




Wenn sich die Kunden der Lufthansa in einem Bereich die Besinnlichkeit der Weihnachtstage herbei gewünscht haben, dann wahrscheinlich im nun bald fünf Jahre andauernden Konflikt der Fluglinie mit ihren Piloten. Immerhin hatten die in der Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) organisierten Flugzeugführer in ihrer vierzehnten Streikrunde im vergangenen November an gleich sechs Tagen rund 4500 Flüge am Boden gehalten – bevor sie dann Mitte Dezember endlich einer Schlichtung zustimmten.
Allzu besinnlich ging es bei den Gesprächsrunden offenbar nicht zu. Denn kurz bevor am Dienstag die Runde endet, flammt der alte Streit zwischen der Fluglinie und ihren wichtigsten Beschäftigen erneut auf – in alter Härte. Das zeigt: Ein Ende des Tarifkonflikts ist mehr als unsicher. Und damit drohen der Fluglinie wieder hohe Belastungen.
Das bislang letzte Holzscheit ins schwelende Feuer warf am Wochenende Lufthansa-Konzernvorstand Harry Hohmeister. Der ebenso hochgewachsene wie offen redende Verantwortliche für das Fluggeschäft mit den Traditionsmarken Lufthansa, Austrian und Swiss hatte erklärt, dass die Marke Lufthansa bei einer üppigen Gehaltsrunde künftig keine neuen Flugzeuge mehr bekommen könnte. Denn zusätzliche Jets, so Hohmeister, wolle er nicht in ein System geben, dass seine Wettbewerbsfähigkeit verloren habe und nicht reformfähig sei.
Und weil das wohl noch nicht reichte, kündigte die Lufthansa am Wochenende an, diese Woche das vor Weihnachten angekündigte Abkommen mit der Linie Etihad aus dem Emirat Abu Dhabi zu unterschreiben und zusätzlich wohl um eine Flugpartnerschaft zu erweitern.
Die VC ließ das nicht auf sich sitzen und unterstellte Hohmeister Unsicherheit über das eigene Vorgehen. „Der Vorstand will offenbar den Schlichter einschüchtern, weil er der Kraft der eigenen Argumente nicht traut“, sagte der in Sachen offene Sprache Hohmeister ebenbürtige VC-Sprecher Jörg Handwerg. Das sei sicherlich nicht hilfreich. Und einer seiner Kollegen ergänzte: „Die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der Lufthansa hängt nun wirklich nicht alleine an den Pilotengehältern – und wenn das doch so ist, dann haben Spohr und Hohmeister ihren Job nicht gemacht.“
Lufthansa kann sich hohen Tarifabschluss nicht leisten
Das Schlimme daran ist: beide Seiten haben am Ende Recht.
Die Lufthansa kann einen Tarifabschluss mit der von den Piloten geforderten Erhöhung von 20 Prozent nicht gebrauchen. Denn, so Spohrs richtige Litanei, angesichts effizienterer Wettbewerber von Billigfliegern bis zu den Golflinien kann es die Lufthansa nicht leisten, wenn ihre Ausgaben für Pilotengehälter von bislang rund einer Milliarde Euro im Jahr um 200 Millionen Euro ansteigen. Bereits die umgerechnet rund zwei Euro pro Passagier mehr beim Flugpreis wären viele Kunden ein Grund anderswo zu buchen. Darum schrumpft die Lufthansa-Marke als Kern des Konzerns bereits seit gut drei Jahren und ist nach einst fast 400 Fliegern bei 334 Maschinen angekommen.
Immer wieder Streiks bei Lufthansa und ihren Töchtern
Flugkapitäne der Lufthansa legen mehrmals die Arbeit nieder. Von dem Premieren-Streik sind mehrere tausend Verbindungen betroffen. Am Ende erstreitet die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) ihren ersten Tarifvertrag.
Das Boden- und Kabinenpersonal der Lufthansa streikt fünf Tage lang. Mehrere hundert Flüge fallen aus. Die Gewerkschaft Verdi und das Unternehmen einigen sich am Ende auf höhere Gehälter.
Die Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo verursacht den bis dahin größten Ausfall an einem einzigen Streiktag in der Geschichte der Lufthansa. Rund 1000 Flüge werden gestrichen, es trifft über 100.000 Passagiere. Beide Seiten beschließen eine Schlichtung.
Ein Warnstreik des Bodenpersonals legt den Flugverkehr der Lufthansa in Deutschland fast lahm. Der Airline zufolge sind rund 150.000 Passagiere betroffen. Im Mai verabreden Verdi und der Konzern anschließend gestufte Entgelterhöhungen und einen Kündigungsschutz.
Start einer Streikserie von mittlerweile 13 Runden der Lufthansa-Piloten. Anfangs fallen rund 3800 Flüge aus. Es geht um Übergangsrenten, Gehalt, Altersvorsorge und im Hintergrund auch immer um die Billigtochter Eurowings.
Die Piloten erklären die im Mai begonnene Schlichtung für gescheitert. Drei Wochen später bieten sie Lufthansa Einsparungen von über 400 Millionen Euro an, um Job-Verlagerungen zu verhindern.
Vorerst letzte Etappe des Pilotenstreiks: 16 Stunden Ausstand auf der Langstrecke sowie am folgenden Tag auch auf den Kurz- und Mittelstrecken. Das Landesarbeitsgericht Hessen erklärt den Ausstand für unrechtmäßig, weil tariffremde Ziele verfolgt würden. Seit April 2014 sind wegen der Pilotenstreiks mehr als 8500 Flüge ausgefallen, wovon rund eine Million Passagiere betroffen waren.
Die Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo startet einen einwöchigen Ausstand des Lufthansa-Kabinenpersonals. Der Konflikt wird schließlich vom SPD-Politiker Matthias Platzeck geschlichtet.
Ufo ruft bei Eurowings und Germanwings das Kabinenpersonal zu einem 24-stündigen Streik auf. Der Konflikt dauert an.
Nachdem Verhandlungen über die Vergütung von rund 5400 Piloten der Kerngesellschaft Lufthansa und der Tochter Germanwings gescheitert sind, ruft die VC erneut zum Streik auf. Die Gewerkschaft fordert - über fünf Jahre - ein Plus von 22 Prozent.
Dazu fordern die Piloten auch weitere Veränderungen, die ins Geld gehen. Dazu zählt eine Übergangsregelung für die Altersversorgung und den Ausbau der Billigtochter Eurowings zurückzudrehen oder zumindest zu stoppen. Da diese Punkte nicht Teil der aktuellen Schlichtung sind, kämen deren Kosten noch oben drauf.
Dafür gibt es für Hohmeister nur zwei Auswege: Mehr Fluggeschäfte im Konzern umverteilen – etwa an Eurowings, Swiss und Austrian, die auch dank niedrigerer Gehälter effizienter fliegen. Dazu kommt der Aufbau einer neuen Billigplattform. Bereits heute betreibt die Marke Lufthansa unter dem internen Titel „Jump“ eine Handvoll Langstreckenflieger, die dank abgeschriebener Maschinen ohne große Kapitalkosten und niedrigerer Gehälter auch auf Ferienrouten mit der Konkurrenz mithalten können. „Das reicht aber vielleicht nicht aus. Wir müssen auch über eine echte Alternative im Lufthansa-Kerngeschäft nachdenken“, so Hohmeister und nennt eine Größe von bis zu bis 40 Maschinen. „Das ist keine Tarifflucht, das ist eine Flucht vor einem bislang nicht kompromissfähigen Tarifpartner.“