Im vergangenen Februar war Marcin Pirog noch optimistisch. Die von ihm geleitete polnische Staatslinie Lot sollte in diesem Jahr nach jahrelangen Verlusten endlich Gewinne schreiben. Auch Iberia-CEO Rafael Sánchez-Lozano, Air-Berlin-Chef Hartmut Mehdorn und Rickard Gustavsson, Leiter der pan-skandinavischen SAS, rechneten noch spätestens 2013 noch mit Gewinnen.
Das hat sich alles erst Mal erledigt. Alle vier Fluglinien Linien werden wahrscheinlich nicht nur dieses Jahr, sondern wohl auch das nächste mit erheblichen Verlusten abschließen.
Das liegt zum einen an der schwachen europäischen Konjunktur. Wegen ihr sinkt in praktisch allen Ländern außerhalb Deutschlands die Zahl der Geschäftsreisenden, die traditionell für rund die Hälfte des Umsatzes und fast den ganzen Gewinn sorgen. Dazu steigt die Konkurrenz vor allem durch Billigflieger, aber auch durch die Fluglinien vom Persischen Golf wie Emirates, Etihad oder Qatar Airways. Zu guter Letzt steigen die Spritpreise. Zwar sind die absoluten Preise nicht sehr viel höher als im vergangenen Jahr. Doch weil die Sicherungsgeschäfte auslaufen, mit denen sich die Fluglinien in den Jahren davor die niedrigeren Preise gesichert hatten, trifft der teure Sprit die Airlines erst jetzt mit voller Wucht.
Dazu leiden die kleinen Linien noch härter als die Marktführer wie Lufthansa, Air France oder British Airways. Zum einen haben vor allem Iberia und Lot noch keine wirklich radikalen Sparprogramme hinter sich. Dazu haben sie einen strukturellen Nachteil gegenüber Europas Großen. Wenn ein Billigflieger das Angebot aufstockt oder eine Fluglinie vom Golf in der Heimat landet, können das die Großen durch ihre schiere Masse, ihr breites Streckennetz und ihr Vermögen besser wegstecken als die Kleinen.
Arabische Airlines - guter Service, günstige Preise
Wenn eine Golflinie nach Warschau oder Stockholm kommt, bedeutet das in der Regel, das sich fast der ganze Asienverkehr nicht mehr lohnt. Denn die arabischen Wachstumslinien locken nicht nur mit niedrigeren Preisen, die sie dank ihrer niedrigeren Kosten und großzügiger staatlicher Eigentümer auch leisten können. Sie haben bieten auch einen besseren Service, weil sie modernere Flugzeuge mit einem besserem Kundendienst bieten. Dazu haben sie über ihre Hauptflughäfen am Golf ein großes Netz mit Anschlussflügen.
Weil die kleinen europäischen Linien aber angesichts des Wettbewerbs die Preise nicht anheben können, müssen sie radikal sparen. Iberia will ein Viertel der Mitarbeiter entlassen und praktisch das ganze Fluggeschäft außerhalb der Langstrecke dem Billigflieger Vueling übertragen, an dem Iberia beteiligt ist. Lufthansa-Partner SAS will gar bis zu einem Drittel der Belegschaft rauswerfen und dem Rest die Löhne um durchschnittlich 15 Prozent kürzen.
Air Berlin legt nicht nur das Sparprogramm Turbine 2013 auf, weil das alte Shape & Size zu wenig greift. Die Linie möchte neben einem Großteil ihrer Flotte auch ihr Vielflieger-Programm verkaufen, praktisch der letzte wirklich wertvolle Teil des Unternehmens.
Angst vor dem endgültigen Abstieg
Die radikalen Pläne sind die letzte Hoffnung, dass die Fluglinien am Ende nicht wie die ungarische Malev im Februar Pleite gehen und ganz verschwinden. Denn im Gegensatz zu früher können die Linien nicht mehr auf Hilfe von außen rechnen. Die strengeren Regelungen der EU verbieten allen direkte Staatshilfen, wie sie in vergangenen Krisen noch üblich waren. Auch die großen Allianzpartner springen nicht mehr ein. Lufthansa steckt selbst in den roten Zahlen und kann deshalb ihren Partnern SAS und Lot ebenso wenig mit Kapitalhilfen oder einer tieferen Zusammenarbeit beispringen wie Air France der Alitalia oder British Airways ihrer Tochter Iberia.
Die Chancen von Europas zweiter Flug-Liga stehen eher schlecht. Denn die Wachstumslinien aus Billigflug und vom Golf sind ihnen gleich auf zweierlei Weise voraus. Weil sie wachsen, können sie die Kosten der Verwaltung auf immer mehr Maschinen verteilen, so dass die Ausgaben pro Passagier sinken. Schrumpft eine Linie wie Air Berlin oder Iberia ist es genau anders herum und die Kosten pro Passagier steigen.
Dazu kommt ein psychologischer Nachteil. Die Wachstumslinien und ihr Management können sich ganz darauf konzentrieren, wie sie ihre Organisationen schlank und die Kunden zufrieden halten. Dagegen müssen SAS und Lot nicht nur ums Sparen statt um die Strategie kümmern. Sie müssen auch den Widerstand der Belegschaft überwinden, die verständlicherweise um ihre Jobs kämpft oder zumindest für einen weniger harten Schnitt.
Die größte Hoffnung der kleinen hat derzeit wahrscheinlich Lot. Denn sie fliegt als erste in Europa den Leichtbaujet Dreamliner 787 von Boeing, der die Betriebskosten um bis zu 15 Prozent drückt. Aber auch der Vorteil ist nicht von Dauer. Denn irgendwann werden Wettbewerber wie Qatar auch den Dreamliner fliegen. Aber vielleicht sind dann die anderen Linien soweit geschrumpft und die Konjunktur so viel besser, dass es auch bei Lot wieder aufwärts geht.