Ryanair Schluss mit lustig

Ryanair-Chef Michael O'Leary. Quelle: REUTERS

Pilotenmangel zwingt Ryanair-Chef Michael O‘Leary, das Geschäftsmodell zu ändern und die Belegschaft gut zu behandeln. Nicht alle trauen dem Frieden.

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Ryanair-Chef Michael O’Leary hatte bisher zwei wichtige Managementregeln: Kaufe nie eine andere Fluglinie, weil keine so gut ist wie deine eigene. Und rede nie mit den Gewerkschaften, außer vielleicht vor Gericht oder über Gehaltskürzungen.

In den vergangenen Wochen hat der Ire gleich beide Regeln gebrochen. Zuerst startete O’Leary Verhandlungen mit mehreren Pilotenverbänden. Dann verkündete der Manager pünktlich zu seinem 57. Geburtstag vor wenigen Tagen, dass er der österreichischen Rennlegende Niki Lauda für 100 Millionen Euro drei Viertel seiner frisch gegründeten Laudamotion abnimmt. „Unser altes System ist Vergangenheit“, begründete der Ryanair-Chef die Neuerungen.

Dahinter steckt mehr Wahrheit, als O’Leary lieb sein kann. Denn zu beiden Schritten trieb ihn das gleiche Problem: Ryanair fehlen Piloten. In den vergangenen Monaten musste die Fluggesellschaft deshalb bereits mehr als 20.000 Flüge streichen und 25 ihrer gut 400 Flugzeuge ungeplant am Boden lassen. Ryanairs Geschäftsmodell, das auf preiswerte Kapitäne und Flugbegleiter setzt, steht mehr denn je unter Druck.

Laudamotion ist die ideale Erste Hilfe. Niki Lauda weist zwar den Vorwurf zurück, die Gründung von Laudamotion aus den Trümmern von Air Berlin sei von Beginn aus Dublin ferngesteuert worden. Konkurrenten rechnen dennoch fest damit, dass die ehemalige Österreich-Tochter der insolventen Air Berlin bald irisch wird. „ Alles passt, deshalb hat O’Leary so viel Geld in die Hand genommen“, sagt ein Insider. Ryanair und Laudamotion ergänzten sich perfekt: „Die Iren haben gerade zu viele Jets, aber zu wenig Piloten. Die Österreicher haben zu viele Piloten, aber zu wenig Jets – und sogar noch Flugrechte an deutschsprachigen Großflughäfen wie Düsseldorf oder Wien, die O’Leary bislang partout kleinhalten wollten.“

Den Mangel an Piloten lindern sollen auch Tarifverhandlungen mit den bisher von O’Leary als „überbezahlte fliegende Busfahrer“ beschimpften Kapitänen. So bot Europas größter Billigflieger zuletzt der britischen Pilotenvereinigung Balpa Gehaltssteigerungen von 20 Prozent an. Auch mit der von ihm als „von Lufthansa entsandte Zerstörungskolonne“ bezeichneten deutschen Vereinigung Cockpit (VC) will er reden. Dabei soll es laut VC sogar um Tabuthemen gehen wie feste Arbeitsverträge mit einem garantierten monatlichen Mindestlohn, Mitsprache bei der Flugplanung sowie klare Regeln für Ruhezeiten und bezahlten Urlaub. Sollten sich die Piloten durchsetzen, könnte dies auch Signalwirkung für das Kabinenpersonal haben, das ebenfalls auf Festanstellungen und höhere Löhne hofft.

Die Kosten der Tarifabschlüsse mit der Cockpit-Crew schätzt das Unternehmen auf 100 Millionen Euro pro Jahr. Doch obwohl die Angebote an die Piloten den Kostenvorteil des irischen Preisbrechers zur Konkurrenz spürbar verkleinern, dürfte der Mangel bleiben. Zwar rühmt sich die Linie, sie habe gut 3000 Bewerbungen vorliegen. Doch selbst wenn alle Antragsteller fliegerisch geeignet wären – was Kenner des Pilotenmarkts bezweifeln – deckt das nicht den Bedarf. Jedes Jahr kündigen bei Ryanair bis zu 1000 Flugzeugführer. Gleichzeitig braucht die Linie pro Jahr im Schnitt mindestens 600 zusätzliche Piloten, weil sie bis 2024 gut 200 neue Jets bekommt.

Bisher vertraute Ryanair darauf, dass es immer genug Nachwuchs gibt. Dank hoher Gehälter lockte der Traumjob Pilot auch dann viele junge Leute, als immer mehr Fluglinien die Ausbildung nicht mehr bezahlten und Bewerber die bis zu 150.000 Dollar teuren Lizenzen selbst zahlen mussten.

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