Nicht mehr nur noch Diesel, Benzin und Co. – an einigen Shell-Tankstellen können Autofahrer demnächst auch Strom „tanken“. Der Energiekonzern Shell will noch in diesem Jahr bundesweit 50 Ladesäulen mit 100 Ladepunkten an seinen Tankstellen errichten. Dank Schnellladesäulen verspricht Shell eine so hohe Ladeleistung, dass ein Elektroauto in wenigen Minuten genug Strom für eine Fahrleistung von 100 Kilometern aufnehmen kann.
Das Unternehmen arbeitet beim Aufbau des Ladesäulen-Netzes mit dem Stromkonzern EnBW zusammen, der den Kunden 100 Prozent Ökostrom garantieren soll. Geplant sind laut Shell Schnellladesäulen mit einer Leistung von 150 Kilowatt und mehr. Je nach Fahrzeug können dort zwei E-Mobile gleichzeitig den Strom für 100 Kilometer in sechs bis acht Minuten laden oder ein Fahrzeug in drei bis vier Minuten.
Shell ist damit der erste Tankstellen-Konzern, der in einem größeren Umfang Ladesäulen anbieten will. Bislang halten sich die Tankstellen beim Bau von E-Ladesäulen zurück. Experten zufolge vor allem deshalb, weil lange Ladezeiten von 30 Minuten oder mehr nicht zum Konzept der Stationen passen. Tatenlos ist aber auch die Shell-Konkurrenz nicht.
Deutschlands führender Tankstellen-Konzern Aral will Ende Mai in Bochum die ersten Ultraschnellladesäulen (mit einer Ladeleistung von 160 kW) in Deutschland in Betrieb nehmen. 2019 plant Aral insgesamt fünf über die Bundesrepublik verteilte Pilotstationen. „Abhängig vom Erfolg und von den gesammelten Erfahrungen wird Aral Angebote dort schaffen, wo sich mittel- bis langfristig auch ein wirtschaftlich tragfähiges Geschäftsmodell realisieren lässt“, sagte Aral-Pressesprecher Detlef Brandenburg gegenüber der WirtschaftsWoche. Und die Nummer drei in Deutschland, Total, verfügt eigenen Angaben zufolge über rund zwei Dutzend Stationen mit Elektroladesäulen des gleichen Kalibers wie Shell (150 Kilowatt Leistung) und möchte in diesem Jahr in zwölf weitere Elektroladestellen investieren. In den nächsten drei Jahren sollen 60 deutsche Total-Tankstellen so ausgerüstet sein.
Der Ausbau des Ladesäulen-Netzes wird eher von Energieversorgern und auf kommunaler Ebene vorangetrieben. Bundesweit gab es Ende März nach Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) rund 17.400 Ladepunkte für Elektro-Autos in Deutschland. Davon sollen etwa 12 Prozent Schnelllader sein. Mehr als drei Viertel der Ladesäulen werden laut BDEW von Energieunternehmen betrieben und stehen vor allem in Großstädten zur Verfügung.
Auf dem Land ist das Netz noch dünn und muss weiter ausgebaut werden, wenn die Elektromobilität zunehmen soll. Bislang ist der Marktanteil von E-Autos allerdings in ganz Deutschland sehr gering. 2018 waren laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) nur 83.000 reine Stromer in Deutschland angemeldet, hinzu kommen 341.000 Hybridfahrzeuge. Zum Vergleich: Insgesamt listet das KBA 57,3 Millionen Kraftfahrzeuge.
Das Ziel sollen aber deutlich mehr E-Autos sein. Ihr Erfolg gilt als immens wichtig, um Deutschlands Klimaziele im Verkehr 2030 zu erreichen. Damit E-Autos aber millionenfach auf deutschen Straßen fahren, muss die Lade-Infrastruktur flächendeckend ausgebaut werden. Ein dichtes Netz von Ladestationen gilt als Voraussetzung dafür, dass mehr Elektroautos benutzt und gekauft werden.
E-Auto-Ladesäulen in deutschen Großstädten
In Berlin betreibt alleine der Anbieter Be-Emobil nach Angaben des Senats derzeit 260 Ladestationen mit 490 Ladepunkten, bis zum dritten Quartal 2020 sollen es bis zu 1140 sein. Auch die Anbieter Innogy und RWE betreiben zahlreiche Ladestationen in Berlin.
München hat 350 Ladesäulen mit 700 Ladepunkten. Ende 2019 sollen es 550 Ladesäulen mit 1100 Ladepunkten sein. Zentrale Forderung der bayerischen Landeshauptstadt ist es, die bislang befristet angelegten Förderprogramme längerfristig fortzuführen. Unbedingt nötig sei auch eine Novelle des Wohneigentums- und Mietrechts, um den Ausbau von Ladeinfrastruktur im mehrgeschossigen Eigentums- und Mietshäusern zu erleichtern.
In Köln gibt es derzeit 170 öffentlich zugängliche Ladepunkte des Versorgers Rheinenergie. Hinzu kommen 50 weitere öffentliche Ladepunkte anderer Anbieter. Bis Ende 2020 sollen 400 zusätzliche Ladepunkte hinzukommen. Für den Durchbruch der Elektromobilität müsse aber auch halb-öffentliches und privates Laden gefördert und rechtlich erleichtert werden, heißt es aus dem Kölner Rathaus. Für Taxis und öffentliche Flotten sei ein dichteres Netz an Schnellladepunkten nötig.
In Düsseldorf betreiben die Stadtwerke aktuell mehr als 220 Ladepunkte. Für 2019 gibt es Planungen, mindestens eine zweistellige Anzahl von weiteren Ladepunkten zusätzlich zu installieren.
In Stuttgart gibt es derzeit an etwa 200 öffentlichen Standorten 400 Ladepunkte. Bis Ende 2021 sollen nach Angaben der Stadt 300 Standorte mit 600 Ladepunkten hinzukommen. Im öffentlichen Raum sei das Hauptproblem, passende Orte für die Ladestationen zu finden. Bei den Schnelladern mit Gleichstrom gebe es Schwierigkeiten mit der Netzkapazität und die Kosten für Anschluss und Tiefbau seien höher. Bei Förderaufrufen der Bundesregierung seien die Fristen zu kurz. Der Ausbau auf privaten Flächen komme nur verzögert voran, stellte ein Sprecher der Stadt fest.
In Hannover gibt es aktuell etwa 50 Ladepunkte. Die Stadt erwartet von seiner Konzessionärin Enercity bis Ende 2019 den Betrieb von 120 Säulen mit 240 Ladepunkten.
Essen hat das Stadtgebiet in jeweils 200 mal 200 Meter große Einheiten aufgeteilt, die als Standorte für E-Ladesäulen dienen sollen. Dadurch soll der Aufbau der E-Ladesäulen möglichst gleichmäßig auf dem Essener Stadtgebiet erfolgen. Bisher sind 155 Anträge auf die Erlaubnis zum Ausstellen einer Ladesäule eingegangen.
In Mainz gibt es rund 50 Ladepunkte. Nach Angaben der Stadt werden bis Jahresende lediglich 15 bis 20 neue Ladepunkte angestrebt. Aus Mainz hieß es, der öffentliche Raum sei „sehr begrenzt, es bestehen zahlreiche Nutzungskonflikte“, etwa beim Parken. Mit Blick auf die Förderung sind aus Mainzer Sicht noch Gesetzesänderungen notwendig, so etwa einheitliche und verständliche Beschilderung sowie Regeln für das Ladestationen in Garagen von Mehrfamilienhäusern. Außerdem müsste Carsharing für E-Autos gezielt gefördert werden und die Erweiterung
In Leipzig sind nach Angaben der Stadt momentan etwa 260 öffentlich zugängige Ladepunkte vorhanden. Man unterstütze den Aufbau von mehr Ladestationen und sei „mit den privatwirtschaftlichen Unternehmen im Austausch“. Eine Zielzahl wurde nicht genannt.
Shells Initiative ist zunächst ein eher kleiner Schritt gen Elektrifizierung – bedenkt man, dass der Konzern von 50 Ladesäulen bei deutschlandweit rund 2000 Tankstellen spricht. Er ist allerdings forscher als die Pläne der Konkurrenz hierzulande. Zudem versprach Jan Toschka, Chef des Shell Tankstellengeschäftes in Deutschland, Österreich und der Schweiz: „Die ersten 50 Stationen sind nur der Anfang.“ Erfahrung mit E-Ladesäulen hat der Konzern international bereits in Großbritannien, den Niederlanden und China gesammelt. Ganz neu ist der Komplex also nicht.
Deutschlands zweitgrößter Tankstellenanbieter (nach Aral) könnte in der Branche hierzulande eine Vorreiterrolle einnehmen. Die Konkurrenz von Total macht derzeit noch kleinere Schritte mit weniger als 40 geplanten Ladesäulen bis Jahresende. Dort wird parallel auf den Ausbau von Wasserstoffstationen gesetzt. 20 solcher H2-Stationen hat Total hier deutschlandweit, sieben weitere sind bis zum Jahresende geplant.
Setzten die Tankstellen-Anbieter verstärkt auf die Versorgung von Stromern, könnten sie so vor allem Deutschlands Kleinstädter und Dörfler zur Elektromobilität motivieren. Bislang scheint es vor allem für die Kommunen oft schwierig zu sein, die Ladeinfrastruktur zu verbessern. Besonders in diesen ländlichen Regionen könnte der Tankstellen-Konzern Abhilfe schaffen. Denn viele Shell-Tankstellen finden sich auch fern der großen Städte der Republik, an Autobahnrastplätzen und in eben diesen ländlicheren Gebieten, wo sich Kommunen schwer tun, geeignete Flächen für die Ladepunkte zu finden, wie zuletzt eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab. Dehnt Shell also als erster seine Initiative, wie versprochen, im großen Stil aus, könnte das für die Ladesäulen-Infrastruktur mitentscheidend sein.
Mit Material von dpa