen: „Das Land“, befanden die Juristen, sei auf jeden Fall für die Neuregelung der Rundfunkfinanzierung zuständig gewesen. Denn „bei dem Rundfunkbeitrag handele es sich nicht um eine Steuer, für deren Regelung das Land keine Gesetzgebungskompetenz habe, sondern um einen – in der Zuständigkeit der Länder liegenden – Beitrag im abgabenrechtlichen Sinn.“
Folgen die Bajuwaren den Rheinland-Pfälzer nun in deren Argumentation – und erneut wäre alles andere eine Überraschung – bleibt den Klägern gegen den Rundfunkbeitrag nur noch der Gang nach Karlsruhe. Bislang allerdings prallen die Klagen gegen eine juristische Gummiwand.