Santiago de Chile Deutscher Tänzer auf den Spuren seines Lehrers

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Der deutsche Tänzer und Quelle: dpa

Menschliche Wärme habe das aber gut kompensiert. Johanna studierte genau wie die Palucca-Schülerinnen Anne Gieseke, Julia Pohlisch und Anna Kriete im vergangenen Winter in Santiago. Dass in der Schule auf hartem Stein ohne jeden Schwingboden getanzt wurde, war zunächst eine Umstellung. „Allein durch die Bedingungen entstand eine andere zwischenmenschliche Atmosphäre“, sagt Julia, 23. „Man fühlte sich komischerweise nicht so eingeschränkt, obwohl man von den Bedingungen her eingeschränkter war.“ Im Dresdner Schulalltag gebe es viel mehr ungeschriebene Gesetze und Regeln.

Anna Kriete ist von Hilbert überzeugt. „Er ist ein Vorbild. Er lebt, tanzt und unterrichtet sein Ideal und lehrt damit auf eine Weise, die man nicht mehr vergisst“, sagt die 24-Jährige. Johanna gefiel, dass die Tänzer viele eigene Arbeiten machen dürfen. „Die werden da einfach reingeschmissen. Bei uns ist jede Choreographie ein schwerer Akt.“ Bunster sei in der Schule eine große Legende. „Der lebt in dieser Schule, in diesen Schülern.“ Anne Gieseke berichtet von Schulkonferenzen, wo keiner „abgehakt wurde und in die Schublade kam. Die haben sich stundenlang für Probleme Zeit genommen.“

Wenn die jungen Frauen ins Café Brasil gingen und den Sängern lauschten, bekamen sie ein Gefühl für die chilenische Seele. „Die haben die Leute mit ihren Texten gefesselt. Viva la revolución! Da ging oft die Faust nach oben“, sagt Julia. Kontakt zu einer Familie in einem der reichen Viertel von Santiago zeigte ihnen auch andere Blickwinkel auf die Geschichte Chiles: „Dort wird das ganz anders gesehen. Die Meinungen in Bezug auf Politik sind sehr gespalten.“

Unlängst hat das Ensemble Espiral auf politischem Parkett agiert. Beim Lateinamerika-Gipfel trat es in Santigo vor Staatschefs auf. Der Rasen im Zentralstadion war so heiß, dass Hilbert sich die Füße verbrannte und Blasen davontrug. „Ich konnte kaum noch gehen und bin dann zu den Aufführungen eher geschlichen. Wenn man aber den Enthusiasmus der Leute sieht, gehen die Schmerzen vorbei. Es ist schwer, nicht zu tanzen.“ Dennoch hält Hilbert das Lehrer-Sein für tausendmal anstrengender als das Leben eines Tänzers. „Es ist schön, für andere da zu sein und die Entwicklung zu sehen. Klar, mit 41 Jahren tut der Körper schon weh. Ich werde das so lange machen, wie es geht“, sagt Hilbert und sieht auch da Bunster als Vorbild. Der habe bis zum Alter von 50 getanzt und bis 81 gelehrt.

„Ich sehe mich als deutscher Teil von Patricio und trage für die Schule Verantwortung.“ Deshalb sei an eine Rückkehr nach Deutschland derzeit nicht zu denken. Auch Anne, Anna, Julia und Johanna sind infiziert: Bei nächster Gelegenheit soll es wieder nach Chile gehen.

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