In wenigen Stunden geht in Griechenland die Bedenkzeit für die privaten Gläubiger über einen Schuldenschnitt zu Ende. Bis Donnerstagabend um 21 Uhr müssen sich die Gläubiger entscheiden, ob sie sich an einem Schuldenerlass in Höhe von 107 Milliarden Euro beteiligen wollen. Der Anleihentausch war Bedingung für die Finanzhilfe der Eurogruppe. Bevor die ersten Notkredite fließen, müssen sich ausreichend Banken und Fonds an dem freiwilligen Schuldenerlass beteiligen. Der Umtausch sieht vor, dass Investoren etwa 75 Prozent des Gesamtwerts der Anleihen abschreiben.
Experte: Griechenland wird Eurozone verlassen
50 Prozent akzeptieren den Schuldenschnitt
Erst in der Nacht zum Donnerstag hatte das hellenische Parlament die letzten Sparbeschlüsse abgenickt. „Griechenland hat große Anstrengungen unternommen und ist auf einem guten Weg“, lobte Bundesfinanzminister
Wolfgang Schäuble. „Jetzt liegt es nur noch an den Gläubigern, das Angebot anzunehmen.“ Die Investoren-Vereinigung PCIC erklärte am Mittwoch, dass sich Mitglieder, denen Griechenland 81 Milliarden Euro schuldet, am Umtausch der Papiere beteiligen wollen. Das entspreche 39,3 Prozent der infrage kommenden Summe. Darüber hinaus haben weitere Unternehmen angekündigt, das Angebot anzunehmen, was die Quote über die 40-Prozent-Marke hebt. Zusammen mit anderen privaten Besitzern griechischer Staatsanleihen sind bislang 50 Prozent bereit, auf einen Teil ihrer Forderungen zu verzichten. Damit der freiwillige Schuldenschnitt gelingt, muss jedoch eine Beteiligungsquote von 90 Prozent erreicht werden. Falls die Beteiligung an dem Anleihetausch nicht hoch genug ist, will Griechenland den Schuldenerlass erzwingen. Sollte die Umschuldung scheitern, wäre Griechenland voraussichtlich in weniger als zwei Wochen pleite.
Viele Unternehmen haben sich noch nicht geäußert
Bis zum Morgen hatten Banken, Pensionsfonds und andere Investoren, die mehr als die Hälfte der Gesamtsumme von 206 Milliarden Euro halten, öffentlich ihre Teilnahme zugesagt. Von vielen Investoren ist aber immer noch nicht bekannt, wie sie sich entscheiden. Dazu zählt auch die FMS Wertmanagement, die innerhalb Deutschlands wohl den größten Bestand an griechischen Anleihen hält. Bei der Bad Bank der Hypo Real Estate wollte man am Mittwoch nicht sagen, ob es eine Entscheidung gibt - und wie sie gegebenenfalls lautet. Im Herbst hatte sie noch Bereitschaft signalisiert, an einem Schuldenschnitt teilzunehmen. Nach den damals diskutierten Bedingungen wäre aber nur knapp eine Milliarde Euro betroffen gewesen. Jetzt wären es wohl acht Milliarden Euro.
Die Leidtragenden des Schuldenschnitts
Die drei größten Handelsbanken Zyperns wollen sich offenbar am Umtausch griechischer Anleihen beteiligen. Die zyprischen Banken halten 4,7 Milliarden Euro an griechischen Staatsanleihen, wobei der größte Anteil daran auf die Marfin Popular Bank, die Hellenic Bank und die Bank of Cyprus entfällt. Auf Seite der europäischen Banken haben sich bisher die Commerzbank, die DekaBank, die Deutsche Bank, BNP Paribas, Credit Agricole, Dexia, Generali, HSBC ING, Metlife, die Royal Bank of Scotland, die Societe Generale und Unicredit bereit erklärt, 75 Prozent ihrer Forderungen abzuschreiben. Bei der Deutschen Bank stehen die griechischen Papiere noch mit 484 Millionen Euro in den Büchern, das sind 29 Prozent des Nominalwertes. Bei der Commerzbank sind es etwa 800 Millionen und 26 Prozent, die Unicredit hat griechische Staatsanleihen im Wert von 234 Millionen Euro in den Büchern. Auch die angeschlagene Österreichische Volksbanken AG beteiligt sich am Schuldenschnitt für Griechenland. Das Institut reiche Anleihen im Nominalvolumen von 175 Millionen Euro zum Tausch ein, sagte eine Banksprecherin am Donnerstag. Die Bank habe seine griechischen Anleihen jedoch bereits zu Marktwerten in den Büchern stehen, es ergäben sich keine zusätzlichen Belastungen.
Die erste Ablehnung
Die Pharmafirma Biotest will Griechenland keine Schulden erlassen. Das Unternehmen, das Hellas-Bonds mit einem Nominalwert von 15,8 Millionen Euro hält, werde nicht am anvisierten Anleihentausch teilnehmen, sagte eine Firmensprecherin am Donnerstag. Der Marktwert der Griechenland-Anleihen, mit denen die griechische Regierung Ende 2010 offene Rechnungen von staatlichen Krankenhäusern beglich, liege derzeit bei rund 4,5 Millionen Euro. Das Unternehmen werde nun abwarten, wie viel von seinen Forderungen es nach der Ablehnung des Anleihentauschs erhalten werde. Biotest ist der erste private Gläubiger, der offiziell die Teilnahme am Anleihentausch verweigert.
Bei den meisten deutschen Unternehmen geht es um vergleichsweise überschaubare Summen, da die griechischen Staatsanleihen nach massiven Wertberichtigungen nur noch mit einem Bruchteil ihres Nominalwertes geführt werden. Beispielsweise beim Versicherer Allianz, der sich ebenfalls zum Schuldenerlass bereit erklärte, hat noch Staatsanleihen für 310 Millionen Euro - macht 24,7 Prozent des Nominalwerts.
Deutschlands größter Rückversicherer Munich Re hatte in griechische Papiere investiert und ist nun ebenfalls bereit, auf 75 Prozent von 400 Millionen Euro zu verzichten. Bei den Volks- und Raiffeisenbanken müssen die einzelnen Institute jeweils für sich entscheiden, sie haben nach eigenen Angaben aber eher überschaubare Bestände. Die zu ihnen gehörende DZ Bank hatte zuletzt noch Anleihen über rund 300 Millionen Euro in den Büchern. Das waren 25 Prozent des Nominalwertes. Bei den Sparkassen erwartet der scheidende Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes Heinrich Haasis, dass die meisten beim Schuldenschnitt mitmachen.
Neben Banken und Versicherern werden aber auch Unternehmen wie der Pharmakonzern Merck dem Schuldenerlass zustimmen. Weitere Unternehmen wie Fresenius haben sich bislang nicht geäußert.
mit dpa, dapd und Reuters