Ryanair-Chef Kasperle O'Leary auf Kuschelkurs

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Ryanair gönnt sich einen Marketing-Vorstand


Die berühmten Sprüche des Ryanair-Chefs
"Jeder Idiot, der irgendwo rausgeschmissen wird, taucht wieder als Berater auf. Ich habe bislang noch jeden erschossen, der in mein Büro gekommen ist." Quelle: REUTERS
"Das Problem mit den Fluglinien-Managern ist doch, dass sie kein Rückgrat haben und sich an ihre Erzfeinde in der Umweltbewegung ranwanzen, statt sie Lügner zu nennen, wie sie es verdienen." Quelle: REUTERS
"Unsere Umsatzrendite von 25 Prozent ist nicht gut, sondern obszön in dieser Branche. Verglichen mit dem Rest sind wir keine Fluglinie, sondern Drogenhändler." Quelle: REUTERS
„Wenn ich abtrete wird sicher unser Marketing-Etat wachsen, weil wir ohne meine Sprüche weniger Aufmerksamkeit bekommen - aber das sparen wir dann an Gerichtskosten, weil uns dann weniger Leute wegen meiner Sprüche verklagen.“ Quelle: REUTERS
„Heute müssen Unternehmen-Chefs sagen, Unsere Beschäftigten sind unser wichtigstes Asset. Was ein Schwachsinn. Die Beschäftigten sind unser größter Kostenblock und viele sind so faul, dass wir sie ständig in den Hintern treten müssen. Das denkt eigentlich jeder Chef, aber keiner will es zugeben.“ Quelle: dpa
„40 Euro wenn wie eine Bordkarte neu ausdrucken, weil jemand sein vergessen oder verloren hat sind nicht zu viel. Eigentlich müssten wir für so viel Blödheit mindestens 60 Euro verlangen.“ Quelle: dpa
"Umweltschützer ärgern wir wo immer wir können. Eigentlich müsste man die erschießen, denn sie wollen fliegen so teuer machen, dass es wieder ein Privileg für die Reichen wird." Quelle: dpa

Also braucht O’Leary neue Kundschaft, die mehr zahlt. Die meisten sind Geschäftsreisende oder auf Komfort bedachte Touristen, die Ryanair bisher mieden wegen der langen Anreise in die Provinz und der Drangsalierungen an Bord und Boden. Und die Klientel gibt es reichlich bei den etablierten Fluglinien, wenn O’Leary eben statt nach Altenburg-Nobitz oder das belgische Charlerois öfter in große Flughäfen kommt und ein Mindestmaß an Service bietet. Dabei helfen ungewollt nicht zuletzt die großen Fluglinien, die immer mehr Flüge abseits ihrer Drehkreuze einstellen, weil sie wegen ihrer hohen Kosten bei Personal und Flotte draufzahlen.

Weil dem Wolf O’Leary aber den Schafspelz und die Kreide in der Stimme keiner abnimmt, der mal mit ihm geflogen ist, braucht er neben besserem Service auch eine Charmeoffensive. Und dazugehören Termine wie vergangene Woche, wo er Journalisten aus ganz Europa anlockte mit Dingen, die er früher nicht mal als Witz in den Mund genommen hätte: Gratisflügen, eine Trend-Location im Design-Museum am Südufer der Themse an der Tower-Bridge, sowie mehrgängiges Mittagessen, Präsentation und abends noch endlos Gratis-Drinks.

O'Leary gibt den galanten Gastgeber...

„Ich leide körperlich für Euch“, begrüßt er die gut 100 Anwesenden. Denn bis heute gab es - wohl um von den genialen bis geschmacklosen Sprüchen O’Learys nicht abzulenken – Ryanair-Termine bestenfalls in einfachen Konferenzräumen im Bahnhofshotel oder für wenige Auserwählte ein Gespräch in seinem sperrmüllverdächtig möblierten Büro im „Weißen Haus“, wie die inzwischen verlassene alte Firmenzentrale am Flughafen Dublin intern hieß. Der Automaten-Kaffee da war mäßig und wer - wie der Autor dieser Zeilen - mal ein persönliches Gratis-Mittagessen mit O’Leary in der Kantine der Geizlinie bekam, erinnert sich lange daran. Weil es so selten war, denn Aromen und Kalorien waren in etwa so fein dosiert wie die Ryanair-Werbung.
Das war vergangene Woche ganz anders. Bereits am Eingang warteten aparte Hostessen und grüßten herzlich. Dann ging es in ein Restaurant mit Holzboden zu einem Menü von veredeltem britischem Pub-Food bis zu mediterran-vegetarisch.

Das erste Zeichen, dass die alte Ryanair noch lebt, folgt dann im Konferenzraum im Obergeschoss. Die Metallstühle stehen mindestens so eng so wie in einer Ryanair-Boeing und mit ihren harten Rändern sind sie auch nicht bequemer. Und auch O’Leary ist der Alte. „Ja wir sind die neue Ryanair und darum haben wir euch alle hierher eingeladen“, strahlt er zunächst. „Tolles Essen, ein toller Blick und hinterher Gratisdrinks – es ist so teuer, dass ich wahrscheinlich heute Abend auf dem Weg zum Flughafen erstmal an der Börse einen Zettel mit einer Gewinnwarnung einwerfen muss und ich als Aktionär weniger Dividende bekomme.“ Und hat natürlich die Lacher auf seiner Seite.

... und beginnt mit seiner One-Man-Show

Dann beginnt die Präsentation mit einem Foto, wo O’Leary so versteinert lächelt wie ein Fernsehprediger und einen kleinen Hund im Arm hält. „Ihrer?“ fragt einer aus dem Publikum. „Um Gottes willen. Den kleinen Sch…, äh Liebling habe ich bei dem Foto das erste und das letzte mal getroffen. Das ist ein Symbol“, sagt der Manager.

Und dann kommt die alte O’Leary-Show, bei der er ohne Punkt und Komma wie ein Maschinengewehr losrattert. „Wir haben Europas Reisenden im Vergleich zu den Großen wie Lufthansa und British Airways im Schnitt 112 Euro pro Flug gespart, macht gut neun Milliarden Euro pro Jahr. das sind zwei Eurotunnel, zwölf Olympiastadien und 22 Wayne Rooneys“, sagt O’Leary an Anspielung auf den Stürner von Manchester United. „und wie der derzeit meist spielt sogar 44.“ Und weiter: „Wir sind die größte, die pünktlichste, sicherste und kundenfreundlichste Airline.“ Als der Saal lacht, unterbricht er. „He, das stimmt, also bisher und nach unserer Definition: die wenigsten Verspätungen und Flugabsagen, 29 Jahre keinen Zwischenfall und verlieren die wenigsten Koffer. Aber künftig auch nach eurer, wartet es ab.“

Es folgt eine gespannte Stille. „Doch dieses neue Servicedings, mit so zeug wie Markenkraft und allem, das kann hier ohne Schmerzen nur eine Einziger vorstellen: unser neuer Marketing-Vorstand. Nicht Lachen, den haben wir wirklich“, sagt O‘Leary.


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