Schalkes Finanzvorstand Peter Peters „Fußballvereine werden von den Fans finanziert“

Peter Peters, Finanzvorstand beim Bundesligisten Schalke 04 Quelle: imago images

Bundesligist Schalke 04 ist traditionsreich - und hat bis heute keine Investoren. Schalkes Finanzvorstand Peter Peters über die finanzielle Situation, Vereinsschulden, Transfers und Erlösquellen wie die Super-Liga.

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Wenn Sie in eine Bank gehen, welchen Eingang benutzen Sie dann? Den Linken oder den Rechten?
Die Frage ist unfair, weil ein eingetragener Verein wie Schalke 04 sich ausschließlich über Kredite finanzieren kann.

Entschuldigung. Das kommt ja nicht von mir. Uli Hoeneß hat 2005 gesagt, dass er beim Betreten einer Bank immer den rechten, Dortmund und Schalke aber den linken Eingang benutzen. Rechts ist die Festgeld-, links ist die Kreditabteilung.
Ich weiß, aber das ist trotzdem nicht fair. Damit wird suggeriert, nur Bayern sei finanziell solide aufgestellt und wir nicht. Das ist falsch. Als eingetragener Verein haben wir keine Unternehmensanteile für dreistellige Millionenbeträge an Investoren verkauft und auch keine Kapitalerhöhung vorgenommen. Es ärgert mich, dass oft so getan wird, als sei Schalke nicht solide finanziert, nur weil wir Kredite haben.

Die Verbindlichkeiten belaufen sich aktuell auf rund 226 Millionen Euro. Der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag liegt bei fast 42 Millionen Euro.
Sie vergessen, auf die Werte, die wir dafür geschaffen haben, zu schauen. Schalke hat die Verbindlichkeiten überaus sinnvoll investiert, so zum Beispiel in die Veltins-Arena. Ein modernes Stadion, das über eine sehr geringe Laufzeit – 25 Jahre – abgeschrieben werden muss. Die hohen Abschreibungen wirken sich negativ in der aktuellen Bilanz aus. Aber diese Arena werden wir 50 bis 60 Jahre nutzen. Wir verfügen somit über erhebliche stille Reserven, auch weil Transferwerte und Markenrechte ebenfalls nicht in marktgerechter Höhe aktivierbar sind.

Aber die Werte hat Schalke nicht über Einnahmen finanziert, sondern über Schulden. Das zu hinterfragen, ist ja nicht unfair.
Natürlich sind die Werte auf Schalke auch aus dem erwirtschafteten Cashflow und nicht nur mit Fremdkapital finanziert. Unfair ist es, die Bilanz von Clubs miteinander zu vergleichen, die man aufgrund unterschiedlicher Rechtsformen nicht miteinander vergleichen kann. Borussia Dortmund ist an die Börse gegangen und hat 95 Prozent der Anteile verkauft. Dadurch kam natürlich Eigenkapital in die Kasse. Bayern München hat seine Fußballabteilung in eine Kapitalgesellschaft ausgegliedert und ebenfalls Anteile verkauft. Schalke 04 gehören nach wie vor 100 Prozent aller Anteile und Rechte.

Trotzdem sind die Mittel knapp. Man hört, Thilo Kehrer wäre gerne bei Schalke geblieben. Wenn Sie einen Leistungsträger wie ihn verkaufen müssen, weil Paris St. Germain Ihnen 37 Millionen bietet und Sie wegen Schalkes Finanzlage so ein Angebot nicht ablehnen können, dann kann das ja keine befriedigende Situation sein.
Schalke 04 ist solide finanziert. Der Transfer wurde getätigt, weil er sportlich und finanziell für uns sinnvoll war. Sie unterstellen, dass wir Kehrer nicht verkauft hätten, wenn wir mehr Geld auf dem Festgeldkonto hätten und das ist falsch. Unabhängig von der wirtschaftlichen Situation müssen wir solche Angebote immer genau prüfen. Es gibt keine Garantie, dass ein Spieler weiterhin gut spielt oder dass er noch Jahre einsetzbar ist. Wir haben mit diesem Transfer Risiken minimiert und Chancen realisiert. Wenn wir auf Transfererlöse verzichten, müssen wir uns fragen, ob wir allein dank dieses Spielers ganz sicher zum Beispiel in der Champions League eine Runde weiter kämen und über den sportlichen Erfolg diese beträchtlichen Einnahmen zusätzlich erzielen. Diese Frage müssen wir gemeinsam im Vorstand abwägen und entscheiden. Und ganz nebenbei sind die Interessen und Vertragssituationen der Spieler ebenfalls von Bedeutung.

Sicherlich haben Sie die Geschichte im Spiegel gelesen, wonach einige Vereine gerne eine europäische Super-Liga hätten, unter anderem der FC Bayern.
Die habe ich nicht ganz gelesen, weil es mir zu lang war.

Aber vielleicht haben Sie die ersten 150 Zeilen geschafft. Das würde schon reichen, um meine Fragen zu beantworten. Demnach gab es im Dezember 2015 einen Entwurf, wonach die 17 Mannschaften aus Europa mit der stärksten TV-Präsenz in einer eigenen Liga spielen sollten. Einer der Vereine, die dort mitmachen sollten, war Schalke. Waren Sie oder ein anderer Vertreter des Vereins in diese Planungen eingebunden?
Nein. Mit uns hat nie jemand gesprochen. Ich habe auch nie eine einzige Unterlage dazu gesehen.

Haben Sie denn irgendwann mal mitbekommen, dass es solch einen Plan gibt und dass Schalke dort mitmachen soll?
Mit mir hat nie jemand, der daran beteiligt war, über so einen Plan gesprochen. Mir hat mal jemand von so einem Plan erzählt, der es von jemandem gehört hat, der es von einem anderen gehört hat. Aber solange ich keine Verträge oder Ähnliches sehe, nehme ich so etwas nicht ernst.

Dem Spiegel zufolge hat es im Oktober dieses Jahr einen weiteren Vorstoß in Sachen Superliga gegeben. Das scheint also immer noch aktuell zu sein. Wird unter den Funktionären der Bundesliga-Vereine oder in den Gremien des DFB darüber diskutiert?
Die Gespräche, die ich dazu geführt habe, endeten alle mit dem gleichen Satz: Es gibt keine Pläne, die umsetzbar und real sind.

Aber wie finden Sie die Idee denn ganz grundsätzlich? Sind Sie für eine neue Liga, in der nur die europäischen Top-Vereine gegeneinander antreten?
Nein.

Egal ob Schalke dabei wäre oder nicht?
Ich halte von einer solchen Idee grundsätzlich nichts. Wir müssen uns doch eines mal klar machen: Fußballvereine werden finanziert von den Menschen, von den Fans. Diese Menschen wollen die Bundesliga, sie möchten den DFB-Pokal und dazu die europäischen Spiele als gelegentliches Highlight. Nach meiner Wahrnehmung wollen die Vereine und die Zuschauer nicht, dass die Highlights das Standardprogramm, also die Bundesliga, ersetzen.

Nehmen wir an, es käme trotzdem zu einer solchen Super-Liga. Würden Sie sich dann dafür einsetzen, dass Schalke zumindest dabei ist?
Dazu kommt es nicht. Und ich bin auch nicht dafür. Und deswegen werde ich mich auch nicht dafür einsetzen. Nochmal: Darüber hinaus kann ich nichts bewerten, was ich nicht kenne.

Man merkt Ihnen an, dass Sie keine Lust haben über das Thema zu reden.
Was soll ich noch mehr dazu sagen als diese klare Positionierung. Ich habe noch keinen getroffen, der gesagt hat, dass er bei Verhandlungen dabei war. Mir kommt es so vor, als redeten wir über eine Fata Morgana.

Wenn Vereine schon erwägen, eine Superliga zu gründen, weil sie dort mehr Geld verdienen können, dann wirft das die Frage auf, wie kommerziell ein Fußballverein eigentlich werden darf. Haben Sie für sich eine Grenze gezogen, bis hierhin darf der Kommerz gehen und keinen Millimeter weiter?
Ganz sicher haben wir eine Grenze gezogen, indem wir uns auf Schalke über Jahrzehnte mit wechselnde Vorständen und Aufsichtsräten immer darin einig waren, unser Eigentum zu bewahren. Wir haben beispielsweise nie unsere Marketing- und Cateringrechte verkauft oder Anteile an Investoren abgegeben. Diese Unabhängigkeit ist ein wichtiger Teil der Philosophie bei Schalke 04.

Das ist also Ihre magische Grenze. Schalke 04 bleibt ein eingetragener Verein, egal was um Sie herum passiert?
Schalke 04 ist mit seiner Struktur und seinen Fremdfinanzierungen langfristig erfolgreich gewesen. Wir ändern doch nichts, was bisher erfolgreich ist.

Und wenn Sie nicht mehr erfolgreich sind und Geld brauchen?
Dann bringt uns eine einmalige Finanzspritze durch den Verkauf von Anteilen doch auch nicht so weit, wie einige denken. Davon können wir dann in der heutigen überhitzten Transfersituation vielleicht zwei Spieler kaufen, aber dadurch geht es ja nicht explosionsartig sportlich nach oben. Finanzierungen sind wichtig. Ich finde es jedoch noch viel wichtiger über Produktentwicklung zu sprechen. Unser Produkt ist der Fußball. Hier sollten wir besser inhaltlich arbeiten als unsere Konkurrenten. Ich vergleiche das gerne mit der Automobilindustrie. Entscheidend ist das Produkt, also das Auto. Wenn der VW zum Beispiel schlecht ist, wird er weniger gekauft, der Umsatz sinkt. Da können sie im Finanzierungsbereich machen, was sie wollen. Das Produkt muss stimmen. Also müssen wir im Fußball besser werden, bessere Spieler und Trainer ausbilden und uns weiter entwickeln.

Entwicklungen kosten Geld, bei VW genauso wie bei Schalke. In dem Zusammenhang sind für Schalke, genauso wie für andere deutschen Clubs, die Einnahmen aus der Champions League sehr viel wichtiger geworden. Wer dabei ist, hat deutlich mehr Geld als der Rest der Liga. Halten Sie das für sinnvoll?
Für mich ist es wichtig, dass alle Vereine eine reelle Chance haben, nach oben zu kommen. Diese Chance ist gegeben. Wenn Sie Top-Arbeit abliefern, können Sie es auch heute noch nach ganz oben schaffen. Gerade diese Saison zeigt wieder, dass Vereine wie Eintracht Frankfurt die Chance haben, erstmals Champions-League zu spielen.

Aber die Unterschiede zwischen den Vereinen sind durch die Einnahmen aus der Champions League größer geworden.
Ich habe immer dafür geworben, die Unterschiede zwischen den Europäischen Wettbewerben zu reduzieren. Aber diese Entscheidung wird doch an ganz anderer Stelle getroffen – über die Verteilung der Erlöse entscheidet nicht der DFB, sondern der europäische Fußballverband.

Aber die deutschen Vereine oder der DFB könnten doch entscheiden, dass die Einnahmen, die nach Deutschland wandern, breiter verteilt werden.
Wir haben in Deutschland ein leistungsorientiertes und solidarisches Verteilsystem, dass gerade diese Forderung erfüllt. Beides wird berücksichtigt. Natürlich kann und darf jeder darüber streiten, in welchem Verhältnis Leistung und Solidarität stehen. Aber ich rate von Sozialismus oder gar Kommunismus ab. Wir wissen, dass dieses Modell im Osten nicht besonders erfolgreich geendet ist.

Wir landen nicht gleich im Sozialismus, nur weil ein Verein von den Einnahmen aus einem Topf mehr abgibt als jetzt.
Aber wenn ein Verein, der aktuell zum Beispiel 70 Millionen einnimmt und einen Umsatz in Höhe von 200 Millionen hat, dadurch weitere 10 Millionen von Bayern München bekommt, ist man doch nicht automatisch wettbewerbsfähiger gegen Bayern mit 650 statt 660 Millionen Umsatz. Wollte man die Unterschiede effektiv ausgleichen, müssten die Vereine mehr Geld aus dem Topf für die Champions League bekommen als Bayern München oder Borussia Dortmund. Das wäre nicht fair und vermutlich sogar Enteignung.

Sie sind ja mittlerweile 25 Jahre auf Schalke ...
... 25 Jahre und sechs Monate ...

Haben Sie zum Jubiläum einen Sonderbonus bekommen oder wenigstens eine Ehrennadel?
Der Aufsichtsrat hat mir mit sehr netten Worten gratuliert und meine Arbeit aufrichtig gewürdigt. Darüber habe ich mich sehr gefreut.

Zur Silberhochzeit gab es nur nette Worte? Nicht mal eine blau-weiße Badeente?
(lacht) Dass ich seit 25 Jahren dabei sein darf, bedeutet ja auch, dass die Menschen im Verein mit meiner Arbeit zufrieden sind. Das sehe ich als die größte Belohnung an.

Wäre es nach 25 Jahren nicht mal Zeit, was Anderes zu machen?
Schalke ist mein Verein. Ich kann mir nicht vorstellen, woanders zu arbeiten.

Sie können mir nicht erzählen, dass Sie nicht zumindest mal heimlich unter der Bettdecke darüber nachgedacht haben, woanders hinzugehen. Es war ja schließlich nicht immer so schön auf Schalke wie heute. Es gab Zeiten, da drohte dem Verein der Lizenzentzug und der Zwangsabstieg in die Regionalliga.
Es gab Anfang der 90er Jahre einen Moment, der hat mich sehr geprägt. Ich war ja früher mal zwei Jahre beim 1. FC Kaiserslautern. Dort stand ein Heimspiel gegen den VfL Bochum an, zu dem meine Freunde aus dem Ruhrgebiet damals anreisten. Als sie wieder fuhren, habe ich gedacht, die dürfen nach Hause fahren und ich muss hier bleiben. Erst habe ich es als Momentaufnahme abgetan, aber als ich dann einen Vertrag auf Schalke unterschrieben hatte und auf der Sauerlandlinie ins Ruhrgebiet fuhr, habe ich tief in mir gespürt: Ich fahre nach Hause.

Aber Sie wohnen in Dortmund. Das kann ein Schalker nicht ernsthaft als Zuhause bezeichnen.
Mein Zuhause ist das Ruhrgebiet.

Aber es gibt ja auch im Ruhrgebiet noch Vereine….
Wollen Sie mir jetzt einreden, dass ich nach Dortmund gehen soll? Das scheidet ja wohl aus.

Das hat Steffen Freund doch auch gemacht und Andi Möller ist den umgekehrten Weg gegangen.
Ich bitte Sie. Wirklich nicht. Daran habe ich noch nie gedacht. Nicht mal heimlich unter der Bettdecke. Versprochen.

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